ZUFALLSGESPRÄCH MIT DEM MANN IN DER EISENBAHN

Net alles richteg gemaach

d'Lëtzebuerger Land vom 04.03.2022

Einen Tag nach dem russischen Überfall auf die Ukraine reute es den grünen Verteidigungsminister François Bausch: „D’Diskussiounen, déi gefouert gi sinn iwwer d’Erweiderung vun der Nato, do ass bestëmmt net alles richteg gemaach ginn. Dat muss een einfach soen“ (RTL, 25.2.2022).

Am 9. Februar 1990 versprach US-Außenminister James Baker dem sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow: Die Nato werde „not an inch eastward“ erweitert. Das war Bluff. 1999 wurde sie 500 Kilometer ostwärts auf Ungarn, Tschechien und Polen erweitert.

Am 27. Mai 1998 ratifizierte das Luxemburger Parlament die Erweiterung. Der grüne Abgeordnete François Bausch enthielt sich. Sein Parteikollege Jean Huss warnte: „[W]ann dofir d’Nato nach méi no un d’Grenze kënnt, virun allem a Richtung Ukrain, da wäerd der gesinn, […] dass den Nationalismus an den Nationalchauvinismus a Russland wäerd vill méi staark ginn.“ Die anderen Parteien sahen nur den besiegten Ennemi. Der den Anspruch auf eigene Sicherheitsinteressen verwirkt hatte.

Fünf Jahre später rückte die Nato nach Litauen, Estland, Lettland, Bulgarien, Rumänien, Slowenien und die Slowakei vor. Alle Parteien, die einmal in die Regierung wollten, stimmten am 9. Juli 2003 für die zweite Osterweiterung. Nun auch der Abgeordnete François Bausch.

Im Namen der CSV freute sich der Abgeordnete Jean-Marie Halsdorf: Dass sich „d’Nato elo wierklech bis op den Territoire vum fréieren Haaptgéigner, an zwar der Sowjetunioun, praktesch ausdeent, bis dee beréiert. [...] Mat hirem Bäitrëtt geet d’Allianz praktesch erop bis op Sankt Petersburg.“ 2009 wurde Halsdorf Verteidigungsminister.

Die besitzenden Klassen möchten ungestört mit den Kollegen Oligarchen Handel treiben. Ohne den Nutzen eines robusten Ennemi zu verschmähen. Sie lernten im Kalten Krieg: Mit den Grenzen werden auch die politischen Verhältnisse innerhalb der Grenzen gesichert.

Die dritte Osterweiterung, um Albanien und Kroatien, ratifizierte das Parlament am
11. Februar 2009 wiederum einstimmig. LSAP-Außenminister Jean Asselborn berichtete, dass „vun eisen amerikanesche Frënn“ Druck ausgeübt werde, die Ukraine und Georgien in die Nato aufzunehmen. Aber die Europäische Union wolle „do näischt iwwerstierzen“. Sie sitzt näher am Feuer als die USA. Diese hatten gerade angekündigt, ohne Absprache mit ihren europäischen Freunden Raketenabwehrsysteme in Osteuropa aufzubauen. „Den Toun vu Moskau vis-à-vis vun der Europäescher Unioun“ sei deshalb „méi haart ginn“, fiel dem DP-Abgeordneten Charles Goerens auf.

2017 trat Montenegro der Nato bei. ADR und déi Lénk stimmten am 14. Dezember 2016 gegen die Ratifizierung. Das war die vierte Osterweiterung. David Wagner von déi Lénk mutmaßte: „Déi ëmmer méi aggressiv Haltung vu Russland, déi sech besonnesch staark an der Ukrain gewisen huet, ass sécherlech och als eng direkt Konsequenz vun der Nato-Expansioun no Osten ze gesinn.“

Am 2. Juli 2019 stimmten 58 von 60 Abgeordneten für die fünfte Osterweiterung der Nato: um Nordmazedonien.

Für die sechste Osterweiterung der Nato steht die Ukraine oben auf der Wunschliste der US-Regierung. Die Ukraine teilt 2 295 Kilometer Grenze mit Russland. US-Raketen an dieser Grenze hält Russland für eine unzumutbare Bedrohung.

Die Ukraine war bis 2019 neutral. Am Donnerstag voriger Woche belehrte Außenminister Jean Asselborn die Abgeordneten: „An der Demokratie huet keen d’Recht, engem Land ze soen, dass et neutral soll sinn. [...] Stelle mer eis eng Sekund vir, hei als Lëtzebuerger, dat wär vun eis verlaangt ginn!“ Am 11. Mai 1867 hatten die Großmächte von Luxemburg verlangt, neutral zu werden. Um einen Krieg zwischen den Nachbarn zu verhindern. Nun überfiel die russische Armee die Ukraine. In Erinnerung an das Zarenreich. François Bausch versprach der Ukraine
100 Panzerfäuste.

Romain Hilgert
© 2024 d’Lëtzebuerger Land