Europawahlkampagne der ADR

Grüße von den Postfaschisten

d'Lëtzebuerger Land vom 19.03.2009

Der muntere Mann mit langen grauen Locken und modischer Brille konnte am Samstag seine italienische Herkunft nicht verbergen, als er im Junglinster Kulturzen­trum das Wort ergriff. Trotzdem radebrechte er: „Sesumme wette mir den Tschuni gewanen. Mir waten op den ADR-Deputee­herten am Europaparlament.“ Und schon hatte der Postfaschist die Herzen der ADR-Delegierten erobert.

Eugenio Preta ist Mitglied der Alleanza nazionale. Alleanza nazionale ist seit 1995 der Name der faschistischen Partei Italiens, des Movimento sociale italiano (MSI). Das Parteilogo der Alleanza nazionale trägt noch immer die Abkürzung „M.S.I.“ und dessen Symbol, eine in den italienischen Nationalfarben lodernde Flamme. 

Die MSI war nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg 1946 als Nachfolgeorganisation von Benito Mussolinis Partito Fascista Repubblicano und dessen Repubblica Sociale Italiana, der Republik von Salò, gegründet worden. Die Enkelin des faschistischen Diktators, Allessandra Mussolini, gehörte der Partei bis 2003 an.Heute nennen sich Eugenio Preta und seine Parteigenossen zweideutig „Postfaschisten“ und lehnen nach eigenen Aussagen den Faschismus ab. Doch das Stephen-Roth-Institut zum Studium des zeitgenössischen Antisemitismus und Rassismus an der Universität von Tel Aviv kommt in seiner Studie über Kontinuität und Wechsel in der Ideologie der Alleanza nazionale zur Schlussfolgerung, dass die Partei ein revisionistisches Bild des Faschismus verbreitet und ihre ideologische Herkunft nicht geeignet sei, die demokratischen und liberalen Werte glaubhaft zu vertreten, auf die sie sich beruft.

Die von ihr vertretene Gewichtung „von Freiheit und Autorität“ führe zu einer „beschränkten Form von Demokratie“ und die Abkehr vom Mehrheitsprinzip zugunsten einer Form von direkter Demokratie berge die Gefahr in sich, „leicht zum Populismus zu entarten“. So dass das Gesellschaftsmodell der Alleanza nazionale eher „der beschränkten Demokratie ähnelt, die Pinochets Anhänger Chile mit der Verfassung von 1980 aufzuzwingen versuchten“.Der Vertreter der Alleanza nazionale auf dem ADR-Kongress am Samstag, Eugenio Preta, war in seiner Eigenschaft als Vizegeneralsekretär der ­Union für das Europa der Nationen zum Europakongress der ADR eingeladen worden. Die ADR beschloss im November 2001, dieser Fraktion im Europaparlament beizutreten. Einstweilen ist sie lediglich „as­soziiert“, weil sie über keinen Europaparlamentarier verfügt. Mit 13 Euro­pa­par­lamen­tari­ern sind die Alleanza nazionale und die verbündete Lega Nord die zweitstärkste nationale Grup­pe der UEN.

Die meisten UEN-Mitglieder zählt Polen mit den 20 Abgeordneten der Prawo i Sprawiedliwosc und Polskie stronnictwo ludowe „piast“. Die von den berüchtigten Kaczynski-Zwillin­gen gegründete Prawo i Sprawied­liwosc (Recht und Gerechtigkeit) lehnt den Vertrag von Lissabon ab, weil dadurch Polen anscheinend gezwungen würde, die Ehe zwischen Homosexuellen zuzulassen. Die antisemitische Partei steht sehr rechten Kirchenkreisen nahe.Der UEN-Fraktion gehören auch zwei lettische Parteien an, die nationalistische Tevzemei un Brivibai/LNNK (Für Vaterland und Freiheit/LNNK), die sich vor allem um die Organisation ausländerfeindlicher Referen­den bemühte, und die rechte Splitterpartei Pilsoniska savieniba (Bürgerliche Vereinigung). Aus Litauen kommen die UEN-Europaparlamentarier der rechtsextremen, von politischen Ge­gnern sogar als neonazistisch beschimpften Liberalu Demokratu Partija (Liberaldemokratischen Partei) und der Valstieciu Liaudininku sajunga, der nationalkonservativen Bauern- und Bürgerunion.

Zur UEN-Fraktion zählen auch die irischen Nationalisten der Fianna fail (Soldaten des Schicksals), die aber dabei sind, sich zur Liberalen Fraktion im Europaparlament zu gesellen, und die ausländerfeindliche Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei). Der dänische Oberste Gerichtshof hält es für legitim, die fanatisch antiislamische Danks Folkepartei, die den Namen einer Nazipartei aus dem Zweiten Weltkrieg trägt, „rassistisch“ zu nennen.

Da die ADR über keinen Vertreter im Europaparlament verfügt, besteht keine Notwendigkeit für sie, sich eine Fraktion in Straßburg anzuschließen. Für die Assoziation mit den Parteien der UEN-Fraktion und deren europäischer Partei, der Al­lianz für ein Europa der Nationen (AEN), kann sie sich also nur entschieden haben, weil sie sich deren Geisteshaltung näher fühlt als derjenigen der anderen Fraktionen.

Tatsächlich heißt es im am Samstag von der ADR verabschiedeten Wahlprogramm Fir e staarkt Lëtzebuerg an Europa!: „Die Europäische Union ist kein Vaterland“. Deshalb verlangt die ADR „ein Europa der Vaterländer“. Die Muttersprache, das Luxem­bur­gische, müsse längerfristig „den Status ‚einer offiziellen europäi­schen Sprache’“ erhalten. Die ADR ist „vorbehaltlos mit einem Beitritt weiterer west- oder nordeuropäi­scher Staaten“ einverstanden, verlangt aber die sofortige Beendigung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die „das politische, institutio­nelle und kulturelle Gefüge der ­Europäischen ­Union nachhaltig stören würde“.

Das Wahlprogramm spiegelt die widersprüchliche Taktik wider, welche die ADR während der Referendumskampagne im Jahr 2005 verfolgte. Damals wollte sie für und gegen den Europäi­schen Verfassungsvertrag sein, Proteststimmen sammeln und salonfähig  zugleich sein. Vier Jahre später bekennt sich die ADR zwar in ihrem Europawahlprogramm wiederholt zur Europäi­schen ­Union. Doch die Wörter „Nation“, „national“ und „Vaterland“ kommen auf 24 Seiten gleich 87 Mal vor.

Romain Hilgert
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