Die Mosel schlängelt sich mäandernd durch die Lande. An ihren Hängen wachsen seit Jahrtausenden Reben, hüben wie drüben. Ihr Wein bestimmte Kultur und Kalender der Region. An den Heiligentagen im Oktober und November wurde ausgemacht, wann die Lese begonnen werde musste – und wann keine Ernte mehr zu erwarten war. Im vergangenen Jahr begann die Ernte in Schengen schon Ende August. Zum zweiten Mal, dass die Weinbauern so früh in ihre Wingerte stiegen, um die Trauben zu schneiden. 2003 war das schon einmal so. In der Regel beginnt die Weinlese in Luxemburg am letzten Septembertag. In diesem Jahr zum kalendarischen Herbstanfang eine Woche früher. Es mag dies ein wahrnehmbares Zeichen sein, dass sich das Klima wandelt.
In Monaco kamen in der vergangenen Woche Delegierte aus den 195 Mitgliedsstaaten des International Panel on Climate Change (IPCC), kurz auch „Weltklimarat“ genannt, zusammen, um über einen Bericht zu debattieren und abzustimmen, zu dem 130 Forscherinnen und Forscher aus 36 Ländern in den vergangenen zwei Jahren aktuelle Studien und Daten über Ozeane und Eismassen zusammengetragen haben und Auswirkungen des Klimawandels auf Küsten und Inseln, Mensch und Natur analysierten. Dabei zeigen sie auf, dass die Erderwärmung Meere und Eisregionen auf der Erde massiv schädigen und dass der Meeresspiegel immer schneller ansteigt – derzeit sei der Anstieg doppelt so hoch wie im Schnitt des 20. Jahrhunderts, nämlich 3,6 Millimeter pro Jahr. Das mag für viele wenig klingen, doch auf zehn Jahre gerechnet sind dies 3,6 Zentimeter, knapp 30 Zentimeter bis zum Ende des Jahrhunderts. Auch dies mag als eine vernachlässigbare Größe erscheinen, doch für Küsten- und Inselstaaten wie Bangladesch und die Malediven sind dies verheerende Ausmaße. Hinzu kommt, dass die Geschwindigkeit des Anstiegs deutlich zunimmt. 3,6 Millimeter im vergangenen Jahr, vielleicht schon vier Millimeter in diesem.
In Deutschland hat am vergangenen Freitag ein heftig kritisiertes Maßnahmenprogramm zur Klimapolitik auf den Weg gebracht, die Schweiz diskutiert eine CO2-Steuer. Alles Vorhaben zur Reduktion der Treibhausgase, die als ein wichtiger Verursacher der Erderwärmung gesehen werden. Doch während die Industrienationen vor allem auf lang- und längerfristige Maßnahmen konzentrieren, um die fossile Energiegewinnung zur reduzieren oder ganz aus dieser auszusteigen, zeigen vor allen Dingen Entwicklungsländer große Fortschritte, etwa bei der Einhaltung und Erzielung der Klimamaßnahmen, wie sie im Pariser Abkommen 2015 vereinbart wurden. Dies geht aus einem Zwischenstandsbericht des UN-Klimasekretariats (UNFCCC) hervor. Dieser zeigt, dass insbesondere Entwicklungsländer ihre im Pariser Vertrag festgelegten Nationally Determinded Contributions (NDC), also ihre national festgelegten Beiträge zur Treibhausgasemission, eingehalten haben. Die 40 am wenigsten entwickelten Länder tragen, so die UNFCCC, jeweils weniger als 0,1 Prozent am Ausstoß von Klimagasen bei, wollen aber mit der freiwilligen Verpflichtung auf noch strengere NDC zeigen, dass auch sie Maßnahmen zum Klimaschutz umsetzen können.
In den westlichen Industrienationen scheiden sich an der Klimapolitik die Geister und vor allen Dingen die politischen Ansichten und Ansätze. Während populistische und extremistische Strömungen den Klimawandel leugnen und diesen – in gewohnter verschwörungstheoretischer Manier – entweder als Fiktion der etablierten Parteien, eine Horrorstory der Medien an sich oder als eine Selbstvermarktungsidee der 16-jährigen Greta Thunberg abtun. Dabei fällt auf, wie schnell und unbedacht die Sprache des Politisch-Radikalen auch von gemäßigten Politikern übernommen und im politischen Diskurs manifestiert werden. Überhaupt scheint die schwedische Umweltaktivistin die Lager zu spalten. Was letztendlich aus einem psychologischen Momentum des Argumentum ad hominem herrührt. Wenn der Diskursteilnehmer nicht mehr auf der Sachebene Argumente liefern kann, dann wird er persönlich, um die Position des Anderen zu widerlegen, oder spricht dem Debattengegner ohnehin jedwede Kompetenz ab, wie es Christian Lindner, Vorsitzender der FDP, tat, als er die Mitstreitenden der Fridays-for-Future-Bewegung dazu anhielt, die Einschätzung und Problemlösung in der Klimapolitik lieber – politischen – Experten zu überlassen.
Deshalb fällt es vielen Menschen leichter Greta Thunberg zu diskreditieren, sich an ihrem Alter, ihrer Krankheit oder dem Gelenkt-werden durch Erwachsene abzuarbeiten, denn sich in eine sachliche Diskussion um den Klimawandel zu begeben. Ihnen ist freie Marktwirtschaft wichtig. Sie wollen sich nicht von einer Regierung vorschreiben lassen, wie sie ihr Leben zu leben haben, wie oft sie fliegen oder Fleisch essen, ob sie ihren Kaffee im Gehen trinken oder aus Metallkapsel zubereiten dürfen. Deshalb lehnen sie eine starke Umweltbewegung ab, da diese dazu führen könnte, dass die persönliche Freiheit durch staatliche Regulierung eingeschränkt werden könnte.
Über die Ausgestaltung dieser staatlichen Regulierung wird derzeit gestritten, denn die ökologische Frage ist immer auch eine soziale Frage. Dabei geht es nicht nur um die Kluft zwischen Arm und Reich, sondern auch darum wie ältere und jüngere Menschen mit den Herausforderungen des Klimawandels leben können oder wie Menschen im ländlichen Raum gegenüber Städtern in eine ökosoziale Politik eingebunden werden. Reiche Menschen können sich teuren Sprit leisten, Städter eher auf Alternativen im Personenverkehr ausweichen, ältere Menschen sind gesundheitlich stärker etwa von heißen Sommern betroffen. Die Politik ist dabei gefordert, allen Menschen ein besseres und gesünderes Leben zu ermöglichen. Das muss nicht bedeuten, dass derzeitige Generationen ihre Lebensqualität verringern oder Beschränkungen der persönlichen Freiheit hinnehmen müssen, um kommenden Generationen eine Welt mit höherer Umweltqualität zu hinterlassen. Eine zukunftsorientierte Klimapolitik muss sich daran messen lassen, wie weit sie die Wahrung, wenn nicht Erhöhung von Lebensqualität und Wohlstand mit Nachhaltigkeit in Einklang bringen kann.