Das Eingeständnis in der Ausgabe der Wochenzeitschrift Revue vom 12. Juni 2025, die bei Editpress-Tochter Éditions Revue SA erscheint, ist deutlich. Unter der Überschrift „In eigener Sache“ heißt es, für den Artikel „Schuften für das Dritte Reich“ in der jüngsten AutoRevue vom 28. Mai, die jeder Revue beilag, sei „einer unserer freien Mitarbeiter“ angegeben worden: „Weite Teile der Reportage enthalten allerdings Textpassagen eines Aufsatzes des deutschen Historikers Wolfgang Schmitt-Kölzer im Jahrbuch 2016 des Vulkaneifel-Kreises.“ Man könnte auch sagen: Mehr oder weniger alles war bettelesk abgeschrieben, abgesehen von einem rein redaktionellen Klammerzusatz und belanglosen Umformulierungen.
Es geht um die luxemburgischen Zwangsarbeiter beim Bau der Reichsautobahn in der Eifel in der NS-Zeit. An diese Opfer ist jahrzehntelang zu wenig gedacht worden. Es ist Schmitt-Kölzers Verdienst, darüber zu forschen. 2016 erschien sein Standardwerk Bau der Reichsautobahn in der Eifel (1939-1941/42): Eine Regionalstudie zur Zwangsarbeit. Die Fondation Robert Krieps bewirbt es auf ihrer Webseite als „lesenswert“ und weist darauf hin, dass das Buch in luxemburgischen Buchhandlungen erhältlich ist. Im Jahr 2018 berichtete Radio 100,7 ausführlich über eine Konferenz zu dem Buch. Umso erstaunlicher ist die Aussage in der AutoRevue, es handele sich um ein „wenig thematisiertes Kapitel der Geschichte Luxemburgs“. Damit erklärt man die Arbeit des deutschen Historikers für inexistent.
Für den Artikel in der AutoRevue zeichnet der pensionierte Lehrer Jean-Paul Hoffmann verantwortlich (er darf nicht mit einem Namensvetter verwechselt werden, der in Wirtschaft, Medien und Universitätsverwaltung tätig war). Laut Luxemburger Autorenlexikon tritt Hoffmann als „Schriftsteller, Sprachwissenschaftler, Literaturwissenschaftler sowie als Chronist der luxemburgischen Automobilgeschichte in Erscheinung“. Weshalb er seine langjährige und erfolgreiche publizistische Karriere durch ein Komplettplagiat beschädigt, bleibt im Dunkeln. Jedenfalls ist Schmitt-Kölzers Originalaufsatz im Internet frei zugänglich; es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis die Übernahme auffällt. Die übernommenen Textpassagen wurden, so heißt es in der neuen Revue, „aufgrund eines falschen Reflexes ohne Zitatnachweis übernommen und nicht unter Angabe der Quelle gemäß den Anforderungen des Urheberrechts kenntlich gemacht“. Freilich sehen wir hier keinen „falschen Reflex“, sondern eine Komplettübernahme, für die man den Originalautor hätte beauftragen müssen. Das war nicht geschehen. Hätte man Schmitt-Kölzer als Alleinurheber angegeben, wäre zwar der Plagiatsvorwurf entfallen, trotzdem eine Rechtsverletzung vorliegend, da der Historiker nicht um Einwilligung gebeten worden war. Immerhin erfolgt nun eine Entschuldigung mit Nachhonorierung.
Auch die im Beitrag enthaltenen sieben Fotos stehen in der Kritik. Sie wurden ohne Urhebernachweis abgedruckt. Der angebrachte Hinweis „Fotos Archiv Jean-Paul Hoffmann“ reicht nicht. Denn natürlich hat der 1957 geborene Hoffmann diese Fotos aus der NS-Zeit nicht selbst gemacht. So findet sich das Foto „Luxemburger Zwangsarbeiter auf der RAB-Baustelle bei Wittlich“ im Werk von Georg Als, Robert Als (1897-1991) aus dem Jahr 2003 auf den Seiten 134 und 135. Das Foto auf Seite 23 der AutoRevue mit der Benennung „Ein Dutzend Luxemburger Zwangsarbeiter“ findet sich ebenso bei Als. Es wird immer wieder genutzt, etwa in einer Ausgabe des Tageblatt vom Juni 2016. In dem dazugehörigen Artikel von Denis Scuto wird Wolfgang Schmitt-Kölzer übrigens genannt. Es wäre auch relevant zu wissen, ob die Bilder von Nationalsozialisten zu Propagandazwecken erstellt wurden. Das ist nicht ausgeschlossen, da man auf den Fotos gut gekleidete Menschen erblickt, teilweise mit einem Kaffee in der Hand, teilweise lächelnd. Von Folterungen erkennt man nichts. Man sieht die luxemburgischen Zwangsarbeiter vermutlich so, wie die Nazis sie abgebildet haben wollten.
Im Juni 2024 hielt der Historiker Stefan Hördler vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Göttingen einen Vortrag in Neumünster. Eingeladen hatten ihn MemoShoah und das Zentrum für politische Bildung. Es ging um seine Forschung zur regimetreuen, fotografischen Propaganda-Inszenierung. Im Anschluss schrieb Marc Thill im Luxemburger Wort sehr zutreffend: „Die Fotografie war damals ein aufwendiger Prozess, Fotos wurden daher viel bewusster gemacht als heute. Alle diese Bilder hatten einen Zweck: Die Fotografen trafen eine spezifische Bildauswahl und bedienten sich einer besonderen Bildsprache. Die ganze Wirklichkeit enthalten die Bilder nicht, und man muss sich fragen: Was waren die Motive, die nicht ausgewählt wurden, und die nicht vor die Kamera kamen?“ Bei Fotos aus der NS-Zeit muss man somit sehr aufpassen, dass man nicht ungewollt Nazi-Propaganda mit übermittelt. Das soll an dieser Stelle der Revue keinesfalls unterstellt werden, aber aus dem genannten Grund muss man die Herkunft von Fotos einordnen statt verschleiern.
Plagiator Jean-Paul Hoffmann ist der Sohn des im Jahr 2000 verstorbenen Kulturkritikers Fernand Hoffmann. Ihm hatte Robert Thill im Lëtzeburger Land vom 22. September 1989 „Plagiat als Methode“ nachgewiesen. In einem Essay Fernand Hoffmanns über Robespierre waren große Teile aus der 1935 erschienenen Biographie von Friedrich Sieburg abgeschrieben. Der Essay war – „geraffter, sprachlich gepflegter, stärker mit Eigenem garniert“ (so Thill) – auch in der deutschen Zeitschrift Stimmen der Zeit vom Januar 1989 erschienen. In der Hoffmann-Biographie des luxemburgischen Autorenlexikon findet sich dazu nichts. Höfliches Verschweigen, auf das auch der Sohn hoffen darf. Die Revue indes hat so schnell wie vorbildlich reagiert und nimmt „diesen Vorfall zum Anlass, unsere internen Abläufe im Umgang mit Quellenangaben zu überprüfen und künftig noch sorgfältiger auf die korrekte Kennzeichnung fremder Inhalte zu achten“.