Sie sind wahrscheinlich das Sommergemüse schlechthin: Tomaten. Saftig, fleischig, oval und rund werden sie gemocht; seit einigen Jahren vermehrt bunt. Mittlerweile sind neben roten Strauchtomaten auch grüne Limetto-Cherry-Tomaten und braun-grüne Black-Zebra-Tomaten im Handel. In Münsbach stehen 2 500 Tomatenpflanzen im Gemüsegarten Les paniers de Sandrine und nehmen damit etwa ein Viertel der Anbaufläche ein. „Wegen des kalten Frühlings sind wir jedoch mit unserer Tomatenproduktion fast drei Monate in Verzug“, erklärt Sandrine Pingeon. Inzwischen bietet sie 52 Sorten an. Besonders beliebt sind derzeit die gelben Ananas-Tomaten. Ähnliches berichtet die Supermarktkette Cactus: In den letzten Jahren sei der Verkauf herkömmlicher Tomaten zugunsten kleinerer Sorten wie Kirsch- und Cocktailtomaten sowie farbig-gefleckter Tomaten zurückgegangen. Im Sommer seien die Verkaufszahlen zudem dreimal höher als im Winter, und die Regale würden derzeit täglich, außer sonntags, aufgefüllt.
Im Gemeinschaftsgarten auf dem Kaltreis in Beonneweg stehen in fast allen Parzellen Tomatenpflanzen. „Sie sind wie Haustiere, man muss sich um sie kümmern: sie vor Wind schützen, sie der Sonne aussetzen und rechtzeitig die Seitentriebe abknipsen, sonst fehlt der Pflanze die Kraft, um Früchte zu bilden“, erklärt Marek Hummel, der eine Parzelle im Gemeinschaftsgarten bewirtschaftet. Und viel Wasser verschlingen die pomodori ebenfalls: Bis zu einem Liter benötigen Tomatenpflanzen, die Früchte tragen. Deshalb brauche man sozusagen einen Tomatensitter, wenn man verreise. Seine Black-Cherry-Tomaten isst er am liebsten roh.
Laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO wurden 2022 weltweit 186 Millionen Tonnen Tomaten geerntet. Die drei größten Produzenten sind China, Indien und die Türkei. Spitzenreiter in Europa sind Italien und Spanien. Erste Versuche, die Frucht zu kommerzialisieren, gehen auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück, als der Samenhändler Alexander Livingston Kreuzungsversuche mit verschiedenen Sorten durchführte. Heute verzeichnet das Sortenregister über 10 000 verschiedene Tomatensorten.
Bis die Tomaten ihren Weg nach Bonneweg fanden, verging etwas Zeit: Ursprünglich wurden sie von Inkas und Azteken gezüchtet, in dem Gebiet um die Anden, also dem heutigen Peru und Bolivien. Dabei waren sie von ihrer aktuellen Tennisballgröße noch weit entfernt; sie waren etwas kleiner als eine Mirabelle. Als die Spanier zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Südamerika Fuß fassten, brachten sie die Tomate von dort mit nach Europa. Bis ins 17. Jahrhundert ließen Europäer die Finger von der roten Frucht: Man befürchtete, sie könnte giftig sein. Deshalb hielt die Oberschicht den Kulturpflanzen-Neuling aus Südamerika lediglich als exotische Zierpflanze in ihren Gärten. Tatsächlich befinden sich in unreifen Früchten die Alkaloide Tomatidin und Solanin, die zu unangenehmen, aber unbedenklichen Verdauungsstörungen führen können. Zeitweilig galt die Frucht zudem als Aphrodisiakum, weshalb sie auch „Paradiesapfel“ und „pomme d’amour“ genannt wurde. Der älteste Nachweis einer Tomatenpflanze hierzulande geht auf 1883 zurück. Dokumentiert hat sie der Wilzer Botaniker und Zoologe Etienne Klein; sein Nachlass und die Blätter der Tomatenpflanze, die er damals trocknete, befinden sich im Naturkundemuseum aufbewahrt.
Imker schätzen die Blätter der Pflanze mittlerweile als Ameisenabwehrmittel: Sie reiben die Sockel ihrer Bienenstöcke mit Tomatenblättern ein, das vertreibe die Insekten. Insekten fürchten ihre Blätter, Kinder lieben Tomaten vor allem in Form von Ketchup. Es handelt sich um Tomatenmark, das mit Gewürzen, Zucker und Essig (sowie Verdickungs- und Konservierungsmitteln) vermischt und erhitzt wird. Die Herkunft dieses kuriosen Wortes ist nicht ganz klar. Möglicherweise geht es auf das indonesische Wort „Kecap“ zurück, das einfach nur „Soße“ bedeutet. Erstmals taucht das Wort „catchup“ im 17. Jahrhundert in einem englischen Wörterbuch auf, wo es als „East-India Sauce“ definiert wird. 2024 ist es im Lëtzebuerger Online Dictionnaire zwischen „Kësseschluecht“ und „Ketten“ als „Ketchup“ zu finden. Der dazugehörige Beispielsatz lautet: „Tomatepüree ass net dat selwecht ewéi Ketchup.“