Im Interview* erzählt Staatsminister Xavier Bettel, wieso die Regierung nichts von Impffetischismus hält, mit welchen Mitteln sie die Wohnungsnot lösen wird, was Großherzog Henri eigentlich in Peking wollte und wie die DP sich für die Wahlen aufstellt

„Ich bin, wie ich bin (und keiner kann mich verändern)“

d'Lëtzebuerger Land vom 11.02.2022

d᾽Land: Herr Staatsminister, nächstes Jahr sind Sie zehn Jahre im Amt. Die letzten Wochen waren besonders anstrengend, ihr Haus wurde mit Eiern beworfen, Leute wollen Sie auf der Rouder Bréck erhängen. Wie lange wollen Sie sich das noch antun?

Xavier Bettel: Wir haben diese Vorfälle an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die nun darüber entscheiden muss, ob sie ermittelt. Deshalb ist es nicht an mir, das zu kommentieren.

Eigentlich wollte ich wissen, wie lange Sie noch Premierminister bleiben wollen.

Ah (lacht). Das entscheidet 2023 der Wähler.

Sie werden wieder antreten?

Das entscheidet meine Partei. Ich bin auf jeden Fall noch voll motiviert, ich habe Lust und Energie, weiterzumachen. Ich stehe zur Verfügung.

Ihr Freund und früherer Vize-Premier Etienne Schneider hat sich schon vor zwei Jahren aus der Politik verabschiedet. 2015 haben auch Sie beim Referendum die Begrenzung der Mandatszeit auf zehn Jahre unterstützt. Das hindert Sie aber nicht daran, weiterzumachen?

Wenn 80 Prozent der Luxemburger sagen, sie wollen die Mandatsbegrenzung nicht, dann unterstütze ich als Demokrat diese Entscheidung. Wäre das Resultat des Referendums weniger eindeutig gewesen, hätte ich vielleicht gezögert.

In Umfragen hat Ihre Partei seit 2020 viel an Zustimmung verloren, auch ihre persönlichen Werte waren schon besser. Was tun Sie, wenn 2023 eine Regierung ohne die DP zustande kommen sollte?

Ich habe in den vergangenen acht Jahren nie eine Umfrage gewonnen (lacht). In der Politik geht es um das Engagement und nicht vorrangig um Posten. Dort, wo ich gebraucht werde, werde ich gebraucht. Die politische Leidenschaft, die ich seit meiner Kindheit habe, brennt noch immer in mir.

Etienne Schneider sagte stets, er sei nicht auf die Politik angewiesen, denn er könne noch andere Sachen im Leben tun. Auch sie haben 2007 dem Wort gesagt, sie wollten sich die Freiheit gönnen, zu jedem Zeitpunkt aufhören zu können. Gilt das auch heute noch?

Das Gesetz sieht vor, dass ich nichts anderes tun darf, als Politik. Es gibt aber selbstverständlich auch ein Leben ohne Politik. Ich habe nur befristete Verträge und mein Arbeitgeber ist der Wähler. Wenn er meinen Vertrag verlängert, mache ich weiter; wenn er mir eine andere Aufgabe anvertraut, erfülle ich die.

Hat die Plagiatsaffäre Ihnen politisch geschadet?

Ich bin nicht froh darüber, das habe ich nie versteckt. Mir würde es vor allem Leid tun, wenn die Affäre der Politik insgesamt und dem akademischen Betrieb schaden würde. Das DEA bestand zwar nicht nur aus der schriftlichen Abschlussarbeit, die ja auch mit Ungenügend bewertet wurde. Trotzdem habe ich meine Konsequenzen gezogen und auf das Diplom verzichtet. Es hat mich todsicher nicht politisch gestärkt, doch was geschehen ist, kann ich nicht mehr rückgängig machen.

Haben Sie sich mit dem Plagiat die Aussicht auf eine internationale politische Karriere verbaut?

Ich finde es ganz nett, dass Journalisten mir eine europäische oder internationale Karriere voraussagen, doch ich bin Premierminister von Luxemburg. Diese Frage stellt sich heute gar nicht.

Wenn Sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht wiedergewählt werden sollten, kann man sich nur schwer vorstellen, dass Sie wieder als Rechtsanwalt arbeiten werden.

Ich habe 2013 gelernt, dass man niemals nie sagen sollte.

Waren Sie überrascht, dass die Opposition die Plagiatsaffäre nicht politisch ausgeschlachtet hat?

Es ist nicht an mir, das zu kommentieren. Das war ihre Entscheidung. Ich habe die Konsequenzen gezogen, die meiner Ansicht nach zu ziehen waren.

Zwei sozialistische Vizepremierminister haben in dieser Legislaturperiode schon das Handtuch geworfen. Was haben Sie mit denen gemacht?

Ich hoffe nichts. Es waren persönliche Entscheidungen von Etienne Schneider und Dan Kersch, die ich zu respektieren habe. Niemand hat sie dazu gezwungen. Man sollte auch Romain Schneider nicht vergessen. Ich habe sehr gerne mit ihnen zusammengearbeitet, genau wie mit ihren Nachfolgern.

Auch Finanzminister Pierre Gramegna aus ihrer Partei ist gegangen. Dem Vernehmen nach war er Ihnen und Corinne Cahen in Steuerfragen manchmal zu sozial.

Ich habe mit Pierre Gramegna mindestens ein bis zwei Mal die Woche telefoniert. Wir haben uns sehr oft ausgetauscht. Ich weiß, dass viel behauptet wird, aber ich weiß auch, wie es wirklich ist. Zwischen
Pierre Gramegna und mir gab es keine Dissonanzen. In einer Koalition muss man natürlich darauf achten, dass alle Befindlichkeiten respektiert werden, aber es war nicht so, dass Pierre Gramegna das soziale Gewissen der DP gewesen wäre. Der DP braucht man in sozialen Fragen keine Lektionen zu erteilen, und Pierre Gramegna hat das auch nicht getan.

Trotzdem ist die große Steuerreform gescheitert. Lag das nicht auch daran, dass die drei Parteien sich nicht auf ein gemeinsames Projekt einigen konnten?

Es ist ja noch nichts ausgeschlossen. Es steht noch eine Debatte im Parlament an und die Regierung wird prüfen, was machbar ist. Es sollte aber jetzt vor den Wahlen nicht darum gehen, dass die Parteien sich gegenseitig überbieten und wir die Zukunft des Landes aufs Spiel setzen. Wenn finanzieller Spielraum bleibt, wird noch etwas kommen, und die Regierungsparteien werden auch eine Einigung finden, aber die Ausgaben für die Coronakrise standen nicht im Koalitionsabkommen.

Um eine Position zur Impfpflicht zu finden, haben Sie Anfang Januar einen unabhängigen medizinischen Expertenrat eingesetzt, der eine Impfpflicht für über 50-Jährige und die Angestellten des Pflegesektors für die beste Lösung hält. Bei der Debatte im Parlament haben Sie gesagt, die Regierung werde den Empfehlungen des Expertenrats folgen und diese Position sei alternativlos. Paulette Lenert war etwas vorsichtiger. Sie sagte, eine Impfpflicht mache nur Sinn, wenn man damit der Pandemie ein Ende setzen könne. Am vergangenen Freitag nach dem Regierungsrat sind Sie wieder etwas zurückgerudert, die Position der Experten ist jetzt offenbar nicht mehr alternativlos. Was ist denn nun mit der Impfpflicht?

Wenn die Pandemie beendet ist, werden wir selbstverständlich keine Impfpflicht einführen. Wir sind ja keine Impffetischisten. Eine Impfpflicht wäre für den nächsten Herbst und Winter sinnvoll, um eine Überbelegung der Krankenhausbetten und einen Anstieg der Todesfälle zu verhindern. Sie soll uns Sicherheit bieten. Ich weiß nicht, was nächsten Herbst passieren wird, doch solange es nicht sicher ist, dass wir nicht mit einer neuen Variante konfrontiert werden, ist es wichtig, jetzt eine Impfpflicht vorzubereiten. Spätestens in drei Monaten soll ein Gesetzentwurf vorliegen.

Haben Sie den Expertenrat persönlich einberufen oder stand die gesamte Regierung hinter dieser Entscheidung?

Auf dem Weg zu dieser Entscheidung hat es natürlich Diskussionen gegeben, denn die Impfpflicht stand auch nicht im Koalitionsabkommen. Jede Regierungspartei hat ihre eigene DNA und ihre Befindlichkeiten. Der gemeinsame Nenner, auf den wir uns einigen konnten, war es, den Expertenrat einzuberufen und seine Schlussfolgerungen anzunehmen und umzusetzen.

Andere Positionen wie die vom Ethikrat und der Menschenrechtskommission wurden bei der Debatte kaum berücksichtigt. Hätte die Regierung sich damit etwas mehr Zeit lassen müssen?

Die Debatte verläuft ja in zwei Phasen. In der ersten ging es ausschließlich um die rein wissenschaftliche Frage, ob man eine Impfpflicht braucht oder nicht, und wenn ja, für wen. Nur medizinische Spezialisten konnten sie beantworten. Danach kommt die Frage, welche Form die Impfpflicht annehmen soll und welche ethischen, sozialen und juristischen Probleme sich noch stellen. In dieser Diskussion sind wir nun „voll drin“.

Am Tag nach der Kammerdebatte hat der Infektiologe Gérard Schockmel die sozialistische Gesundheitsministerin Paulette Lenert im RTL Radio scharf angegriffen und ihr vorgehalten, die Debatte über die Impfpflicht nicht schon vor einem Jahr geführt zu haben. Bei der Aufklärung über die mRNa-Impfstoffe sei das Gesundheitsministerium „komplett inaktiv“ gewesen. Sie saßen daneben und haben nichts gesagt. Wieso haben Sie ihre Vize-Premierministerin und Gesundheitsministerin nicht in Schutz genommen?

Das waren Dr. Schockmels persönliche Eindrücke. Ich weiß ja nicht, wie seine Beziehung zur Gesundheitsministerin ist. Paulette Lenert hat danach geantwortet, dass sie einen regelmäßigen Austausch mit medizinischen Forschern hat. Ich weiß nicht, mit wem Frau Lenert in Verbindung steht und mit wem sie im Alltag zusammenarbeitet. Deswegen konnte ich auch nicht reagieren.

Sie arbeiten doch eng mit ihr zusammen.

Wir hören uns im Regierungsrat gegenseitig zu und tauschen uns aus. Wir bekommen auch ständig Echos von außen, etwa von der Uni. Die Lage hat sich aber stark verändert. Vor einem Jahr haben wir stets die Virenlast in den Kläranlagen im Blick behalten, weil wir wussten, dass hohe Infektionszahlen sich auf die Bettenbelegung auswirken. Das ist heute nicht mehr der Fall. Ich will ja nicht pessimistisch sein, aber das Virus wird nie wieder ganz verschwinden. Wir müssen nur darauf achten, dass wir die Lage in den Krankenhäusern im Griff behalten.

Ich wollte eigentlich darauf hinaus, dass Dr. Schockmel die Gesundheitsministerin für Entscheidungen verantwortlich gemacht hat, die die gesamte Regierung getroffen, beziehungsweise nicht getroffen hat. Wieso haben Sie ihn nicht darauf aufmerksam gemacht?

Dr. Schockmel hat vieles behauptet. Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Impfpflicht vor einem Jahr keine Priorität für die Regierung war. Das ist eine Tatsache. Er hat von seinen persönlichen Erfahrungen mit Frau Lenert berichtet. Darin bin ich nicht involviert und kann daher auch nicht mitreden.

Vergangene Woche wurde Dr. Schockmel erneut politisch, als er auf RTL den „gewählten Vertretern von den Gesundheitsberufen und den Institutionen, wo die Vulnerablen behandelt werden“, wegen ihrer kritischen Haltung zur sektoriellen und ihrer Befürwortung einer generellen Impfpflicht „Klientelismus“ vorwarf und ihnen die Hauptschuld für die Spaltung der Gesellschaft gab. Wird Gérard Schockmel Schattenminister der DP für das Gesundheitsressort?

Soweit ich informiert bin, ist Dr. Schockmel nicht Mitglied einer Partei, er sagt nur seine persönliche Meinung.

Nicht Mitglied einer Partei zu sein, hat noch keinen davon abgehalten, Minister zu werden.

Ich bin froh, dass wir in einem Land leben, in dem man seine Meinung sagen kann.

Bei der Bekämpfung der Pandemie und der Klimakrise hört die Regierung auf die Empfehlungen der Forscher. Wieso nicht bei der Wohnungskrise?

Ich wurde vor 23 Jahren zum ersten Mal ins Parlament gewählt. Seitdem reden wir darüber, Steuern auf leerstehenden Wohnungen und ungenutztem Bauland zu erheben und die Grundsteuer zu reformieren. Das wird nun gemacht. Wer meint, die gesamte Wohnungsproblematik mit einem Zauberstab in den Griff zu bekommen, der irrt. Alle Zahnräder müssen ineinandergreifen: Gemeinden, Bauherren und Staat. Wir versuchen soviel wie möglich zu bauen, doch Luxemburg ist so attraktiv, dass die Preise für Wohnungen und Bauland weiter steigen. Das ist eine weltweite Entwicklung, die in vielen Städten zu beobachten ist.

Die hohe Nachfrage ist aber nicht das einzige Problem. Eine rezente Liser-Studie hat gezeigt, dass der Staat reiche Eigentümer wesentlich mehr unterstützt als arme Mieter. In einem Sozialstaat müsste es doch genau umgekehrt sein. Ist das nicht ein Skandal?

Was nicht gebaut wird, können wir auch nicht vermieten. Der Staat ist ja dabei, mehr zu bauen, und wir bremsen die langjährige Praxis, dass mit staatlich geförderten Wohnungen auch noch Gewinne gemacht werden. Henri Kox und Taina Bofferding werden in den nächsten Monaten neue Gesetzentwürfe vorstellen. Ich möchte dem an dieser Stelle nicht vorgreifen.

Die sozialen Ungleichheiten sind in den vergangenen Jahren konstant gestiegen, die Wohnungskosten tragen daran eine erhebliche Mitschuld. Müsste man die vielen Steuervorteile für Investoren und reiche Eigentümer nicht reduzieren und dieses Geld in den sozialen Wohnungsbau investieren?

Das tun wir ja. Das Statec hat nachgewiesen, dass die soziale Schere während der Pandemie entgegen aller Erwartungen nicht weiter auseinander gegangen ist. Beim Revis und bei der Teuerungszulage sind wir den Schwächsten entgegengekommen. Ich weiß, wie schwierig es wegen der hohen Lebenshaltungskosten in Luxemburg ist, deswegen haben wir versucht, die Armut nicht nur zu verwalten, sondern die Menschen aus der Armut rauszuholen. Mir wird vorgeworfen, unser Mindestlohn wäre zu hoch und unsere Lohnindexierung wäre falsch. „Doch! Beide Maßnahmen sind berechtigt“, antworte ich denen. Aber dann hält man mir vor, dass manche Betriebe sich deswegen lieber im Ausland ansiedeln. Wir müssen ein Gleichgewicht finden. Als Premier bin ich der Ansicht, dass die Menschen vom Reichtum, den wir erzeugen, profitieren sollen.

Seit 2013 ist das Armutsrisiko von 15,9 auf 17,4 Prozent gestiegen und liegt über dem EU-Durchschnitt. Müsste Sie das als ehemaliger Sozialschöffe nicht beunruhigen?

Das größte Problem sind die hohen Wohnungspreise. Mit dem Paradigmenwechsel, den wir eingeläutet haben, wird sich das hoffentlich noch in diesem Jahr ändern.

2019 waren Sie noch gegen eine Spekulationssteuer auf Bauland, 2021 haben Sie in Ihrer Rede zur Lage der Nation angekündigt, dass Pierre Gramegna und Taina Bofferding einen entsprechenden Gesetzentwurf ausarbeiten werden. Pierre Gramegna ist jetzt weg. Kommt die Spekulationssteuer trotzdem noch in dieser Legislaturperiode?

Das habe ich 2019 nicht gesagt. Ich war immer der einzige in meiner Partei, der für eine Gebühr auf leerstehende Wohnungen war.

Auf leerstehende Wohnungen ja, aber nicht auf ungenutztes Bauland.

Es macht einen Unterschied, ob jemand ein Grundstück hat, auf dem man eine Wohnung bauen kann, oder ob jemand ganze Felder besitzt, auf denen man 100 Wohnungen bauen kann. Bei der Besteuerung muss das Gleichgewicht stimmen. Wir führen ja auch ein, dass Grundstücke, die neu als Bauland ausgewiesen werden, innerhalb einer bestimmten Frist bebaut werden müssen. Und wir werden die Prozeduren beschleunigen. Das alles hat es vorher nicht gegeben. Das Package der Regierung wird es uns erlauben, mehr und schneller zu bauen, damit die Preise sinken.

Kommt die Spekulationssteuer denn noch in dieser Legislaturperiode?

Wir haben uns dazu verpflichtet, ein Package auszuarbeiten, von dem die Spekulationssteuer ein Element sein kann. Wir haben auf jeden Fall die Ambition, noch in diesem Jahr einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Laut OECD hat Luxemburg 2019 lediglich 21,6 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Sozialausgaben bereitgestellt. Damit liegt es weit hinter seinen Nachbarländern Frankreich (31 Prozent), Belgien (28,9) und Deutschland (25,9) und nur leicht über dem OECD-Durchschnitt...

Mir liegt eine andere Studie vor. Der Anteil der Sozialausgaben am Staatshaushalt liegt bei fast 50 Prozent. Es existiert ein Unterschied zwischen absoluten Zahlen und dem Anteil des BIP. Bei den Gesamtausgaben pro Kopf liegt Luxemburg an erster Stelle.

Verglichen mit dem, was jeder Bürger erwirtschaftet, sind die Sozialausgaben aber gering.

Ich muss auch noch Infrastrukturen bauen können, Schulen und Krankenhäuser, ich brauche einen funktionierenden Staat, Polizei und Feuerwehr. Ich weiß nicht, ob viele Länder 50 Prozent ihres Gesamthaushalts in Sozialausgaben stecken.

Die steigenden Energiepreise und die Inflation drohen die Armut noch zu verschlimmern. Was tut die Regierung dagegen?

Leider erscheint d᾽Land freitags und morgen (Anm.d.Red.: am Mittwoch) findet die Debatte über Kaufkraft in der Abgeordnetenkammer statt. Gratis-Transport, Revis, Teuerungszulage, gratis Kinderbetreuung und kostenloses Mittagessen: all diese Dinge rechnen sich und das zeigt sich auch. Yuriko Backes wird den Abgeordneten erklären, wie diese Sachleistungen sich ausgewirkt haben. Wenn wir auf die steigenden Energiepreise reagieren, müssen es Antworten sein, die der spezifischen geopolitischen Situation, die den Anstieg verursacht, nachhaltig Rechnung tragen.

Was hat die Regierung diesbezüglich denn konkret geplant?

Morgen ist die Debatte in der Kammer und Yuriko Backes wird dort Vorschläge machen (Anm.d.Red.: siehe S.10).

Nächstes Jahr sind Kammerwahlen. Erstes Ziel der DP ist es sicherlich, den Sitz im Zentrum zurückzugewinnen, den die Partei 2018 verloren hat.

Ich hoffe, die DP hat mehr Ambitionen, als diesen Sitz zurückzugewinnen. Ich hoffe, sie kann mit ihrem Wahlprogramm die größtmögliche Zustimmung erreichen.

Im Zentrum könnte Ihre Partei mit vier hochkarätigen Kandidatinnen und Kandidaten antreten: Sie, Corinne Cahen, Lydie Polfer und Yuriko Backes. Da kann doch nichts schief gehen.

Ich habe noch nie vor dem Wahlabend irgendetwas prognostiziert, deshalb habe ich auch nie böse Überraschungen erlebt. Für mich ist es wichtig, dass wir als DP starke Kandidaten haben und ein gutes Programm.

Wird Corinne Cahen bei den Gemeindewahlen kandidieren, um neue Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg zu werden?

Im Moment ist Corinne Cahen noch Ministerin und im Moment hat sie nicht die Absicht aufzuhören. Wenn sie kandidieren möchte, ist das ihre Entscheidung, und die der hauptstädtischen Sektion.

Dort sind Sie ja Mitglied.

Ich bin aber nicht im Gemeinderat und ich werde auch nicht bei den Kommunalwahlen kandidieren, da muss ich Sie leider enttäuschen.

Was wird dann aus Lydie Polfer?

Das müssen Sie Frau Polfer fragen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass sowohl Frau Polfer als auch Frau Cahen überall gebraucht werden, nicht nur in der Partei, sondern auch wegen der Arbeit, die sie leisten.

Wollen Sie mit Yuriko Backes einen liberalen Gegenentwurf zu Paulette Lenert für den Zentrumsbezirk schaffen?

Ich habe mit Yuriko Backes eine Person rekrutiert, die ihre Arbeit mit Energie, Akribie, Ruhe und Diplomatie ausführt. Ich habe nicht darauf geachtet, in welchem Bezirk sie wohnt. Pierre Gramegna habe ich 2013 auch rekrutiert, ohne zu wissen, dass er in Esch/Alzette wohnt.

Im Südbezirk hat die DP mit Pierre Gramegna und Eugène Berger zwei beliebte Politiker verloren. Haben Sie schon Ersatz gefunden?

Diese Verluste werden sicherlich nicht leicht zu kompensieren sein. Wir haben im Süden starke Leute in der Kammer und mit Claude Meisch auch ein Regierungsmitglied. Wie die Partei sich aufstellen wird, kann ich aber jetzt noch nicht sagen.

Wer wird neuer Hofmarschall?

Ich treffe den Großherzog in den nächsten Tagen, damit wir uns die Bewerbungen gemeinsam ansehen können.

Der ist ja wahrscheinlich jetzt noch in Peking. Von der Regierung fährt niemand zur Winterolympiade, der Staatschef schon. Hatte er dafür ein Mandat?

Wahrscheinlich ist er gerade auf dem Rückflug. Er wurde als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees eingeladen, um an dessen Generalversammlung teilzunehmen. Die anderen Dinge hat er mit Außenminister Jean Asselborn abgesprochen, so dass ich davon ausgehe, dass er beim Umweltschutz und in Menschenrechtsfragen für die Positionen eintritt, die wir auch vertreten.

Er wurde vom chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping empfangen und hat mit ihm über die Ukraine gesprochen. Er hat auch an einem Bankett mit Wladimir Putin teilgenommen. Das klingt eher nach einer politischen Visite des Staatschefs als nach einer sportlichen Mission.

Großherzog Henri besitzt tatsächlich beide Eigenschaften, doch er ist als IOC-Mitglied nach Peking gereist. Von der Regierung war niemand da und Jean Asselborn hat in den vergangenen Wochen ausführlich erklärt, was er von einem Boykott der olympischen Spiele hält.

Luxemburg war neben Polen das einzige EU-Land, das vom chinesischen Präsidenten empfangen wurde. Hat Luxemburg in der Frage nach einem möglichen diplomatischen Boykott der olympischen Winterspiele eine gemeinsame europäische Haltung verhindert?

Nein. Jedes Land war frei, für sich zu entscheiden. Großherzog Henri ist seit Jahrzehnten Mitglied des IOC und ist als solches nach China gereist. Darüber hinaus finde ich aber – und Sie werden mir sicherlich noch eine Frage zu Russland stellen –, dass man miteinander reden sollte und nicht nur übereinander.

Eigentlich wollte ich Ihnen keine Fragen mehr zu Russland stellen, denn scheinbar ist ja der Großherzog für geopolitische Angelegenheiten zuständig.

Ich weiß nicht, was er mit Herrn Putin besprochen hat (lacht).

Vielleicht lieber noch eine persönliche Frage. Romain Hilgert schrieb 2013 im Land: „Das politische Kapital des nächsten Monat 40-jährigen Bettel ist sein noch immer jugendlicher Charme mit hohem Unterhaltungswert“. Nächstes Jahr werden Sie 50. Hat sich Ihr politisches Kapital erweitert, seit sie Staatsminister sind?

Auch mit fast 50 Jahren habe ich meine Freude, meine Energie und meine Leidenschaft nicht verloren. Jeder kann mich beschreiben wie er will, doch ich bin, wie ich bin, und keiner kann mich verändern. Meine Mutter hat in meiner Kindheit versucht, manche meiner Charakterzüge zu bremsen, doch es ist ihr nicht immer gelungen. Auch mein Mann Gauthier probiert es ab und zu. Aber ich kann mich nicht ändern. Es geht nicht darum, den Leuten zu gefallen, sondern es geht darum, meine Arbeit zu tun.

*Das Interview mit dem Staatsminister wurde am Dienstag, 08.02.2022,
um 16 Uhr geführt

Luc Laboulle
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