DP

Stichprobe

d'Lëtzebuerger Land vom 28.10.2010

Alle warten auf die DP. Denn die letzte Stärke der Regierung ist die Schwäche der Opposition. Schon im Frühjahr, als die LSAP während der Tripartite-Verhandlungen mehr auf den OGB-L als auf die CSV zu hören schien, hatte der rechtsliberale Flügel der CSV das Urteil gefällt, dass mit den Sozialisten kein Staat mehr zu machen ist. Doch als er sich dann eine Koalition mit der DP auszurechnen begann, war das Ergebnis mehr als ernüchternd: Um eine Regierungsmannschaft mit zumindest dem einen oder anderen halbwegs erfahrenen Politiker auf die Beine zu stellen, hätte die DP nicht nur einige mühsam in den Ruhestand verabschiedete und entsprechend beleidigte Reserveoffiziere mobilisieren müssen. Mit den dann nachrückenden Ersatzdeputierten wäre auch keine Parlamentsfraktion zustande gekommen, die nur ansatzweise fähig gewesen wäre, die Regierungsgeschäfte zu unterstützen. Das hatte man ebenso in der DP durchgerechnet und zudem herausgefunden, dass die Partei im Fall einer Regierungsbeteiligung ein Jahr vor den Gemeindewahlen ihrer Spitzenkandidaten in den wichtigsten Städten beraubt wäre.

Nicht besser geht es den Unternehmern, welche die amtierende Koalition endgültig abgeschrieben haben, seit sie sich nun auch von der CSV verraten fühlen, die vor genau einem Monat einen Separatfrieden mit den Gewerkschaften ausgehandelt hatte. Deshalb wünschen sich die Unternehmer nichts sehnlicher als einen Machtwechsel. Doch sie müssen händeringend mit ansehen, dass die ihnen traditionell nicht unsympathische DP seit nunmehr sechs langen Jahren an ihrer Erneuerung und Verjüngung werkelt – bisher erfolglos, wie die letzten Wahlen und sämtliche Meinungsumfragen zeigen.

Um den ungeduldigen Unternehmern dennoch zu zeigen, wie lieb sie sie hat, tat die Demokratische Partei alles, was in ihren bescheidenen Kräften stand und verbreitete 48 Stunden vor den nächsten Verhandlungen zwischen Regierung und Patronat Ergebnisse einer Umfrage, die sie bei der halbamtlichen Marktforschungsfirma gekauft hat. Selbst auf die Gefahr hin, sich mit der alleinigen Befragung von Unternehmern wieder dem Vorwurf der Wirtschaftspartei und der Vernachlässigung des gemeinen Volks auszusetzen. Jedenfalls geht aus der Umfrage hervor, dass von den rund 300 über Internet befragten Entscheidungsträgern nur oder immerhin ein Drittel den Index-Kompromiss befürworten. Von ihren Vertretern am Samstag erwarteten vier Fünftel, dass sie ein Einfrieren der Lohnkosten, und drei Viertel, dass sie ein Einfrieren der Steuerlast durchsetzen. Ob sich irgendein Entscheidungsträger etwas von der DP erwartet, geht zumindest aus den veröffentlichten Umfrageergebnissen nicht hervor.

Die Vorgehensweise der DP liegt selbstverständlich voll in einem Trend, nach dem Journalismus durch Passantenbefragungen in Fußgängerzonen ersetzt wird, Fakultäten und Forschungseinrichtungen den Erwerb einer Meinungsumfrage für wissenschaftliche Forschung halten, und Zeitungen, Rundfunksender und Umweltschutzvereine Umfragen kaufen, um ihre aktuellen politischen Standpunkte für den Preis einiger hundert Telefonaten oder E-Mails eine angeblich demokratische Legitimation zu verleihen. Doch für eine Partei ist ein solcher Schritt dennoch ungewöhnlich, auch wenn er die logische Fortsetzung der Internet-Umfrage Initiativ géint Steier­erhéijungen ist, mit der die DP im Frühjahr fremde Sparvorschläge sammelte, aber sich hütete, sie sich zu Eigen zu machen. Denn eine Partei, die Meinungsumfragen als Zeugen anrufen muss, vermittelt unweigerlich den Eindruck, dass sie unfähig ist, eigene Sparvorschläge auszuarbeiten oder in eigenen Worten die Regierung glaubwürdig zu bewerten.

Romain Hilgert
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