Man fühlt sich in eine Turnhalle versetzt. Die Bühne wird zum Trainingsraum, in dem sich zehn Figuren warmlaufen werden. An den Rändern der Bühne baumeln Boxsäcke. Auf die schlagen die Tänzer mit präzisen Faustschlägen und zu metallischen Klängen ein. Auch seilspringend wärmen sie sich auf. Im Hintergrund der Bühne blicken die blutunterlaufenden Augen eines Boxers von einer Leinwand.
In (B) haben die beiden Choreografen Koen Augustijnen und Rosalba Torres Guerrero Modernen Tanz und Boxelemente vermischt und lassen in dem Stück vier Profiboxer auf sechs Tänzer treffen. Gemeinsam gehen sie bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und loten im Training aus, wann Boxen zum Tanz wird. Die Bühne wird zum Boxring, Tanz ist in dieser Choreografie ein Schatten-Kampf. Mal scheinen die Boxer mit sich selbst zu kämpfen, mal treffen Paare aufeinander und verkeilen sich ineinander, mal verschmelzen Boxschläge mit den sanften Klängen eines Paso Doble.
In dem knapp eineinhalb Stunden langen Stück liegen Trainingsschweiß und Aggression in der Luft. Dynamische Videoaufnahmen athletischer Menschen wirken in ihrer Überästhetisierung bisweilen wie Adidas-Werbespots. Dann rücken die Köpfe auf der Leinwand zusammen und verschmelzen zu einem, während ein schwerer Boxer auf einen Trainingssack einschlägt.
Es geht ums Gewinnen und Verlieren. „Winning – Loosing!“, flüstert eine Boxerin in ein herabhängendes Mikrofon: ein Monolog ums Siegen und Besiegt werden. Aus dem Off ertönen knurrend-fauchende Geräusche. Die Athleten boxen ins Leere und drehen Pirouetten. Ein Boxer lässt die Muskeln spielen, stellt seine Maskulinität zur Schau, während zwei der Kämpfer sich aufeinander zubewegen. Auf der Leinwand eine Menge jubelnder Zuschauer, die gestikulierend in den Ring rufen und die Boxer anfeuern.
Die Boxwelt besteht aus knallhartem Training, Konkurrenz, Schweiß und Blut, und hinter der Fassade suchen die gebrechlichen Körper beieinander Zuflucht. Der Kollaps eines Boxers auf der Bühne symbolisiert die Gefährlichkeit dieses Kampfsports. Man folgt dem schnaufenden Paarspiel von zwei Boxerinnen, sieht, wie eine am Boden zusammenbricht, die andere sich auf sie stürzt und sich in sie verkeilt. Ein Paar flirtet boxend miteinander. Sie tanzt um ihn herum – ein Verführungsspiel der anderen Art. Boxen geht über in Salsa und Tango. Der harte Sound der Faustschläge kontrastiert mit klassischer Musik, während das Paar im Boxring lasziv umeinander streicht. Schließlich Travestie-Elemente: Da spaziert ein Mann im Trainingsanzug und schwarzen Lack-High-Heels im Ring herum. Die sinnlichen Klänge von Astor Piazzolla legen sich über den Sound von Rocky.
Eine Frau spricht in ein Mikrofon: „I wake up in the morning and I already fight with myself.“ Die Welt als ewiger Kampf! Denn nur wer schlägt, spürt sich, kann sich lebend fühlen. Am Ende steht ein Zweikampf, bei dem das Kunstblut spritzt. Und selbst nachdem der Gegner ausgeknockt ist, boxt der Sieger noch lange ins Leere. „Boxen ist der härteste und einsamste Sport der Welt“, so die Message. Doch spätestens, wenn zwei blutende Körper ineinander verkeilt über die Bühne rollen, zum Ausklang Soul und Hiphop erklingt und ein kehliger Monolog abgehalten wird, stellt sich auch beim Zuschauer die Erschöpfung ein. (B) ist ein Stück, das durch viele starke, jedoch fragmentierte Szenen zu beeindrucken vermag, letztlich aber zu überfrachtet ist. Zurück bleiben der Eindruck eines athletischen Werbespots und ein Gefühl der Leere.