Die lieben Onkel vom Spitzeldienst

In Gefahr und höchster Not

d'Lëtzebuerger Land vom 01.02.2013

Heute loben wir die lieben Onkel vom Spitzeldienst. Liebe Tanten scheint es in diesem staatspolitischen Karnevalsverein nicht zu geben. Das hängt wohl mit dem Jagdinstinkt zusammen, der bei Frauen leider sehr schwach ausgeprägt ist, bei Männern hingegen ein Werkzeug der Lebenserfüllung bleibt. Seien wir doch mal vernünftig. Der Spitzel ist ein bedauernswertes Wesen. Sein Beruf ist risikoreich wie kaum ein zweiter, der Geheime muss sich ständig auf den Kopf stellen, um die Früchte seiner Arbeit zu ernten, aber die gesellschaftliche Anerkennung bleibt ihm lebenslänglich verwehrt. Immer muss er im Schatten agieren. Nie darf er öffentlich fragen: Bin ich kein toller Hecht? Im Schatten des Rechtsstaats ist es kalt, dort herrscht förmlich ein sibirischer Gulag-Frost, der Spitzel läuft ununterbrochen Gefahr, irgendeine geheime Infektion zu erwischen. Dann muss er schon wieder seinen Geheimarzt aufsuchen. Und keiner von uns erfährt je von seinen geheimen Spitzelgebrechen. Ist das denn ein Leben?

Was könnten wir tun, um das freudlose Dasein dieser Schattenmänner ein wenig aufzuhellen? Eine Idee: Schauen Sie doch einfach mal bei uns vorbei, sehr geehrter Herr Spitzel, ohne Umstände und ganz zwanglos. Ein kleiner Plausch mit offenem Ausgang wird Sie ganz bestimmt aufmuntern. Ein gutes Holzfeuerchen wird Ihnen Leib und Seele wärmen, wir werden auch exzellenten Rotwein kredenzen, keine geheime Lage, nichts streng Vertrauliches, Sie dürfen das Flaschenetikett getrost fotografieren mit Ihrer Armbanduhr oder Ihrer Krawattennadel oder Ihrer Sonnenbrille, Sie müssen sich nicht einmal unter dem Sofa verstecken über dem Knipsen. Zigarren haben wir auch auf Lager, kubanische, wenn Sie erlauben, das heißt, wenn sich Ihre Nackenhaare nicht sträuben beim bloßen Gedanken an die terroristisch-extremistische Tabakherkunft. Sie dürfen ruhig auch maskiert erscheinen – eng Kagull fir de Vull –, es stört uns nicht, wenn Sie Ihre Identitätsschwankungen nicht im Griff haben, das kommt davon, wenn man ständig inkognito durch die Gegend preschen muss.

Und dann plaudern wir mal über Ihre Berufsauffassung. Es geht ja eigentlich nur um folgende Frage: Wer oder was ist eine Gefahr für den Staat? Wenn wir uns Ihre Deutungshoheit über die nationale Gefahrenlage so ansehen, kommen uns natürlich Zweifel. Seid ihr finsteren Gesellen nicht zufällig falsch gepolt? Über eine Handvoll kritischer Katholiken habt ihr eine Akte angefertigt? Sidd dir dann alleguer vum Lämmes gebass? Diese friedfertigen Bürger wollten nichts anderes, als ihre Kirche auf den Pfad der demokratischen Tugend zu lotsen. Ein zutiefst untaugliches, romantisches Unterfangen, wie sich zeigt, denn diese Kirche ist und bleibt von ihrem Wesen her durch und durch antidemokratisch. Warum also werden Menschen, die das Luxemburger Wort kritisieren, in Ihrem Aktenkeller tiefkühlgelagert? Ist das Luxemburger Wort ein Staatsorgan? Dann wäre das Erzbistum nicht länger ein Staat im Staate, sondern die übergreifende Staatsinstanz schlechthin. Sehr geehrter Herr Spitzel, da liefern Sie ja ein vorzügliches Argument, diesen frommen Herrschaften endgültig die staatlichen Diäten zu streichen!

Nach dem dritten Gläschen, wenn Sie so richtig locker geworden sind (und vielleicht sogar aus Ihrer Maske schlüpfen), könnten wir Ihnen gern eine echte Gefahr für den Luxemburger Staat präsentieren. Der Mann heißt Lakshmi Mittal, er zerstört die staatlichen Strukturen von innen. Terrorismus ist ja nichts anderes als die mutwillige Vernichtung von Lebensgrundlagen. Insofern ist Herr Mittal ein multinationaler Terrorist mit unbeschränkten operativen Mitteln, wir sehen schon, wie Sie zustimmend mit dem Kopf nicken. Nun, worauf warten Sie, sehr geehrter Herr Spitzel? Wie steht es denn mit der Akte Mittal? Haben Sie schon einen Ihrer frosty guys in seine Machtzentrale eingeschleust? Sorgen Sie vor, für Herrn Mittals tonnenschweres Verbrecherdossier brauchen Sie dringend neue Räume, wenn nicht sogar einen zusätzlichen Lagerkomplex.

Was hören wir? Sie und Ihre verschworenen Schattengestalten sind immer noch den Gewerkschaften auf den Fersen? So leicht kommen Sie uns aber nicht davon, sehr geehrter Herr Spitzel. Sie dezimieren hier unseren Weinkeller und knabbern schon an der fünften kubanischen Zigarre und beichten einfach feuchtfröhlich, dass Sie nicht Herrn Mittal beschatten, sondern Herrn Mittals Kritiker? Das verhält sich ja genau wie in der Sache Luxemburger Wort! Nicht die Missetäter werden geheimdienstlich erfasst, sondern die Gegner der Missetäter! Könnte das etwa heißen, der Staat selber ist eine Art föderativer Missetäter? Der sich devote Spitzel hält, um die demokratisch denkenden Bürger einzuschüchtern?

Sie wollen nicht antworten? Gut. Dann sind wir leider wieder in der Dunkelzone angekommen. Wir könnten Ihnen jetzt noch als Absacker einen obskuren, essigsauren Elbling anbieten. Mit dem Barolo ist jedenfalls Schluss. Und dann sollten Sie wirklich endgültig absacken, Herr Schattenmann!

Guy Rewenig
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