Heute loben wir die Unterrichtsministerin. Sie hat einen heißen Draht zu Allah. Wahrscheinlich telefoniert ihr Allah direkt ins Ministerium. Er hat ihr von einem Schüler erzählt, der in irgendeinem Schulgebäude mit einem Gebetsteppich herumläuft und partout kein geeignetes Plätzchen für seine Frömmigkeitsunterlage findet. Die Unterrichtsministerin leidet unter einer derart ausgeprägten Religionsaffinität, dass sie bei religiösen Themen sofort in eine schockähnliche Hyperaktivität verfällt. Um Allah zu gefallen, verfasste sie auf der Stelle einen neuen Regelentwurf, den sie unter anderen der nationalen Menschenrechtskommission unterbreitete. Denn die innerschulische Verbreitung religiösen Wahns ist ein Menschenrecht. Glaubt die Unterrichtsministerin.
In dieser gottesfürchtigen Direktive, die irgendwie aus einem geheimen Lehrplan zu stammen scheint, geht es auch um den Schwimmunterricht. Allah ist sehr böse über die Geschlechtermischung im Schwimmbad. Er hat überhaupt eine gestörte Beziehung zu Frauen und will verhindern, dass sich beim fröhlichen Planschen religionsfeindliche Berührungspunkte zwischen männlichen und weiblichen Schwimmern ergeben. Und damit wären wir bei der Frage der Kopfbedeckung. Sollen Schüler, schwimmend oder auf dem Trockenen, eine bestimmte Kopfbedeckung tragen? Allah ist sehr dafür. Die Unterrichtsministerin wäre nicht dagegen, falls Allah demnächst etwas forscher auftreten sollte. Die individualitätsspezifische Kopfbedeckungskompetenz würde sehr gut in ihr Reformwerk passen. Das klingt zwar auf Anhieb ein bisschen hölzern, aber wir können es gern auch blumiger ausdrücken:
Die Schule soll ja laut Ministerin nicht länger aufs Leben vorbereiten, sondern auf die unbarmherzigen Zustände in der Wirtschaft. Und genau dort hagelt es Schläge, das ist ja bekannt. Es wäre also sinvoll, wenn die Schüler ihre Köpfe frühzeitig mit einer angemessenen Schutzvorrichtung ausstatten könnten. Von wegen protection de la matière grise. Schutzhelme, wie sie etwa Eishockeyspieler oder Motorradfahrer tragen, wären ein modisches Attribut. Die klassische Mütze mam Stuerz no hannen ist in der reformierten Schule mega-out. Und es spricht ja nichts da[-]gegen, den kollektiv verordneten Schutzhelm ganz subjektiv ein wenig aufzumotzen. Schöne Graffiti sind immer ein Ausdruck intellektueller Feinfühligkeit. Die Schüler könnten sich auch knallige Freiheitsbekenntnisse auf den Helm sprayen, kernige [-]Indignados-Sprüche, zum Beispiel nach der hübschen Vorlage: Mäi Prof ass e Kallef.
Diese neue schülerzentrierte und fächerübergreifende Kopfbedeckungsstrategie hätte einen entscheidenden Vorteil. Auch religiös überkandidelte Schüler könnten sich den Schädel so drapieren, wie es ihnen vorschwebt. Und zwar unter dem Helm. Pfaffenhütchen, Kleesercherskap (für künftige Bischofskandidaten), Mini-Turban, Barrette aller Art, Nonnenhäubchen, alles wäre erlaubt, weil es ja im neutralen Dunkel unter dem Helm verschwindet. Der Helm wäre also das Sinnbild der laizistischen Staatsschule, der finstere Helmunterbau eine wunderbare Metapher für das religiös verfilzte Unterrichtsministerium. Allah würde bestimmt telefonieren. Glückwunsch, Schwester im Glauben!
Müssen wir hier noch eigens betonen, dass Schülerinnen und Schüler selbstverständlich auch im Schwimmbad ihren Helm aufbehalten dürfen? Das Schwimmbad ist ja neuerdings ein Hort der Anarchie, wo die gesellschaftlichen Gegensätze auf engstem Raum kollidieren. Viele Schüler bestehen darauf, in alle Himmelsrichtungen zu schwimmen, statt brav die vorgeschriebenen Bahnen zu benutzen. Da kann es schon mal gewaltig scheppern. Ein Helm ist dann einfach Gold wert. Gebetsteppiche hingegen sollte man nicht unbedingt in die Schwimmhalle schleppen. Wir möchten ja nicht, dass Allah plötzlich absäuft. Das wäre zutiefst menschenrechtswidrig.
Zwar dürfen die Lehrer weiterhin keine Kopfbedeckung im Unterricht tragen, wie die Ministerin verfügt, doch darüber sollten sie sich lieber nicht beschweren. Sonst kommt es unter Umständen zu einer weiteren Richtlinie: gut sichtbare Schlafmützen für alle Lehrer! Weil sie in den Augen der Ministerin ohnehin nur Faulpelze und Penner sind, die man von oben herab mit Zwangsarbeit eindecken muss. Bestimmt wird einem kreativen Bürokraten im Ministerium auch eine reformorientierte Alternative einfallen: Narrenkappen für die gesamte Lehrerschaft, mit vielen Schellen, wie bei der Mainzer Fasenacht. Dieses kopfgestützte Statussymbol würde die Ministerin sicher beglücken.
Jedenfalls sollten die Lehrer aufhören, ständig über die mangelnde Dialogbereitschaft der Unterrichtsministerin zu meckern. Es gibt einen sehr einfachen Weg, die volle ministerielle Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Lehrer müssen nur ein bisschen religiöser auftreten. Es ist doch wohl nicht zuviel verlangt, sich beim Schulgang einen Teppich unter den Arm zu klemmen. Und es muss ja nicht gleich ein kompletter, hoch moderner Gebetsteppich sein. Ein alter Flokati neben dem Pult tut es auch.