Luxemburgensia

Wohlstand und Langeweile

d'Lëtzebuerger Land vom 12.05.2017

Man kann ihn fast verpassen, eingeschlagen in den aufklappbaren Buchdeckel eines neuen Bandes bei Capybarabooks, – den ominösen Schriftzug mit dem explodierten Andreaskreuz, der Luxemburg zur Marke machen soll. Mit ein paar typisch luxemburgischen Werbeartikeln wie hässlichen Schals und klobigen Espressotassen war es also nicht getan. Sicher ein Grund zur Erleichterung! Obwohl der ehemalige Premier kürzlich in einer Rede verkündete, die Bedeutung des Englischen schwinde in Europa, darf das Nation branding weiterhin unter dem unbestimmt dynamischen Motto „Let’s make it happen“ über die Grenzen getragen werden, neuerdings mittels Produkten von etwas größerer Aussagekraft als selbstklebende Briefmarken.

Bei dem bezuschussten Werk handelt es sich um einen „Reisebegleiter“ für Luxemburg, wie sich die etwas demokratischere Variante einer beliebten Buchsorte nennt. Das Buch verzichtet bewusst auf eine strenge Systematik und den Anspruch, alles entfernt Sehens- und Erlebenswerte aufzulisten. Das Buch enthält vielmehr eine lockere Mischung von Bildern, Tipps für Touristen, Erfahrungsberichten, Interviews, Beschreibungen von Sehenswürdigkeiten und historischen Hintergrundinformationen über das „einzigartigste Großherzogtum der Welt“. Zur Orientierung dienen lediglich eine Luxemburgkarte am Anfang und die Angabe der Region. Dass Susanne Jaspers und Georges Hausemer mit diesem im eigenen Verlag herausgebrachten Band eine ironische Herangehensweise pflegen wollen, unterstreicht der Untertitel deutlich genug. Das „einzigartigste Großherzogtum“ ist Luxemburg schließlich genauso unbestreitbar wie das interessanteste, das sonnigste, das langweiligste und das regnerischste Großherzogtum der Welt – es gibt ja nur eines. Der unkundige Leser (sprich: der potenzielle Tourist) ist damit gewarnt, nicht alles für bare Münze zu nehmen, was ihm die Autoren über das Land der Banken und Finanzskandale erzählen, etwa wenn von „Industriemetropolen“ die Rede ist oder von Schlossgärten, die es mit Versailles aufnehmen könnten.

Wie schon in ihrem Buch über San Sebastián setzen Jaspers und Hausemer auf eine bunte, abwechslungsreiche Aufmachung mit zahlreichen Fotos und grafischen Elementen. Die Wahl der vorgestellten Orte orientiert sich zum einen an dem, wovon ein Besucher mit mäßigem Vorwissen womöglich bereits gehört hat, also etwa der Hauptstadt, Schengen, Vianden und Echternach, wird andererseits aber nicht weniger von den Vorlieben der Autoren geleitet. So erfährt der Leser auch Abwegiges und Irrwitziges, beispielsweise wie man mit einer „putzigen“ Fähre von Wasserbillig nach Oberbillig kommt, welcher gutgemeinte Quatsch Besucher im Bankenmuseum der Sparkasse erwartet und wo es in Luxemburg-Stadt den besten portugiesischen Mittagstisch gibt. Nicht ausgeschlossen, dass auch Einheimische sich die eine oder andere Anregung für einen Tagesausflug holen, zur Girsterklaus vielleicht oder ins Musée Tudor nach Rosport.

Was aber ist das Land ohne seine Leute? Vermutlich ein gediegenerer Ort, möchte man nach der Lektüre antworten. Glaubt man den Autoren, ist der Luxemburger ein tendenziell geschichtsvergessener und stilloser, ein jedenfalls ungehobelter Zeitgenosse, der sein Essen entweder unter Käsebergen begräbt oder beim „Zappen“ im Kaffee ertränkt, bedeutende Kulturstätten verfallen lässt und auch Wildfremde auf einfache Nachfrage hin über jedes seiner Wehwehchen und Zipperlein minutiös aufklärt. Dass sie dieses Porträt zumindest teilweise ernst meinen, zeigen Jaspers und Hausemer mit nachdrücklichen Hinweisen auf den Verfall von Kulturstätten, unter anderem in ihrer Darstellung des Schlosses Colpach, der einstigen Begegnungsstätte zwischen Autoren aus Luxemburg und dem Ausland. Wenn es um die Wertung geht, lassen sie allerdings generell gern anderen Stimmen den Vortritt. Eingesprengt im Buch finden sich viele Aussagen ausländischer Autoren und Kulturschaffender, die teils in Interviews, teils in zu Bonmots zurechtgestutzten Zitaten ihre Meinung über dieses schönste und grässlichste aller Großherzogtümer zum Besten geben. Von einer Stadt in Deutschland sprechen die einen, von einem Land in Afrika die anderen. Einige halten Luxemburg für das glücklichste oder erotischste (...) Land der Welt, anderen – wie dem österreichischen Schriftsteller Josef Haslinger – scheint „die Idee von großem Wohlstand in Verbindung mit Langweile“ besonders prägend. Die vielleicht bedenkenswerteste, wenn auch nicht leicht für Marketingzwecke verwendbare Aussage stammt von Benoît Majerus. Auf die Frage, was für ihn typisch luxemburgisch sei, antwortet der Historiker: „Dass es nichts typisch Luxemburgisches gibt“.

Georges Hausemer, Susanne Jaspers: Luxemburg. Das einzigartigste Großherzogtum der Welt. 252 S. Capybarabooks, Luxemburg 2017.
ISBN 978-99959-43-11-0

Elise Schmit
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