ADR

Vier-Varianten-Versuch

d'Lëtzebuerger Land vom 28.02.2008

Wenn sich die Delegierten der Alternativ demokratischen Reformpar­tei am Sonntag der Welt entrückt in einem kleinen Dorf an der Untersauer zu ihrem ordentlichen Parteitag treffen, ziehen sie auch ein wenig Bilanz des vor zwei Jahren mit großen Hoffnungen verbundenen Umbaus der Partei. Damals hatte das Rentneraktionskomitee kurz vor seinem 20. Geburtstag wieder einmal seinen Namen geändert und sich dabei auch noch gleich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen: aus dem ADR wurde die ADR.

Die Renovierung sollte eine jahrelang Pechsträne der einst von Sieg zu Sieg eilenden Rentnerlobby stoppen. Denn bei den Sozialwahlen 2003 ging die ADR-nahe NGL samt Fédération syndicale sang- und klanglos unter. Bei den Parlamentswahlen 2004 fiel die Partei von sieben auf fünf Mandate zurück. Beim Referendum über den Europäi­schen Verfassungsvertrag 2005 erntete sie mit ihrem Opportunismus nur noch Spott. Nach den Gemeindewahlen hatte sie landesweit noch fünf Räte übrig. Mit dem Parteiaustritt des Abgeordneten Aly Jaer­ling verlor sie dann auch noch ihr Frak­tionsstatut und damit Geld und Einfluss. Und der Abgeordnete Jean-­Pierre Koepp kann inzwischen sein Mandat krankheitshalber nicht mehr ausüben, tritt aber auch nicht zugunsten des Ex-Deputierten Jean Colombera zurück.

Auf den ersten Blick könnten die Delegierten also nur Hoffnung schöpfen. Und dies um so mehr, als laut den im Dezember vom Tageblatt veröffentlichten Meinungsumfragen die ADR einen 2004 knapp entgangenen Zentrumssitz wieder gewinnen würde. Doch in Wirklichkeit lag ihr Stimmenanteil in zwei von vier Bezirken noch immer unter dem Niveau der Wahlschlappe von 2004, in den beiden anderen gerade einen Punkt darüber.

Schlimmer aber dürfte sein, dass es der ADR in den zwei Jahren nach ihrer Runderneuerung und ein Jahr vor den Wahlen nicht gelang, ein neues politisches Profil zu finden. Denn nach der Abschaffung des traditionellen Pensionswesens im öffent­lichen Dienst und den am Rententisch beschlossenen Rentenerhöhun­gen in der Privatwirtschaft hatte sogar ADR-Präsident Robert Mehlen auf dem Erneuerungskongress 2006 festgestellt, dass „mit Renten kein Krieg mehr zu gewinnen ist“.

Deshalb verwandelte sich das ehemalige Rentnerkomitee relativ rasch und mit anfänglichem Erfolg in eine kleine, flinke rechtspopulistische Partei. In der Sparte Rechtspopulismus unter Luxemburger Verhältnissen probierte die ADR, bald nacheinander, bald gleichzeitig, vier Modelle aus:

Partei der Modernisierungsverlierer. Eine Zeit lang versuchte die ADR, als „Partei des kleinen Mannes“ die schon von Volksparteien und Berufsverbänden aufgegebenen Modernisierungsverlierer anzuziehen. Doch die Distanzierung vom NGL, der Austritt des ehemaligen NGL-Funktionärs Jaerling, der schrittweise Rückzug des ehemaligen NGL-Vorsitzenden Gast Gibéryen und die Wahl des Anwalts Roy Reding zum Generalsekretär förderten eher einen Kurswechsel hin zu rechtsliberalen, mittelständischen Positionen, wie sie Robert Mehlen schon immer verteidigte.

Skandalpartei. Viel von sich reden machen konnte die ADR als Saubermannpartei, die Skandale aufdeckt oder konstruiert, die als Antipartei den „Parteienstaat“ geißelt. Doch jene Partei, die einst mit der Valissen-Affäre dem CSV-Staat den Krieg erklärte und eine jahrelange Kampagne gegen die Fassadensteine des Pei-Museums führte, bringt es nicht fertig, eine politische Rolle in der derzeitigen Jagd auf die Bommeleeër zu spielen – die DP tut es ziemlich erfolgreich an ihrer Stelle. Aber die Antipartei, die sich plötzlich selbst Partei nennt, will nie wieder, wie nach der Valissen-Affäre, als Aussätzige behandelt werden. Auch wenn sie derzeit geschäftliche und politische Beziehungen zu einem Herausgeber von ziemlich unappetitlichen Skandalblättern unterhält.

Vaterlandspartei. Der Kampf für die nationale Identität, gegen Überfremdung und die Brüsseler Technokraten erschien bei der ADR-Wählerschaft vielversprechend. Doch das machte es den politischen Gegnern einfach, die ADR als rechtsradikale Partei darzustellen. Die Chance der Referendumskampagne um den Verfassungsvertrag konnte die ADR schon gar nicht mehr nutzen. Und mit dem Ruf nach einer aggressiveren Landesfahne und dem Primat der luxemburgischen Sprache füllt die CSV die Marktnische weitgehend aus.

Kleine konservative Partei. Die Modernisierung der CSV ging manchen ihrer Wähler in gesellschafts- und familienpolitischen Fragen zu rasch und zu weit. Deshalb versuchte die ADR, sich mit ihrem neuen Grundsatzprogramm an der ungedeckten rechten Flanke der CSV zu etablieren und als kleine, konser­vative Partei die von der CSV enttäuschten Wähler anzulocken. Das Votum der CSV gegen die Euthanasie ist aber auch eine Einladung an diese Wähler, zurückzukehren.

So probierte die ADR all diese Parteivarianten aus und keine so richtig, stieß immer wieder auf innere Widersprüche und äußere Widerstände. So dass das rechtspopulistische Projekt der ehemaligen Rentnerpartei ins Stocken geraten ist. Die Chancen, dass sich das noch bis Juni nächsten Jahres grundlegend ändert, stehen nicht besonders gut.

Romain Hilgert
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