Alkoholische Krisenbewältigung

Schnapsdrosselkrönung

d'Lëtzebuerger Land du 17.12.2009

Heute loben wir die alkoholische Krisenbewältigung. Ist es nicht verblüffend, mit welchem Elan sich die CSV-Kultur neuerdings in die höchsten Sphären des Geistes emporschwingt? Die Rede geht hier vom Birnen-, Mirabellen- oder Zwetschgengeist. Ein Tag der offenen Tür in zwei Schnapsbrennereien ist an sich keine Meldung wert. Es ist beißend kalt, ein bisschen Feuerwasser tut den klammen Gliedern gut. Darüber muss keine Zeitung groß berichten. Zum event wird ein solch alkoholistisches Rendez-vous aber, wenn sich dabei Unerhörtes ereignet. Wie neulich in Kehlen.

Wir hören und staunen: Höhepunkt der feuchtnebligen Angelegenheit war die Wiel vum éischte Lëtzebuerger Schnapskinnek. Schon allein diese Ankündigung lässt Schlimmes ahnen. Bisher war ein König immer von Geburt aus blau. In Kehlen hingegen wurde er blau gemacht, und zwar nicht von Gottes Gnaden, sondern von Volkes Willen. Das ist nichts weniger als eine wüste Attacke auf das Prinzip der Monarchie. Wenn der König gewählt wird, brauchen wir keinen König mehr. Hier stand also nichts Geringeres als die symbolische Abschaffung unseres Herrscherhauses auf dem Programm. Richtig pikant wird die Geschichte, wenn wir bedenken, dass der schnapsfreudige Zeremonienmeister ein CSV-Abgeordneter aus Fleisch und Blut war, der Ehrenwerte Felix Eischen.

Rund 2 000 Menschen waren dem Ruf in die branntweingeschwängerten Gefilde gefolgt. Das ist schon eine kleine Volksbewegung. Wir verstehen nachträglich, wieso Herr Eischen vor kurzem so elegant auf der Schnapswelle hinein ins Parlament geschwemmt wurde. Natürlich ist Schnaps eine dankbare Alternative zum Nikotinstängel, der ja in der Regierungskoalition mittlerweile als Summum aller Übel gehandelt wird. Ja es stimmt, vom Passivrauchen wird inzwischen die halbe Bevölkerung hinweggerafft, doch vom Passivsaufen haben wir noch nie etwas gehört. Während ein Nichtraucher in Gegenwart von Rauchern schon nach kurzer Zeit tot umfällt, wird ein Nichtsäufer in Gesellschaft von Säufern immer fröhlicher und lebendiger. Das liegt wohl an den gehaltvollen und nahrhaften Alkoholfahnen. Ein schnapsgetränkter Zungenkuss soll sogar längst Verblichenen wieder auf die Sprünge helfen. Müssen wir wirklich noch anmerken, dass Schnaps kein Nikotin enthält?

Richtig revolutionär mutet das Kehlener Schnapsfestival an, wenn wir uns vor Augen führen, was bei der Schnapskönigwahl herauskam. Von 20 Kandidaten, die per Schnüffeln oder Süffeln ihre Kennerschaft beweisen sollten, blieb am Ende ein haushoch überlegenes Damentrio übrig. In anderen Worten: aus dem beabsichtigten Kinnek wurde notgedrungen eine ungeplante Kinnigin. Dieser Wahlausgang hat weitreichende Konsequen­zen. Er besiegelt eigentlich das Ende der männlich dominierten Stammtische. Plötzlich bricht ein Patriarchenprivileg zusammen.

Wenn die Frauen noch weitaus trinkfester sind als die Männer, sollten wir schnell mal überlegen, ob zum Beispiel im Parlament, oder sagen wir in der CSV-Fraktion, nicht längst die gleichen Verhältnisse herrschen, nämlich eine ausgeprägtere Politikbegabung bei den Frauen. Dann hätte die CSV ein böses Problem. Die Frauen sind zwar besser, aber die Frauen sind nicht da. Wieso? Wieviele Schnapswettbewerbe müssen denn noch veranstaltet werden, um stellvertretend vorzuführen, dass die Männer nicht mehr viel zu bestellen haben?

Über den Zusammenhang von Schnaps und Politik müssen wir uns nicht weiter auslassen. Das Ferment der Politik kam immer schon aus der Brennerei. Ein Wirt kommt zehnmal schneller ins Parlament als ein Industriearbeiter. Jedes Wirtshaus ist ein Parlament im Kleinformat, jeder Wirt ein Minister in spe. Es ist also keineswegs eine Schnapsidee, von Zeit zu Zeit das Wählervolk mit vollendet demokratischer Geste in einer lokalen Schnapshölle zu versammeln und geistig zu verwöhnen.

Wahrscheinlich braucht die neue Kehlener Schnapskinnigin, deren Namen wir hier aus Verkehrskontrollgründen verschweigen, künftig eine zuverlässige Versicherung. Ihr monarchisches Leben wird Tag für Tag in schwankenden Bahnen verlaufen. Ganz sicher hat die CSV auch einen prominenten Versicherungsagenten aufzubieten, der die Frau zurück auf den séchere Wee lotst. Die Dame hat sich jedenfalls zweifelsfrei fürs Parlament qualifiziert. Sie wird ganz sicher auf der nächsten CSV-Südliste stehen.

Wenn der Ehrenwerte Felix Eischen demnächst auf der Schnapswelle ins Kehlener Bürgermeisteramt surft, dürfen wir uns viel von ihm erwarten. Vielleicht führt er sogar in der lokalen Fundamentalschule einen Schnapskompetenzsockel für die lieben Kleinen ein. Kinder kann man ja nie früh genug vertraut machen mit den Regeln und Gesetzen der hohen Politik. Schon im zartesten Alter sollten sie ihre Schnapsleistungen im Portfolio nachlesen können. Und ein Schnapsbrennereibesuch im Fach Sozialkunde ist immer etwas äußerst Kreatives und Lehrreiches. Da wird keine Lehrkraft widersprechen.

Guy Rewenig
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