Asset Manager plädieren für standardisierte EU-Pensionspläne

Vitamin F

d'Lëtzebuerger Land vom 18.11.2010

„Fonds sind gut für Sie“, sagt Claude Kremer, Präsident des Luxemburger Investmentfondsbranchenverbandes Alfi. So, als ob Investmentfonds jede Menge Vitamine enthalten würden, die die kränkelnden europäischen Rentensysteme wieder auf die Beine stellen könnten. Wie das gehen soll? „Es muss langfristig gespart werden“, sagt Kremer. Der europäische Fondsverband Efama hat deswegen bereits im März ein Positionspapier veröffentlicht und schlägt darin vor, Europas Bürger künftig dazu zu zwingen, individuelle Sparpläne anzulegen, um ihre Abhängigkeit von den legalen Umlaufsystemen zu verringern.

Efama fordert die Einführung amtlich zertifizierter Pensionsprogramme für Europa. Diese Ocerps, Officially Certified European Retirement Plans, sollen nach Vorstellung der Efama die legale Hülse für die individuellen Sparanstrengungen der Europäer werden – sowohl für Produkte der zweiten, wie auch der dritten Rentensäule. Die Ocerps sollen EU-weit den gleichen Regeln unterliegen, die angesparten Pensionsansprüche von einem Land zum anderen sowie zwischen der zweiten und der dritten Säule übertragbar sein. Damit die Konsumenten wieder Vertrauen zur Finanzbranche fassen und um Transparenz zu gewährleisten, soll ihnen einmal jährlich ein detaillierter Auszug der innerhalb des Ocerp gehaltenen Anlagen zugestellt werden. Darin sollen auch die Verwaltungskosten nach einer standardisierten Methode vollständig offengelegt werden. Die Bandbreite der Produkte, in die im Rahmen des Ocerp investiert werden darf, soll eingeschränkt werden, zum Beispiel im Hinblick auf den Anteil risikobehafteter Anlagen. Damit die europäischen Verbraucher entscheiden können, wie sie ihr Erspartes am besten anle-gen, um fürs Alter vorzusorgen, fordert Efama größere Anstrengungen in Sachen financial literacy, also der finanziellen Alphabetisierung besagter Verbraucher.

„Als Alfi unterstützen wir diesen Vorschlag von Efama“, sagt Claude Kremer. Er räumt ein, das Vorhaben, solche Ocerps auf EU-Ebene als Standard für die privaten Altersvorsorgeanstrengungen einzuführen, sei ambitiös. Doch deswegen dürfe man nicht davor zurückschrecken. Der Ucits-Standard, der in der EU die Publikumsfonds reguliert, sei der Beweis, dass auch ambitiöse Vorhaben umgesetzt werden könnten, so Kremer. Eben in diese Ucits-Fonds sollen die europäischen Verbraucher investieren, um „langfristig“ zu sparen.

„Wir glauben, dass Ucits-Investmentfonds die richtigen Produkte sind, in die innerhalb der Ocerps investiert werden sollte“, sagt Kremer. Die europäischen genormten Publikumsfonds, auf denen der Erfolg der Luxemburger Fondsbranche basiert, eignen sich seiner Ansicht nach besonders gut, weil sie festen Regeln für eine hochgradige Diversifizierung und Risikostreuung unterliegen. Und die Einlagen der Kunden streng von denen der Bank getrennt werden müssen, also bereits hohe Sicherheitsstandards gelten. Ucits-Fonds, betont Claude Kremer, dienten bereits jetzt als untergeordnete Anlage bei Vorsorge-Produkten wie Fonds-gebundenen Lebensversicherungen. Zwar sei der Inventarwert der Fonds während der Krise gesunken, doch die Fonds erholten sich, unterstreicht der Vorsitzende des Fondsverbandes.

Ihren Vorstoß sehen Efama und Alfi dadurch bestätigt, dass die Kommis-sion im Juli via Grünbuch (siehe Seite 4-5) die Diskussion um die europäi-schen Rentensysteme gezündet hat – im nächsten Jahr will sie Richtlinienvorschläge zum Thema Europäische Altervorsorge machen. Dass die heimische Fondsbranche, deren Erfolg auf der europaweiten Zulassung – und dadurch dem europaweiten Vertrieb – ihrer Produkte beruht, sich für einen EU-standardisierten-Pensionsplan einsetzt, überrascht nicht. Vor allem wenn der Vorschlag an die Empfehlung gekoppelt ist, die eigenen Produkte als dafür geeignete Investi-tionskategorie zuzulassen. Und die Forderung, für alle im Ocerp-Rahmen abgeschlossenen Verträge, egal ob sie von Versicherungsgesellschaften, Banken oder Asset Managern angeboten werden, die gleichen steuerlichen Anreize gelten zu lassen. Da haben die von Efama vertretenen Asset-Manager mit ihren Fonds derzeit gegenüber Versicherern und Banken mit ihren speziell ausgewiesenen Altersvorsorgeprodukten das Nachsehen – wer eine assurance prévoyance vieillesse kauft, kann diese von der Steuer absetzen, wer sein Geld in Fonds anlegt, um fürs Alter vorzusorgen, nicht. Eine Ungerechtigkeit, zumal ja auch viele dieser Altersvorsorgeprodukte und Lebensversicherungsverträge an Fonds und damit die Rendite an deren Leistung gebunden sind?

Dabei ist fraglich, ob die Branche das Vertrauen der Anleger – in diesem Fall der europäischen Verbraucher – wieder herstellen kann, indem sie dafür plädiert, dass die Konsumenten die Verantwortung für ihre Altersvorsorge in zunehmendem Maße selbst übernehmen. Das heißt es schließlich, wenn die Efama „eine geringere Abhängigkeit von den legalen Rentensystem“ befürwortet. Das wird sicherlich auch davon abhängen, inwieweit die Versicherten darauf vertrauen, dass die legalen Rentensysteme ihre Ansprüche auszahlen können.

Sind bei der finanziellen Alphabetisierung der europäsichen Verbraucher sicher noch Fortschritte zu machen, so scheinen sie die Lehren aus der Krise schon gezogen zu haben, was ihre Geldanlagen betrifft.

Den Statistiken der Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen zufolge, des Commissariat aux Assurances, hat es in den vergangenen zwei Jahren eine Trendwende gegeben. Anders als in den Jahren 2006 und 2007 haben die Versicherungskäufer 2008 und 2009 sich eher für klassische Versicherungsverträge entschieden. Also solche, wo die Versicherung das Risiko trägt, das eingezahlte Kapital plus die gesetzlich vorgeschriebenen Höchstrendite garantiert. Die Fondsgebundenen Produkte, bei denen der Vertragsnehmer das Risiko trägt, es keine garantierte Rendite gibt, diese vielmehr von der, der untergeordneten Fonds abhängt, verloren an Zuspruch.

Es kommt also nicht von ungefähr, wenn Efama vorschlägt: „explore opportunities for innovation in personal retirement plans, e.g., creating marketable defined contribution schemes that contain some form of capital protection and risk coverage, and thus respond to the dilemma of costly guarantees and investors’ demand for predictable but attractive investment returns.“ Da ist also von definierten Beiträgsmodellen die Rede, und einer wie auch immer gearteten Kapitalgarantie. Von garantierter Rendite keineswegs. Ob das die europäischen Verbraucher überzeugt?

Michèle Sinner
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