Eine Flanke des Stephansdoms blau angestrahlt. Triumphbögen aus blauen Luftballons. Rotweißrote Banner. Vor der Filmleinwand, vor seiner Großaufnahme, die „Hoffnung der Hoffnungslosen“, wie Strache sich tituliert. Die Hoffnungslosen sind zahlreich angeströmt, ihrem Erlöser zu lauschen. „Fesch!“, eine Blondine stößt ihre Nachbarin mit dem Ellbogen an, sie kichern. Fesch ist wichtig. Fesch, und natürlich, dass er gegen Ausländer ist. Auch Ausländer finden es wichtig, dass er gegen Ausländer ist. Es sind einfach zu viele da. Noch ausländischere, noch schwärzere, mit unzumutbaren Hintergründen. Das dezent am Handgelenk getragene, auf Plakaten gut platzierte blaue serbische Freundschaftsband, ein unübersehbares Zeichen an die serbische, traditionell islamfeindliche Community.
Seine Stimme jagt über den Stephansplatz, verkündet die Frohe Botschaft eines anderen Wiens: Alles ist möglich! Nach diesem Sonntag. Wenn er, Strache, Bürgermeister sein wird, und diese Stadt endlich befreit von den roten Bonzen, den roten Islamisten. „Rote Nazis“ ist ihm seit kurzem gerichtlich untersagt. Wenn er die unterdrückten Massen, die armen Alten, die armen Jungen, natürlich die bevormundete Mittelschicht, endlich befreit hat. „Jeder Handgriff im Pensionistenheim kostet fünf Euro“, schreit Strache. Ein auf einen Stock gestützter Mann nickt seiner Frau zu. Auf der Terrasse gegenüber vom Dom haben sich die niedergelassen, die man sonst hier nie sieht. Die Stadtzentren der europäischen Städte sind für viele Bewohner so fern wie der Mond, ferner als die all inclusive Dominikanische Republik. Ein von Armut gezeichneter Rollstuhlfahrer. Zwei junge, blasse Männer in schlecht sitzenden Klamotten. Eine kleinwüchsige, intensiv paffende Frau, die Beine keck über die Stuhllehne geworfen, die ihren Begleitern begeisterte Blicke zuwirft, wenn Strache zu neuen Höheflügen ansetzt. Ein feister Herr im feinen Tuch steht mit einem in die Hand gedrückten rot-weiß-roten Fähnchen da, wedelt unbeholfen. Hier hetzte schon Haider vor einer Meute, die sich bis in die Nebengassen staute, von Pointe zu Pointe. Die Hölle war los. Erstaunlicherweise brach der Stephansdom vor Scham nicht zusammen.
Strache ist ein Langstreckenredner. Er will Bürgermeister werden, so viele Bevölkerungsgruppen wie möglich ansprechen. Renten, Steuern, brave Ausländer. Aber jetzt… genug des Vorspiels! Endlich „Minarett!“ Endlich das Signal. „Pummerin statt Muezzin!“ Kriegsschrei in die hörige Menge. Die Pummerin ist die legendäre Glocke des Stephansdoms. Der Spruch eine Ausgeburt von Straches Haus- und Hoflyriker, der seit Jahren Wien mit seiner Poesie zupflastert. „Wiener Blut – zuviel Fremdes tut niemand gut“, war seine letzte Höchstleistung. In einem an alle Wiener Haushalte verschickten „Comic“ mit grünhäutigen, wurstnasigen Türken und einem fetten Wiener Bürgermeister in Türkentracht wird ein kleiner Wiener dazu animiert, dem Mustafa eine mit der Steinschleuder zu verpassen.
Es ist vollbracht: Es schneit blau glitzernd, die Fahnen werden geschwungen, Musik, Jubel. „Heinz-Christian Strache kommt später in die Disco Prater Dome“, tönt eine Stimme tröstend über den Platz.
Von Dom zu Dome. Strache macht alles. Er leiht sein Ohr den SeniorInnen. Er macht ihnen Angst und verspricht, ihnen die Angst zu nehmen. Er verspricht, alle Wiener Gaststätten zu besuchen, was er nach Einsatz der Mathematiker relativieren muss. Er tourt durch Discos, signiert bare Busen. Er befreit arme Kopftuchfrauen. Er schwingt das Kreuz bei Anti-Moschee-Demos. Er rappt auf der Homepage. Er verspricht, sich Drogentests zu unterwerfen, um tückische Gerüchte zu widerlegen.
Schon vor einem Jahr forderte er den seit 16 Jahren regierenden, sozialistischen Bürgermeister Michael Häupl auf Plakaten zum Duell auf in der „Schlacht um Wien.“ Er, der die Führung von Haiders durch die Regierungsbeteiligung extrem geschwächte FPÖ nach dessen Flucht nach Kärnten und dessen Gründung des BZÖ übernommen hatte, wirbt auf Plakaten mit wortwörtlich dem gleichen Messianismus.
Die Roten und ihr Bürgermeister, der der Inbegriff des Wieners ist: Grant, Schmäh, ein raffiniert getarnter Intellekt. Seit mehr als sechzig Jahren sind sie Alleinherrscher in Wien, nur einmal kurz unterbrochen von einer Koalitionsphase mit der ländlich starken, in Wien traditionell schwachen ÖVP. Die Stammwählerschaft, die Kriegsgeneration, stirbt aus. Die neuen Alten wählen schon flexibel. Die Jugendcampagne der ÖVP „Schwarz ist geil“ , in denen statt Kugelschreibern Kondome verschenkt werden, geht in die Hose. Die Grünen radeln auf exotischen Bikes zu In-Locations, und feiern in Hot-Spots Feste, auf denen die Migranten tanzen. Das Volk will aber absolut nicht mitradeln und nicht nach ihrer Pan-Flöte tanzen. Das BZÖ, das sich in einem rechtsliberalen Kurs versucht, liegt kaum über der Wahrnehmungsschwelle. Die Kommunisten, friedliche Träumer im chronischen Ein-Prozent-Bereich, rattern in einem ausrangierten Bus durch Wien und laden nicht zum Zirkus, sondern zur Stimmabgabe auf.
Strache schaffte 27 Prozent. Nicht nur die jungen Männer aus der so genannten Unterschicht haben ihn gewählt. Die verschreckten Mindestpensionisten haben ihn gewählt. In den so genannten Arbeiterhochburgen feiert er Triumphe.
Dass er nicht Bürgermeister werden konnte, war klar. Dass niemand mit ihm will, war klar. Genau das macht ihn stark. ER – Das Opfer. Der Ausgegrenzte. L’Incorruptible. Demnächst: Duell mit Faymann. Kampf um Österreich.