Scold & Schäin

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d'Lëtzebuerger Land vom 19.11.2009

„Text-Schierbelen“, „Textcollage“, „Museks- an Tounkollage“ – zudem: Kleist meets Dicks. Ein recht grausiges Sammelsurium um den Nationaldichter steht im Angebot. Sollte man dem großen Namen nicht anders Herr geworden sein als im Töpfezerschlagen und in der Fragmentdarstellung? Wie sollte man ihm in einer zeitgenössischen Inszenierung gerecht werden, dem „groussen Hexemeeschter Dicks“, der Person Edmond de la Fontaine, dem weitläufigen literarischen Werk, seiner unwegsamen Vita und dem ewig hallenden Ruf als unser aller „Nationaldichter“?

Parallel zur Ausstellung im Centre national de littérature in Mersch eine umfassende Bühneninszenierung von Dicks-Texten und -Stücken zu bieten, schien logisch angesichts der Unmenge an privaten Dokumenten, Gedichten, Theaterstücken, fachliterarischen Werken und Musikkompositionen, die de la Fontaine nach seinem Tode im Jahre 1891 in Vianden hinterließ. Wollte man sich nicht nur eines seiner bekanntesten Bühnenwerke, wie De Scholdschaïn oder D’Mumm Séiss, herauspicken und alles andere außer Acht lassen, blieb dem Regisseur nur die eigens zusammengesetzte Collage der verschiedenen Text- und Tonelemente übrig.

Claude Mangen hat sich der komplexen Aufgabe angenommen und zeichnet verantwortlich für die Produktion des Merscher Kulturhauses Schold [&] Schaïn. Wenn den Regisseur Mangen eine Eigenschaft auszeichnet, dann ist es wohl die, dass er seine Arbeit wie kaum ein zweiter in Luxemburg ganz in den Dienste des Autors stellt. Mit einer gewissen Bescheidenheit der Inszenierung setzt sich der Regisseur zurück, um dem Zuschauer mit den bestmöglichen Mitteln die Freude an den Dialogen, am Schauspiel, am gesamten Bühnenerlebnis wie ein Geschenk zu vermitteln. 

Bei Mangen kommt man nicht aus dem Saal und sagt sich „Typische Mangen-Inszenierung!“. Doch hat man ein in Erinnerung bleibendes Bühnenspektakel erlebt, vergessene Dialoge und Texte der luxemburgischen Sprache mit Genuss entdeckt, ein Werk von Marcel Reuland oder Pol Greisch in einer klugen Regiearbeit gesehen. Claude Mangen scheut den Schulterschluss mit dem „populären Volkstheater“ nicht. Warum sollte man sich auch nicht der Elemente bedienen, die den Theaterbesuchern seit jeher gefallen: gute Gesangseinlagen, schöne Kostüme, spritzige Inszenierung, feiner Humor, gepaart mit einigen heftigen Kalauern?

Schold [&] Schaïn bietet all dies. Das Paket ist so vortrefflich zusammengeschnürt, dass sich auch der erklärte Nicht-Freund des populären Theaters dem Charme der darstellerischen Kraft dieses Spektakels kaum entziehen kann. Mangens erster Geniestreich ist die Besetzung: Erstaunlich genug, der gebürtige Belgier Frédéric Frenay in der Rolle des Edmond de la Fontaine, alias Dicks. Frenay spielt diese reale Figur, als hätte er sein ganzes Leben nur auf diese Paraderolle als Reinkarnation des kauzigen, mitunter schwierigen Schriftstellers und Friedensrichters gewartet. Frenay ist Dicks: „e wéineg mockeleg, hat rout Hoer, Speechelen am Gesicht, huet gehippt an sech beim Schwätze gestouss“, zudem im besten Sinne mehrsprachig, in Luxemburgisch, Französisch und Deutsch. 

Die anderen vier Darsteller schlüpfen sowohl in Rollen aus dem realen Leben des De la Fontaine, als auch in Figuren seiner Theaterstücke und anderer literarischer Werke. Dass von den vier Schauspielern drei klassisch ausgebildete Sänger sind, zeigt sich als weitere gute Wahl der Regie: Manou Walesch, Benoît Delvaux und Carlo Migy. Zu ihnen gesellt sich Sonja Neumann, die man in den vergangenen Jahren eher im Theater gesehen hat. Die Musikarrangements von Serge Tonnar machen die Gesangseinlagen Schold [&] Schaïn zu einem mitreißenden Bühnenerlebnis, das das gesamte Leben und Werk des Edmond de la Fontaine in seiner Vielfältigkeit, mit seinen Höhen und Tiefen, zu erzählen weiß. Als Grundlage der Dialoge und Lieder dienten sowohl persönliche Briefe an Dicks und von Dicks, Auszüge aus Gedichten und Liedertexten, aus mittlerweile vergessenen Werken wie aus den heute noch beliebten Gassenhauern à la D’Kadette vun der Sprëtz oder D’Pierele vum Daag. 

„Was man von ihm verlangte, war Amüsement“, schrieb ein Kritiker zu Lebzeiten Dicks’, und auch wenn dies dem Kritiker nicht gefallen wollte, dem Volke gefiel es – damals wie heute. Dass man uns auch noch einen mit den Haaren herbeigezogenen, und deshalb eigentlich überflüssigen Bezug zu Kleists Zerbrochenem Krug herstellt, und Meister Adam mit Dicks und Frau Marthe mit dem Hexemeeschter auf die Bühne bringt, dient der Sache nicht, tut aber auch der Freude am „Lustspiel“ keinen Abbruch.

Schold [&] Schaïn, unter der Regie von Claude Mangen, mit Sonja Neumann, Manou Walesch, Fred Frenay, Benoît Delvaux, Carlo Migy, Chor INECC, mit Musikkollagen von Serge Tonnar, Kostüme von Ulli Kremer, Maske: Joël Seiller, Bühne von Ralph Waltmans, in Kooperation mit einem Team von Défi-Job. Weitere Vorstellungen am 21. November um 20 Uhr, am 22. November um 17 Uhr, am 5. und 5. Dezember um 20 Uhr und am 6. Dezember um 17 Uhr. Reservierung beim Merscher Kulturhaus, www.kulturhaus.lu, unter der Telefonnummer: 4708951 oder bei Luxembourgticket.lu.

Anne Schroeder I
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