Nachhaltiger Städtebau

Düdelingen als Beispiel

d'Lëtzebuerger Land vom 21.10.2010

Neischmelz heißt das Projekt, das in Düdelingen von sich reden machen dürfte. Es ist in mehrerlei Hinsicht ein Pilotvorhaben. Auf dem ehemaligen Arbed-Hochofengelände soll in den kommenden Jahren ein neues Stadtviertel entstehen. Im Unterschied zu Belval jedoch liegt die Düdelinger Industriebrache nicht abseits der bestehenden Siedlungen, sondern mitten im Stadtgebiet. Eine Brache nicht nur neu zu bebauen, sondern sie einzufügen ins Ensemble der Quartiers, darunter so populäre wie Little Italy, wurde hierzulande noch nie versucht.

Neischmelz soll aber auch ein Modell für besonders umweltfreundliches, energiesparendes und nachhaltiges Bauen werden, mehr noch: für nachhaltige Stadtplanung. „Die besondere Herausforderung besteht darin, jene Flüsse, die später das Leben im neuen Viertel ausmachen werden, von vornherein so umweltschonend und effizient wie möglich auszulegen“, sagt Christian Rech, der das Vorhaben koordiniert. Damit seien die Flüsse von Energie, Wasser, Abwasser und Abfall gemeint, doch ebenso die Informationsflüsse durch Telekomnetze sowie die Mobilität der Bewohner.

Rech ist Ingenieur und Bauberater beim Zement- und Klinkerproduzenten Cimalux s.a., aber auch Präsident des Clusters EcoInnovation. Dort haben sich Anfang 2009 über 250 Akteure zusammengetan, um Innovationen und Entwicklungen in Ökotechnologien zu fördern. Unter ihnen sind 188 Unternehmen, doch ebenfalls Einrichtungen wie die Forschungszentren Henri Tudor und Gabriel Lippmann sowie die Universität Luxemburg. Neischmelz ist das erste und zugleich das föderierende Projekt für den Cluster. In Düdelingen werde es so viel zu tun geben, „dass jeder zu seinem Business kommt“, ist Rech überzeugt. Ohne die Idee zu Neischmelz wäre es nicht einfach gewesen, einen gemeinsamen Nenner für ein Vorhaben zu finden, dem kleine Öko-Hightech-Firmen sich ebenso anschließen können wie der Stahlkonzern Arcelor-Mittal oder der Luxemburger Betrieb von DuPont de Nemours.

Neischmelz soll schnell angeschoben werden. Das Konzept des Architektenbüros Christian Bauer zur Einbindung eines Teils der alten Hochofenanlage in das neue Ensemble liegt schon vor. Anfang kommenden Jahres soll der stadtplanerische Leitplan fertig sein. Man werde in jeder Projektphase darauf achten, alle Beteiligten an einen zu Tisch bringen, sagt Rech. „Wir wollen verhindern, dass Teilbebauungspläne geschrieben werden, die nichts miteinander zu tun haben, und dass ein Plan Probleme für den nächsten schafft.“

Als Bauherrn fungieren zunächst der Fonds de logement sowie die Société nationale pour l’habitation à bon marché. Auch die Gemeinde Düdelingen ist beteiligt, wenngleich nicht als Investor. Nach der Fertigstellung des Quartiers wird Düdelingen die Grundstücke von Arcelor-Mittal übernehmen. Die öffentlichen Träger sollen das Projekt lancieren. Anschließend würden private Investoren gesucht, „die an Neischmelz glauben“, sagt Rech, der schätzt, dass die Fertigstellung sich zehn bis 15 Jahre hinziehen dürfte. Kurzfristig soll eine Fußgängerverbindung zur Industriebrache eingerichtet werden. „Die Bürger können so das Gelände, zu dem bisher der Zutritt verboten ist, kennen lernen.“ Außerdem werde der Bahnhof Dudelange Usines damit ohne Umweg zu Fuß erreichbar.

Vergangene Woche hat Rech Nei-schmelz im Rahmen der Luxembourg Economy Days auf der Expo 2010 in Shanghai vorgestellt. „Ich habe mich zunächst schon gefragt, ob wir auf der Weltausstellung und in einer Millionenmetropole wie Shanghai wirklich etwas Neues werden mitteilen können“, räumt er ein. Das Interesse nicht zuletzt chinesischer Teilnehmer am Vortrag sei jedoch sehr groß gewesen. Vielleicht, weil chinesische Städte häufig vor dem Problem stehen, eine alte Industriearchitektur in bestehende urbane Gefüge zu integrieren. Vielleicht, weil in China sich Nachhaltigkeitsprobleme noch ungleich schärfer stellen als hierzulande.

Letztlich soll Neischmelz auch der heimischen Baubranche neue Wege weisen. Für die Realisierung des Projekts werde die Branche sich viele neue Technologien aneignen müssen. Habe man sie integriert, könne man sie verkaufen. Im Hinblick darauf fiel die Wahl auf Düdelingen nicht ganz zufällig: Frankreich ist nicht weit. Dort, so Christian Rech, sei die Nachfrage für nachhaltiges Bauen und nachhaltigen Städtebau groß. Bisher, sagt er, würden solche Fragen häufig am Beispiel von Öko-Quartiers in Städten wie Freiburg studiert. Künftig, hofft er, könnte auch Düdelingen eine Besichtigung wert sein.

Peter Feist
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