Kino

La règle du jeu

d'Lëtzebuerger Land vom 13.09.2019

Ihre Hochzeitsnacht hat sich die junge Grace (Samara Weaving) bestimmt anders vorgestellt. Kaum hat sie den charmanten Alex (Mark O’Brien) geheiratet und ist so Teil der überaus wohlhabenden Familie Le Domas geworden, da muss sie auch schon die sonderbaren Praktiken dieses Familienclans kennenlernen. Es ist nämlich Brauch bei den Le Domas, dass jedes neue Familienmitglied bei der Hochzeit an einem Spiel im Kreise der Familie teilnehmen muss. Dumm nur, dass Grace ausgerechnet das Spiel Hide and Seek ausgelost hat, denn die Spielregeln sehen vor, dass es auf Leben und Tod bestritten werden muss und die frisch vermählte Braut bis zum Morgengrauen sterben soll ...

Es ist grausige und blutige Gewalt, die das Regie-Duo Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett in Ready or Not auf das Publikum loslassen, aber die Gewalt ist stets überdeutlich ironisch gebrochen. Daran hat vor allem das Schauspielensemble erheblichen Anteil, das bis in die Nebenrollen hinein so nachdrücklich an der Parodie ist, dass man diesem unverhohlen selbstironischen Film kurzweilige Momente abgewinnen kann.

Vor diesem Hintergrund der in sich zerfallenden Familie findet die mit Gewalt und Tücke geführte Auseinandersetzung zwischen der jungen Braut und der Familie Le Domas statt. Dabei sind die zentralen Spannungslinien zwischen den einzelnen Figuren klar gezeichnet, denn immerzu droht der Konflikt zwischen individueller Selbstbestimmung, familiärer Ordnung und Traditionsbewusstsein. Von Aberglauben getrieben, terrorisiert das Familienoberhaupt Tony Le Domas (Henry Czerny) mit seinen Familienangehörigen den Neuzugang, während Grace in einem Prozess des Widerstandes über sich selbst hinauswächst. Es ist sicherlich nicht die beste, geschweige die normalste der Familien, in die sie da eingeheiratet hat, aber diese Nacht wird für sie zum Prüfstein ihrer selbst.

Als großäugige, dauerhaft kreischende Braut droht Samara Weaving dabei dem Klischee der puppenhaften und völlig naiven Blondine anheimzufallen, doch Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett inszenieren sie mit genügend Ambivalenz, so dass sie den Film mit einer Mischung aus Opfer- und Täterrolle tragen kann. Für das Publikum wird hier Angst und Schaulust so verbunden, dass beides gemeinsam die narrative Bewegung nach vorn ausmacht und man diesem Spiel von Ausbruch und Aufbruch fiebernd folgt. Das ist ein bitterböser Abgesang auf die ultra-reiche amerikanische Oberschicht, sowie auf zeremonielle Bräuche, indem formelhafte Wendungen wie „Bis dass der Tod uns scheidet“ wörtlich genommen werden und so für zynisch-humorvolle Unterhaltung sorgen.

Wie einst der finstere Graf Zaroff in The Most Dangerous Game (1932) Jagd auf Schiffbrüchige machte, sind auch die Le Domas noch von diesem Spieltrieb besessen. Doch wo der von der RKO im Jahr 1932 produzierte Film noch in der Anfangsphase des klassischen Horrorkinos anzusiedeln ist, tatsächlich Furcht einflößen und entsprechende Affekte hervorrufen wollte, da zeichnet sich der von Fox Searchlight produzierte Ready or Not durch einen äußerst schauerlichen Genremix aus, der sich allerlei Versatzstücken bedient und sie so zusammenfügt, dass die Trennschärfe zwischen Horror-Schockmomenten und komödiantischer Satire sich auflöst – so unverhohlen dreist kombinieren Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett Gruselmomente des Gothic-Horror mit Splatter-Einlagen und verdichten sie mit einem Gestus der satirischen Überzeichnung, dass der schwarze Humor in nahezu allen Szenen zutiefst spürbar wird.

Stellt man eingedenk dessen noch in Rechnung, dass auch ein Film wie Peter Jacksons Braindead (1992) mit ähnlich schwarzem Humor und mit noch krasseren brutal-komischen Blutexzessen für Furore sorgte, und so eine wahre Anhängerschaft nach sich ziehen konnte, dann ist es durchaus vorstellbar, dass auch Ready or Not zum Kultfilm avancieren könnte.

Marc Trappendreher
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