Die Autohändler zelebrieren das 50. Festival, aber die Verkaufszahlen vom letzten Jahr sind ernüchternd

Ein ganz normales Autoland

d'Lëtzebuerger Land vom 31.01.2014

„Das wird schon wieder“, sagt Sévérine Watrin, die Marketingchefin von Renault Luxemburg. „Wir können zum Festival den neuen Mégane anbieten, der wird sicherlich für Aufmerksamkeit sorgen.“

Wie die Renault-Managerin machen auch andere Importeure großer Marken und Autohändler sich vor dem morgen beginnenden 50. Autofestival Mut, dass ihre im vergangenen Jahr eingebrochenen Verkaufszahlen nur eine zyklische Erscheinung seien und neu aufgelegte Modelle sich schon gut verkaufen werden. Dass der um 7,5 Prozent geschrumpfte Neuwagenmarkt – die Verkäufe in Luxemburg sanken um 6,8 Prozent, die Importe um 12,3 Prozent – so gut wie alle Marken betraf, ist ebenfalls zu hören und soll ein Hinweis darauf sein, wie zyklisch es auf dem Markt zugehe.

Dass die Baisse im letzten Jahr fast alle Marken betraf, stimmt ja auch. Von denjenigen, deren Absatz sich im vierstelligen Stückzahlbereich bewegt, verkauften allein Audi, Mercedes und Nissan mehr als 2012. Bei den kleineren stiegen die Verkäufe von Kia und Dacia.

Das war’s dann aber auch schon, sieht man davon ab, dass etwa eine Edelmarke wie Jaguar zehn Prozent mehr absetzte. Volkswagen ist nach wie vor Marktführer bei den PKW hierzulande mit 6 072 Neuzulassungen, erlitt aber einen Verlust, der mit zehn Prozent sogar höher war als der allgemeine Marktrückgang. Dasselbe geschah Renault mit minus elf Prozent. Die Verkäufe von Ford-Modellen brachen um 17 Prozent ein, die von Citroën um 19 Prozent, die von Peugeot gar um 31 Prozent. Selbst BMW, 2012 noch die führende Premium-Marke hierzulande und hinter VW und Renault die insgesamt drittbeliebteste, hielt 2013 zwar diesen dritten Platz, verkaufte mit sieben Prozent weniger Autos aber so nah an der allgemeinen Marktentwicklung, dass es für einen Premium-Hersteller viel ist.

Wie konjunkturbedingt und daher „zyklisch“ das ist, ist gar nicht leicht zu sagen. Der Krisenausbruch hatte schon 2009 die PKW-Neuzulassungen vom Allzeithoch von 52 359 Stück des Vorjahres um zehn Prozent auf 47 265 abstürzen lassen – und das trotz der Anfang 2009 von der Regierung rasch eingeführten Verschrottungsprämie als Kaufanreiz. Bis 2012 legten die Neuzulassungen dann wieder zu, kamen aber nicht mehr über den Stand von 2006 hinaus, ehe 2013 sogar der Stand von 2004 unterschritten wurde.

Mit Gewissheit sagen lässt sich auf jeden Fall dies: Würden in Luxemburg nicht nach wie vor viele Firmenwagen im Leasing erworben und Mitarbeitern als Bonus zum Gehalt zur Verfügung gestellt, wäre die Marktlage weitaus trüber. Mit 23 049 Stück wurden im letzten Jahr beinah ebenso viele Firmenwagen neu zugelassen wie Privat-PKW (23 575 Stück). Doch während das Leasing an Firmen gegenüber 2012 um 4,4 Prozent leicht sank, legten sich 10,3 Prozent weniger Privatleute ein neues Auto zu. Noch deutlicher war dieser Rückgang bei den „klassischen“ Karrosserieformen, den Fließheckautos, den Limousinen und den Coupés: Davon wurden vergangenes Jahr an Privatleute 21 Prozent weniger abgesetzt als 2012, nur um knapp ein Prozent sank dagegen der Absatz von SUV und Kombis. Gäbe es das Leasing-Geschäft nicht, hätten die Verkäufer von VW Golf & Co. oder von Mercedes der Klassen C und E richtig Grund zur Klage. Firmen orderten von den Klassik-PKW im vergangenen Jahr zwar zehn Prozent weniger als 2012, aber immerhin um vier Prozent häufiger, als Privatleute das taten.

„Die Luxemburger haben eine verhaltenere Einstellung gegenüber einer großen Investition, wie ein Autokauf ja eine ist“, sagt Thierry Limpach, Marketingverantwortlicher für VW und Škoda beim Importeur Autodistribution Losch. Miriam Eisenmenger, im selben Haus zuständig fürs Marketing von Audi, Seat und Porsche, ist „natürlich stolz“ darauf, dass Audi im vergangenen Jahr – anders als die Konkurrenz von BMW – mehr verkaufte als 2012, BMW damit als Marktführer im Premium-Bereich ablöste und hinter Volkswagen zur zweitbeliebtesten Marke insgesamt aufstieg. „Aber wollen wir diese Positionen halten, müssen wir uns anstrengen.“ Auch im Premium-Segment müsse man mit dem Kunden „mehr arbeiten“.

Ein Blick auf die im vergangnen Jahr meistverkauften Modelle zeigt: Am besten ließ sich absetzen, was neu aufgelegt worden war. Wie der VW Golf 7, der 3er BMW, Audis A3 und der Renault Clio, aber auch der neu lancierte A-Klasse-Mercedes. Auch den Renault Scénic, wenngleich seine Verkäufe um fast ein Viertel nachgaben, kann man in diese Kategorie einordnen: 2012 war der Kompakt-Van in einer neuen Version an den Start gegangen, und nur der VW Golf verkaufte sich noch besser. Es war vor allem dem Scénic zu verdanken, dass Renault 2012 in der Beliebtheits-Hitparade der Marken auf Platz zwei vorrückte.

Dass Neuheiten sich besonders gut verkaufen, ist einerseits verständlich wegen der Neugier der Kundschaft. Es kann aber auch bedeuten, dass sich einen Neuwagen nur zulegt, wer das unbedingt zu müssen meint und dann zum neuesten Modell in der bevorzugten Klasse greift. Dass dabei die so genannten „Brot-und-Butter-Fahrzeuge“ à la Golf, A3 oder 1er BMW besonders gut abschneiden, überrascht ebenfalls nicht, und genauso wenig, dass Renault Luxemburg hofft, der neue Brot-und-Butter-Mégane werde dieses Jahr die Verkaufsstatistik der Marke wieder verbessern helfen.

Aber vielleicht ist die Zurückhaltung beim Neuwagenkauf nicht nur eine zyklische Begleiterscheinung der seit 2009 eingebrochenen Konjunktur, sondern erweist sich am Ende als strukturell. Bei der Zulassungsbehörde SNCA wird schon seit zehn Jahren ein stetig steigendes „Lebensalter“ neu gekaufter Autos festgestellt. Wurde ein Neuwagen vor zehn Jahren noch im Schnitt 5,3 Jahre alt, ehe er zum ersten Mal weiterverkauft wurde, sind es jetzt 6,6 Jahre. So kommt es auch, dass trotz sinkender Neuzulassungszahlen der PKW-Bestand immer weiter wächst: Umfasste er Ende 2012 noch 355 844 Fahrzeuge, waren es Ende vergangenen Jahres 363 267. Da gleichzeitig der Gebrauchtwagenmarkt immer mehr anzieht und seit 2012 den Neuwagenmarkt an Volumen übertrifft, könnte es auch sein, dass einfach Schluss ist mit lustig und Luxemburg dabei ist, zu einem ganz normalen Autoland zu werden, in dem ein neues Auto zu kaufen weniger wichtig wird. Dann würden die Verkäufe noch weiter sinken und das 50. Autofestival womöglich kein gutes. Ein Verkaufs-argument aber dürften die Händler den Kunden ab morgen immer wieder vortragen: Weil vielleicht ja schon im Herbst der Mehrwertsteuersatz um zwei Porzentpunkte steigen soll, wäre doch jetzt der beste Moment, nochmal tief in die Tasche zu greifen.

Peter Feist
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