Der Begriff des Weltverbesserers ist belastet. Jemanden, den man so nennt, kann man kaum ernst nehmen. Immer wieder ist der Weltverbesserer als Träumer angesehen worden, der mit seinen Gedanken und Taten die Welt bestenfalls verschlimmbessert. Heute erledigt man ihn sprachlich, indem man ihn als Gutmenschen bezeichnet.
Das Christentum ist eine Religion, von der man annimmt, dass sie Liebe, Vergebung und Sanftheit in die Welt bringt und sie so verwandelt. Allerdings geht es dem Christentum keineswegs darum, diese Welt zum Besseren zu führen, sondern allein, sie zu überwinden. Besser kann alles nur im Jenseits werden.
In meinem Beruf als Lehrer war das Verbessern eine meiner wichtigsten und unangenehmsten Tätigkeiten. Die Welt habe ich damit wohl nicht verbessert; ich habe nur versucht, meinen Schülern etwas beizubringen. Sie sollten lernen, sich in der deutschen Sprache und anhand der Daten der deutschen Literatur oder der Geschichte klar und präzise auszudrücken. Das habe ich dann 36 Jahre lang als meine Aufgabe angesehen.
Doch eines der schönsten Geschenke zu meinem Ruhestand erhielt ich von meinem Buchillustrator F. Didier in Form einer Zeichnung; sie stellte einen roten Bleistift dar, dessen zum Unter- und Anstreichen benutzte Mine gebrochen war. Hieraus las ich: Du musst endlich nicht mehr verbessern, vom Besserwissen bist du befreit. Verbessern ist nun mal stets auch ein Zurechtweisen durch jemanden, der es besser weiß oder quasi als Arzt des Korrekten dazu bestallt ist, es besser zu wissen.
Dass ich auf Leute, die nicht nur die Rechtschreibung, den Stil und bestimmte Daten, sondern gleich die ganze Welt verbessern wollen, nicht besonders gut zu sprechen bin, versteht sich. Gerade im riesigen Stoff meiner Fächer habe ich erkennen können, wohin die Lust, den anderen zu sagen, wie es ist und wo es lang geht, führen kann. Fast alle bekannten Feldherrn und Herrscher von Alexander zu Cäsar und Napoleon wurden getrieben von der Sehnsucht, die Welt zu verändern. Eigentlich aber ging es ihnen um die eigene Position und den eigenen Ruhm.
Dann gab es religiöse Propheten und ihre Nachfolger und Kirchengründer, die die Welt in ihrem Sinne verändern wollten, doch in erster Linie die Gläubigen zur Eroberung einer Welt anhielten, die sie damit keineswegs zum Positiven veränderten. Es waren die schlimmen Tatmenschen des 20. Jahrhunderts, Hitler, Stalin, Mao, Pol Pot und andere, die eine Weltverbesserung anstrebten, die in den Ohren ihrer Anhänger verlockend geklungen haben mag. Was sie wirklich bewirkten, war in dieser traurigen Welt eine weitere Verschlimmerung der Lage der Ärmsten. Die Veränderung erwies sich nicht als Verbesserung. Hegel, Marx und andere bis in unsere Zeit (Fukuyama) lasen partout eine fortschrittliche Entwicklung im Gang der geschichtlichen Dinge und nahmen nicht nur einen Fortschritt, sondern ein positives Ende der Geschichte vorweg. Angesichts des Elends unserer Welt kommen sie uns als rettungslose Träumer, aber nicht als Weltverbesserer vor.
Was und wer hat also wirklich diese Welt verändert? Es waren nie die Ideologen – ob religiös oder atheistisch –, die ja immer nur das Gegenteil erreichten. Die Lage der Menschen ist durch ihre Kriege de facto weiter verschlechtert worden. Die Veränderungen, die durch die Entdeckungen und Erfindungen der Wissenschaftler erreicht wurden, haben besonders in den reichen Ländern der Welt den Reichtum und das Wohlleben gefördert. Sie haben die Mühen und Plagen des Menschen zum Teil überwunden, und diese Errungenschaften sind nicht zu vernachlässigen, auch wenn sie zuweilen andere Belastungen (Lärm, Umweltbedrohung, Gesundheitsschäden, körperliche Bequemlichkeit ...) mit sich brachten. Ein großer Sieg auf dem Weg zur Verbesserung unserer Lage war die Bekämpfung des Schmerzes, wobei ich jedoch nicht sagen würde, dass damit die Welt insgesamt zum Besseren verändert worden ist.
Knapp ließe sich resümieren: Wir haben die Welt nicht verstanden und beginnen, sie zu verändern. Genau diese Haltung erklärt die Aussichtslosigkeit unserer Verbesserungsbemühungen, die ja immer die Totalität anstreben. Hinzu kommt die verständliche, aber bedauerliche Haltung des Menschen, der immer nur die Welt über die anderen, nicht aber über sich selbst verbessern will.
Weltverbesserer sind darauf aus, die Welt ihren Plänen zu unterwerfen, die dann aber immer wieder vom Zufall zunichte gemacht werden. Hier sind besonders zwei Gestalten Dürrenmatts zu nennen, die beide eigentlich an ihren Versuchen scheitern, der Welt Sinn einzuflößen: Der Kommissar Matthei im Kriminalroman Das Versprechen will den Kindermörder fangen, indem er ihn dank einem genialen Plan und mit einem unschuldigen Mädchen als Köder dingfest machen will. Doch der Zufall eines tödlichen Verkehrsunfalls bewirkt, dass der Täter nicht zu seiner Tat schreiten kann. Der geniale Schmied dieses Planes geht an diesem Fehlschlag zugrunde.
Moebius, der Entdecker der Weltformel, will diese, um die Menschheit vor sich selbst zu schützen, vernichten, indem er sich als geistig krank in einer psychiatrischen Klinik verkriecht. Er bewirkt aber gerade durch diesen Plan, dass eine verrückte Irrenärztin ihm auf die Spur kommt, seine Entdeckungen für sich kopiert und die Menschheit in deren „Genuss“ bringt. Es sieht so aus, als ob das Höchste, was Weltverbesserer heute erreichen können, gut buddhistisch darin bestünde, die Welt, in der sie leben, so weit wie möglich zu schonen.