Cargolux hat 2015 einen Gewinn von 49 Millionen Dollar gemacht. Grund zum Jubeln ist das nicht, denn eigentlich wäre fast doppelt so viel notwendig, um den Schuldendienst zu bewältigen

Die Feste feiern, wie sie fallen

d'Lëtzebuerger Land vom 25.03.2016

Ein Jahr und einen Monat nachdem Cargolux-Verwaltungsratspräsident Paul Helminger gewarnt hatte, die Cargolux werde aus- beziehungsweise verbluten, wenn die Mitarbeiter nicht zu großzügigen Zugeständnissen bei den Tarifvertragsverhandlungen bereit seien, freute er sich am Mittwoch besonders, für das abgelaufene Geschäftsjahr einen Gewinn von 49 Millionen Dollar bekannt zu geben. Im Vergleich zum Vorjahresgewinn von drei Millionen Dollar war das eine Steigerung um über 1 000 Prozent, scherzte Finanzchef Richard Forson. Seine Kollegen lachten beherzt.

Gemessen an den Frachttonnen pro Kilometer sei der Luftfrachtmarkt 2015 um 2,5 Prozent gewachsen, die Cargolux hingegen um 7,8 Prozent, berichtete CEO Dirk Reich stolz. Man habe sich „gegen den Trend gestemmt“ und eine „bessere Produktivität“ sowie „bessere Kosten“ als die Konkurrenz in Europa – und das obwohl der neue Tarifvertrag erst ab diesem Jahr greift. Ein Rekordvolumen an Fracht von 889 652 Tonnen wurde mit 26 Flugzeugen transportiert, die größte Cargolux-Flotte, die es je gab.

Dass die Luxemburger Luftfrachtgesellschaft ihren Marktanteil nur um 0,1 Prozentpunkte auf 3,8 Prozent ausbauen konnte, liegt daran, dass manche Wettbewerber noch deutlich schneller wuchsen. Emirates, die Nummer eins, legte beispielsweise um 8,2 Prozent zu, ihr Marktanteil beträgt nach Iata-Zahlen 6,8 Prozent. Der ehemalige Cargolux-Ak­tionär Qatar Airways, der den fünften Rang belegt, konnte 25,5 Prozent Wachstum verbuchen, beansprucht damit aber immer noch nur einen Marktanteil von 4,2 Prozent.

Berücksichtigt man, dass nur wenige Prozente die Wettbewerber voneinander trennen, klingt es vielleicht ein bisschen weniger absurd, wenn Dirk Reich sagt, Cargolux sei dabei, sich vom „national hero“, der „Nummer eins in Luxemburg“ zum „global carrier“, der „Nummer eins weltweit“ zu entwickeln. Cargolux vewandele sich in einen Konzern mit drei Standorten: Luxemburg, Mailand, wo Cargolux Italia vier Flugzeuge betreibt, und Zhengzhou in China, wo das Joint-Venture Cargolux China ab nächsten Jahr den Betreib aufnehmen und mittelfristig eine Flotte von fünf Flugzeugen füllen soll.

Ob damit alles wieder im Lot ist in Findel? Wohl nicht ganz, denn das Management war sichtlich bemüht, zu zeigen, dass Luxemburg nicht nur ein wichtiger Standort für Cargolux sei, sondern auch umgekehrt, wie wichtig die Cargolux für die nationale Wirtschaft ist. Dazu legte man zwei Zahlen vor: Cargolux habe direkt über die Zahlung von Löhnen, Gehältern, Steuern und der Inanspruchnahme von Dienstleistungen von Zulieferern 332 Millionen Euro in den Kreislauf in Luxemburg eingespeist. Der Cargolux-Anteil am Frachtaufkommen am Flughafen in Findel insgesamt ist innerhalb von zehn Jahren von 64 auf 88 Prozent angestiegen, nächstes Jahr soll er über 90 Prozent betragen.

Diese beiden Zahlen sollen die Gewerkschaften und die Luftfrachtexperten an den Stammtischen beruhigen, indem sie zeigen, wie wichtig die Heimatbasis ist, auch wenn man den Firmenausbau im fernen Osten vorantreibt. Gleichzeitig sollen sie die Regierung, den Flughafenbetreiber Luxairport und den Cargolux-Aktionär und Frachtabwickler Luxair beunruhigen, indem sie verdeutlichen, wie abhängig die gesamte Logistikkette von der Cargolux ist und die ganze Logistikstrategie mit ihr steht und fällt, wobei die Cargolux im Endeffekt ebenso dem Staat gehört wie die Luxair und der Flughafen.

Warum die Firmenleitung dermaßen mit den Flügeln schlug, wurde schnell klar. Wegen der Betriebsbehinderungen durch die Start- und Landebahnreparaturen, die in den kommenden Jahren in Findel durchgeführt werden müssen, rechnet Cargolux mit einem Schaden in „zweistelliger Millionenhöhe“, so Dirk Reich. „Unser Wunsch ist, dass die Zusatzkosten kompensiert werden“, fügte er hinzu. So keck hat wohl selten ein Firmenchef nach einer öffentlichen Beihilfe gefragt. Reich machte einen weiteren gewagten Vorstoß, denn er wünscht sich außerdem, dass die zuständigen Behörden den von Qatar Airways geplanten Ausbau der Aktivitäten in Luxemburg – neun Flüge ab Luxemburg in die USA und nach Mexiko – unterbinden, während der Runway instand gesetzt wird. „Luxemburg ist sehr liberal. Grundsätzlich sind wir auch sehr liberal. Aber in den Zeiten, da unsere Infrastruktur gerade überholt wird, ist es ein schlechter Zeitpunkt um gleichzeitig nicht nur selbst zu wachsen sondern gleichzeitig auch den Wettbewerber zwischen den USA und Luxemburg wachsen zu lassen. Es wird Tonnage verlagert, von diesem Hub nach Doha, so dass wir es begrüßen würden, wenn die Expansion von Qatar Airways erst nach der Runway-Sanierung passiert.“ Darüber hinaus will Cargolux mittelfristig mehr Nachtflüge mit den neuen leiseren 747-8 durchführen dürfen. „Sonst sind wir irgendwann nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Über letztere Forderung erklärte sich Infrastrukturminister Fraçois Bausch (déi Gréng) am Donnerstag auf Twitter angsichts der Regierungsposition „erstaunt“. Wahrscheinlich werden Reichs Wünsche nicht in Erfüllung gehen.

Ohnehin ist fraglich, wie wettbewerbsfähig Cargolux jetzt noch ist. Denn das Management ruderte ein wenig, die über 1 000-prozentige Gewinnsteigerung zu erklären. Man habe gut gearbeitet, erklärte Richard Forson. Man müsse die Feste feiern, wie sie fallen, fügte Reich hinzu. Wie genau der drastische Verfall der Treibstoffpreise vergangenes Jahr zum guten Ergebnis beitrug, konnte das Management nicht erklären. Die Wirkung sei begrenzt, so Richard Forson, da man die Preisrückgänge über die Senkung des Sonderaufschlags für Sprit an die Kunden weiterreiche. Der Streik der Hafenarbeiter an der amerikanischen Westküste Anfang 2015 habe der Cargolux aber ein außergewöhnlich gutes erstes Quartal beschert, räumte Reich ein. Ein solches Sonderereignis zeichne sich 2016 noch nicht ab, so der CEO. Darüber hinaus ist im Ergebnis laut Land-Informationen ein Steuerkredit von über 20 Millionen Dollar enthalten, was die Freude, über den Gewinn ein wenig relativiert. Ob Cargolux den Aktionären eine Dividende auszahlen wird, ist noch nicht beschlossen.

Deshalb riskiert die Feierlaune den Cargolux-Mitarbeitern relativ schnell zu vergehen. Denn vergangenes Jahr hatte Präsident Paul Helminger gewarnt, Jahresgewinne von 80 Millionen Dollar in den kommenden Jahren seien „nicht einmal die Hälfte dessen, was gebraucht würde, um die Ausgaben zu decken“. Denn auch 2015 hatte die Firma zwei Mil­liarden Dollar Schulden, 90 Prozent davon, so Richard Forson, sind auf den vor zehn Jahren beschlossenen Erwerb der neuen 747-8 zurückzuführen, von denen Cargolux im laufenden Jahr die letzte von 14 bestellten Maschinen entgegen nehmen wird. „Kaufen ist einfach, zurückzahlen ist schwer“, meinte Reich trocken. Den zwei Milliarden Dollar Schulden, die innerhalb von zwölf Jahren zurückgezahlt werden müssen, hat Cargolux derzeit rund 500 Millionen Kapital und Bargeld entgegenzusetzten. Aber in der Vorhersage werde sich die Bargeldsituation verschärfen, so der CEO, denn die Cash-flow-Generierung hinke dem Schuldendienst hinterher.

„Niemand sonst benutzt dieses Flugzeug in Europa“, stellte Dirk Reich am Mittwoch fest, und obwohl es „das richtige Flugzeug für Cargolux“ sei, deutete er als erster in der Firmengeschichte an, die Firma sei auf die Jumbos nur bedingt angewiesen. Denn nur zehn Prozent der transportierten Fracht sei so groß, dass sie über die 747-spezifische Nasenklappe geladen werden müsse. Dabei war die Nasenklappe in der Vergangenheit immer das Totschlag-Argument gewesen, mit dem der Erwerb eines anderen Flugzeugtyps von der Cargolux ausgeschlossen wurde. Weil niemand die 747 haben will, liegt ihr Marktpreis unter dem Wert, den Cargolux in den Büchern eingetragen hat, so dass die Firma auch 2015 wieder Abschreibungen in Millionenhöhe vornehmen musste. Dass es so kommen würde, so Reich am Mittwoch, habe man damals nicht wissen können; die Entscheidung des früheren Managements zur Flottenerneuerung will er nicht in Frage stellen. Doch seine Vorgänger hatten eigentlich geplant, das Vorgängermodell, die 747-400, zu verkaufen, auf denen Cargolux nun sitzen bleibt, weil es keine Nachfrage dafür gibt. Deshalb bleibt der Cargolux nichts weiter übrig, als weiter zu wachsen. „Zurückrudern geht nicht“, gestand Reich. „Wir haben kein Szenario gefunden, indem wir die Flotte um zehn Einheiten reduzieren und immer noch Geld verdienen könnten.“ Der Global Player Cargolux mit seinen drei Standorten in Luxemburg, Mailand und China soll deshalb 2020 eine Flotte von insgesamt 35 Flugzeugen betreiben.

Michèle Sinner
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