Der Ausstieg aus der Car-e-Prämie zeigt: Die neue Regierung und vor allem Déi Gréng im Nachhaltigkeitsministerium scheinen den Automarkt anders zu verstehen als ihre Vorgänger

Mitnahmeeffekte unerwünscht

d'Lëtzebuerger Land vom 20.12.2013

„Ich bin ehrlich erstaunt, dass die Regierung die Car-e-Prämie abschaffen will“, erklärt Ernest Pirsch, der Präsident des Autohändlerverbands Fegarlux, dem Land. Wolle man die Elektromobilität etwa nicht mehr fördern? „Nichts gegen den Bau der Tram, aber Autofahrer wird es trotzdem noch geben!“

Was Premier Xavier Bettel (DP) und Umweltstaatssekretär Camille Gira (Grüne) am Freitag vergangener Woche angekündigt hatten, verstehen die Garagisten als unfreundlichen Akt. „Ehrlich erstaunt“ ist dafür die diplomatische Umschreibung. Nur im nächsten Jahr noch soll es 5 000 Euro vom Staat als Prämie beim Kauf eines PKW geben, der pro Kilometer weniger als 60 Gramm CO2 ausstößt. Neben reinen Elektroautos sind so gut nur Plug-in-Hybridfahrzeuge, die sich an der Steckdose nachladen lassen, so dass sie die ersten 25 Kilometer fahren können, ohne dass der Verbrennungsmotor anspringen muss.

Zeichnet sich ab, dass diese Fahrzeuge demnächst so erschwinglich werden wie ein Auto mit Verbrennungsantrieb? Es gebe einen Preisverfall, sagt der Umweltstaatsekretär. Neue Modelle seien ebenfalls angekündigt. „Und wächst auch im Elektrosegment die Konkurrenz, drückt das die Preise weiter nach unten.“ Würde Car-e beibehalten, drohten „Mitnahmeeffekte.“ Soll heißen: Der Staat könnte ab 2015 womöglich Autos subventionieren, die auch ohne die Beihilfe gekauft würden. Das wäre unverantwortlich, wenn gleichzeitig mit öffentlichen Mitteln ein Verkehrsprojekt wie die Tram realisiert werden soll, hat Gira schon vor einer Woche erläutert.

Ganz deutlich aber ist der Preisverfall nicht, und er ist auch nicht ganz neu. Elektro-Kleinstwagen wie Peugeots iOn oder Citroëns C-Zero kosten zwar keine 34 000 Euro mehr wie zu ihrer Markteinführung Anfang 2011, aber die aktuellen Katalogpreise von 26 000 bis 28 000 Euro galten schon vor einem Jahr. Ebenfalls nicht geändert haben sich die Preise der Elektro-Reihe „ZE“ von Renault. Lediglich Nissans Kompaktmodell Leaf wurde von 34 000 Euro auf 28 000 Euro preisgesenkt, und wer die Batterie nur mietet und monatlich ab 72 Euro dafür bezahlt, erhält den Leaf schon für mindestens 22 800 Euro. Das soll Renaults Fluence ZE Konkurrenz machen, der ab 24 800 Euro kostet, plus wenigstens 82 Euro monatlicher Batteriemiete.

Neue Elektroautos kommen ebenfalls nicht gerade als Preisbrecher auf den Markt. Der kleine Elektro-Up! von Volkswagen wird in Luxemburg noch nicht verkauft, kostet in Deutschland mit knapp 27 000 Euro aber ähnlich viel wie die kleinen Stromer von Peugeot und Citroën. Für den elektrischen VW Golf sind, wenn er demnächst bestellbar ist, mehr als 35 000 Euro im Gespräch, die ihn preislich eher nicht zum Konkurrenten für Nissans Leaf und Renaults Fluence werden lassen dürften, sondern eher für den neuen i3 von BMW, der in Luxemburg ab 35 764 Euro schon verkauft wird. Gleichfalls kein Billig-E-Mobil ist der Ford Focus Electric, der mit 39 900 Euro ähnlich teuer ist wie der Opel Ampera (ab 37 900 Euro). Der Soul EV von Kia, der Mitte nächsten Jahres in Europa in den Handel kommen soll, dürfte ebenfalls mehr als 30 000 Euro kosten und damit doppelt so teuer sein wie das aktuelle Soul-Einstiegsmodell mit Benzinmotor.

Die Frage, ob die neue Regierung die Elektromobilität noch fördern will, ist daher nicht unberechtigt. Ihre Vorgängerin hatte im Sommer 2010 von 40 000 Elektroautos geträumt, die 2020 auf den heimischen Straßen unterwegs sein würden. Ende November 2013 belief sich der E-Auto-Bestand auf 256 Stück, und man könnte sagen: Ändern sich die Preise nicht wesentlich, wird es ohne die 5 000 Euro Car-e-Subvention kaum einen Aufschwung geben.

Oder doch? „Wir machen weiter mit der Förderung der Elektromobilität“, beteuert Gira, und aus dem Wirtschaftsministerium ist zu hören, man halte, obwohl zwischen Januar und November dieses Jahres nur 152 E-Autos neu zugelassen wurden, am 40 000-Ziel nach wie vor fest.

Vielleicht zu Recht. Falls Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn Recht behält mit der Bemerkung, die er im April machte, „entscheidend“ für die Erhöhung des Anteils von Elektroautos sei, dass es „genug Ladestationen“ gibt, dann könnte Luxemburg drauf und dran sein, sich für die Zukunft zu rüsten und gleichzeitig den Staatshaushalt um Car-e zu entlasten: Der Plan, bis 2020 landesweit 850 öffentliche Ladesäulen zu installieren, wurde trotz der bisher ziemlich enttäuschenden Zulassungszahlen von E-Autos nicht aufgegeben. Im ersten Quartal 2014 soll das Projekt öffentlich ausgeschrieben werden, teilt das Wirtschaftsministerium mit. „Geklärt“ sei, wie ein Kunde den Preis für die Ladung auch dann durch seinen Haus-Stromversorger in Rechnung gestellt bekommt, wenn er sein Auto an der Ladesäule eines anderen Stromunternehmens betankt. So ist es von Creos zu erfahren, die in der Arbeitsgruppe der Netzbetreiber, die für die technische Seite der Ladestationen zuständig ist, die Federführung hat. „Das System wird auch offen für Kunden aus anderen Ländern sein“, betont Claude Seiwert von Creos. Vom Wirtschaftsministerium wird hinzugefügt, man sei „auch mit privaten Akteuren im Gespräch“, um die 850 öffentlichen Ladestationen noch durch private zu ergänzen.

Mehr auf die Wirkung der Ladesäulen als auf Car-e zu setzen, drängt sich für die Regierung aber auch auf, weil der auf zehn Millionen Euro veranschlagte Bau der Ladeinfrastruktur die öffentliche Hand nichts kosten und über die Netzgebühren aller Stromkunden und später der Strom Tankenden finanziert werden soll.

Und gespart werden soll ja, Care-e jedoch ist immer weniger kostengünstig. Denn Benzin- und Dieselantriebe werden sparsamer und sparsamer. Dieses Jahr in Luxemburg zugelassene Neuwagen mit Verbrennungsmotor stoßen im Schnitt nur 135 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Mit einem Zero emission-Elektroauto würden die natürlich ganz vermieden. Doch wenn ein E-Mobil auf eine mittlere Jahreslaufleistung von 13 300 Kilometern kommt, wie im staatlichen Aktionsplan für Elektromobilität geschätzt wird, beliefe sich die CO2-Ersparnis auf 1,8 Tonnen jährlich. Das ist kein großartiges Ergebnis, wenn sich die Kostenfrage stellt. Selbst wenn ein Elektroauto acht Jahre lang gefahren würde und dies 14,4 Tonnen an Emissionen vermiede, hätte die Staatskasse durch 5 000 Euro Care-e-Prämie jede vermiedene Tonne mit 347 Euro bezuschusst. Was für ein Wahnsinn das ist, erkennt man beim Blick auf die Spotmärkte im europaweiten CO2-Emissionshandel, wo der Preis pro Tonne CO2 bei unter sieben Euro liegt. Dass die Preise derart niedrig sind, ist zwar auch krisenbedingt, doch seit der Einführung des Emissionshandels vor acht Jahren lag der Tonnenpreis nie über 30 Euro. Folglich muss es effizientere Klimaschutzmaßnahmen geben als die Bezuschussung von Elektro-PKW. Vielleicht den Bau einer Straßenbahn, wenngleich noch niemand ausgerechnet hat, wie klima- und kosteneffizient die Tram sein wird. Dass die Verhältnisse für Plug-in Hybridautos, die noch weniger CO2 vermeiden, noch ungünstiger liegen, versteht sich aber.

Allerdings ging es bei den Kaufprämien für Elektroautos nie allein um Klimaschutz, sondern vor allem darum, einer neuen, noch teuren Technologie durch Subventionen den Markteintritt zu erleichtern oder überhaupt einen Markt für sie zu schaffen. E-Autokäufe werden deshalb nicht nur in Luxemburg bezuschusst. In Frankreich gibt es sogar bis zu 6 300 Euro Kaufprämie, in Großbritannien 5 000 Pfund, in den USA bis zu 7 500 Dollar, in China umgerechnet 5 000 Euro. Die neue deutsche Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, die Einführung solcher Zuschüsse prüfen zu wollen. Ihre Vorgängerin war noch strikt dagegen gewesen.

So dass es scheint, als schere Luxemburg aus einer Koalition der Elektrowilligen aus, die in Europa sogar noch wächst. Doch in Ländern wie den USA und Frankreich hat die Kaufprämie letztlich mit Industriepolitik zu tun und belohnt die Hersteller für ihre Innovationsbemühungen. In Luxemburg dagegen stabilisiert sie die Umsätze der Autohändler. Ein wenig, denn unter den weit über 40 000 neuen PKW im Jahr fallen ein paar hundert E-Autos kaum auf.

Die Verärgerung der Garagisten über die angekündigte Streichung von Car-e ist aber trotzdem nicht nur eine symbolische Rede. Zum einen, weil Elektroautos bisher vor allem von Betrieben gekauft wurden: Im vergangenen Jahr erwarben 81 Betriebe und 71 Privatleute einen Elektro-PKW; der Bestand setzt sich aus 117 Privat- und 139 Firmenwagen zusammen. Weil Flottenkunden aber besonders scharf kalkulieren, könnten die E-Autoverkäufe ohne Car-e durchaus einbrechen.

Andererseits deutet die Beihilfenstreichung nicht nur an, dass die Regierung hofft, der Innovationsfluss, der die Preise weiter sinken lässt, werde schon von den Staaten besorgt, die bei ihnen heimische Hersteller unterstützen. Die politische Handschrift der Grünen, die nun das für Car-e zuständige Nachhaltigkeits- und Infrastrukturministerium leiten, ist ebenfalls zu erkennen. Während unter den Transportministern Lucien Lux (LSAP) und Claude Wiseler (CSV) nie in Frage stand, die Händler zu stützen, und ihnen 2009 nach dem Krisenausbruch mit der Verschrottungsprämie sogar ein Konjunkturgeschenk gemacht wurde, empfiehlt Staatssekretär Gira ihnen nun, die Zeit bis zum Auslaufen von Car-e zu nutzen, „um die Vorteile von Elektroautos zu kommunizieren“. Regierungsmitglieder, die nicht nur sparen wollen, sondern obendrein lieber Tram fahren, sind tatsächlich ein neues Moment im Autoland Luxemburg.

Peter Feist
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