Textfetzen. Vor allem Textfetzen. Halbe Sätze, unvollendete Gedanken, zusammenhanglos aneinander gekettete Geschichten. Und dann manchmal großartige Perlen wie: „Ein Mensch, komplett mit Watte gefüllt“; „Es ist mein erstes Abendkleid und ich bin sehr enttäuscht“; „Man müsste seine Gefühle aufs Ausgangsstadium zurücksetzen können“; „Ich habe immer Kopfhörer auf. Auch ich habe das Recht, mich nicht für euch zu interessieren“; „Ich lese meine eigene Vita, die mich selbst sehr beeindruckt“ und besonders: „Warum redest du über Marmelade, wenn die Welt brennt?“. Felicia Zellers neuestes Stück Zweite allgemeine Verunsicherung, 2016 geschrieben und unter der Regie von Johanna Wehner in Frankfurt uraufgeführt, ist keine leichte Kost. Es widmet sich dem zeitgenössischen Selbstzweifel der Menschen, ihrer inneren Leere in Zeiten der instant gratification auf sozialen Netzwerken. Zellers Originaltext bestimmt weder Figuren noch Dialoge, sondern besteht aus zerfetztem, in viele Abschnitte und acht große Kapitel/Spielorte aufgeteiltem Fließtext. Johanna Wehner hat das Stück mit fünf Schauspielern besetzt. Der deutsche Regisseur Jens Bluhm – der zuletzt Anouk Wagener in Thomas Melles Ännie am gleichen Theater inszenierte –, kommt mit drei Schauspielern aus: Eugénie Anselin, Dominik Raneburger und Anouk Wagener. Besonders die Frauen retten ihn.
Denn das Stück ist, Entschuldigung, weder interessant, noch besonders tiefgründig, und noch weniger relevant. Wenn das Showbusiness sich nur noch für sich selbst interessiert, ist es immer (oder zumindest meistens) stinklangweilig. Dabei hatten wir Felicia Zeller zuletzt durch Marion Poppenborgs Inszenierung ihrer Sozialkomödie Kaspar Häuser Meer, 2013 am Escher Theater, durchaus ins Herz geschlossen. Sie habe sich, erklärte die 1970 geborene Autorin in einem im Programmheft abgedruckten Gespräch mit Theater heute, an Tschechows Iwanow und seine „narzisstisch gestörte Depression“ angelehnt. Ihre Figuren zweifeln schon, wenn wir das Theater betreten: auf dem roten Teppich, der im Eingangsbereich ausgelegt ist, interviewen sich die Protagonisten, slighty overdressed in ihren Galakleidern, gegenseitig über ihre Selbstzweifel und ihren Drang, sich zu entschuldigen. „Ich bin ein Mensch, ich bin ein Mensch, ich bin schon erwachsen, ich bin schon erwachsen, ich bin okay, das ist mein Mantra, das ist mein Mantra...“ etc. Bluhm wiederholt die Wiederholung ad infinitum. Nein, ad absurdum. Bis es grotesk wird.
Und diese Groteske wird den Abend schlussendlich retten. Wenn sie eingespielt sind, mit so manchen Körperübungen und Stunts, sind die Schauspieler durchaus amüsant. Besonders Eugénie Anselin in ihrem feuerroten Rüschenoverall (Ausstattung: Marie-Luce Theis) und Wagener in ihrem Glitzerdings. So sehr hatten sie sich auf diese Preisüberreichung gefreut, doch jetzt erinnern sie sich nicht mehr an die Namen der Preisträger, vermissen sie die alte Dame von nebenan, wollen nicht mehr gefilmt werden oder filmen selbst frenetisch alles vom roten Teppich aus mit dem Smartphone. „Früher waren diese Preisverleihungen eine Gelegenheit, einfach gut auszusehen“, findet Anouk Wagener. Und jetzt... Jetzt?
Wagener und Anselin drehen einfach auf. Wenn das Ganze Preisgetue schon keinen Sinn ergibt, kann man sich wenigstens amüsieren. Wenn Anouk Wagener also Anleitungen für die Reden der Preisempfänger gibt, sie allerdings falsch betont – mit einem breiten Luxemburger Akzent – und falsche Pausen setzt, ist das ein Schenkelklopfer. Oder Eugénie Anselin in der Loge: „et ass mir egal, ech sinn hei am Comité, ech kréie meng Gage“ – mit diesem leicht gelangweilten Blick des selbstsicheren hiesigen Kulturschaffenden, bringt Zellers Text zusätzliche Tiefe. Danach geht es ins Luxushotel oder zu den „Bottroper Powertagen“ und Langeweile, Leere, Selbstzweifel, Unsicherheit und Wiederholung werden nur noch weiter überspitzt. Wie in einem Kaleidoskop, der bekanntlich bewundernswerte Formen entstehen lässt, jedoch komplett sinnfrei ist. josée hansen