Spekulatius und Lebkuchenherzen liegen jetzt – Ende Oktober – im Supermarkt aus. Normal, dass man sich da, während man noch über den Laubmatsch auf dem Gehweg schlittert und über Kastanien stolpert, Gedanken über den Dezember macht und über die Frage, was man Kindern wie größeren Menschen schenken soll, die eigentlich alles haben. Eigentlich alles? Eigentlich doch nicht. Der kleine Verlag Kairos Edition lockt dieses Jahr die Harry Potter-Fans und die, die es noch werden wollen, mit dem ersten Band der Serie als Hörbuch (auf Luxemburgisch: „Lauschterstéck“). Gelesen wird Den Harry Potter an den Alchimistesteen von Steve Karier. 2009 unternahm der kleine Luxemburger Verlag die nicht zuletzt aufgrund komplizierter Vertragsverhandlungen anspruchsvolle Aufgabe, Harry Potter and the Sorcerer’s Stone in der luxemburgischen Übersetzung von Florence Berg zu verlegen. Dass die Übersetzung mittlerweile zehn Jahre alt ist, merkt man ihr nicht an. Die Sorgfalt, mit der sich Berg auf die Suche nach Entsprechungen zu den Neologismen Rowlings begeben hat (etwa „Gëllene Knécksert“ für den „Golden Snitch“, „Pénkert“ für eine Münze in der Zaubererwährung), ihre Vorsicht im Umgang mit modischen Ausdrücken verleihen ihrem Text etwas Zeitloses. Nicht zu vergessen: der Humor, mit dem die Übersetzerin die Welt des Originals in einen luxemburgisch eingefärbten Kontext zieht, in dem Vernon Dursley keine „Donuts“ isst, sondern „Fueskichelcher“. Bereits mit der Verpflanzung in die „Kellechholzstrooss Nummer véier“ von Rowlings satirischer Darstellung der britischen Suburbia in Gestalt der grässlich bornierten Familie Dursley sind die Lacher garantiert, zumal Karier es versteht, trotz einer allgemein zurückhaltenden Intonation die leise und unerbittliche Verachtung durchklingen zu lassen, wenn sich die Dursleys in ihrem Vorstadtmief über „dat iwwert Pottesch“ aufregen.
Pol Schock
Catégories: Luxemburgensia
Édition: 18.10.2019