Im Laboratoire national de Santé macht sich das ­Personal Sorgen. Die Umwandlung des Staatslabo in ein Établissement public steht bevor, was das Labor später tun soll, aber noch nicht fest

Jetzt wird reformiert!

d'Lëtzebuerger Land vom 14.10.2011

Die Personalvertreter des Laboratoire national de santé empfangen ihren Journalistenbesuch in einem Containerbau. Hier, im Hauptstadt-Quartier Verlorenkost, entstand zwischen 1903 und 1907 das erste Gebäude für das damalige Laboratoire pratique de la Bactériologie. Heute ist das LNS, das Staatslabo, auf neun Standorten in der Umgebung verstreut, und auf den ersten Containerbau 1992 folgte mit den Jahren einer nach dem anderen. Kein Wunder, dass die schlechte Wohnlage des LNS schon lange legendär ist.

Aber immerhin: Der Bau, in den die LNS-Personaldelegierten ihren Besuch gebeten haben, weil dort ein versammlungsraum frei ist, sieht so schlecht nicht aus. Er besteht aus zwei Türmen, die drei Etagen hoch sind und auf einer Stelzenkonstruktion ruhen; Twin Towers für die Bio-chemie. Und in Düdelingen, im Frankelach, entsteht unterdessen der Neubau für das LNS. Endlich. Das Gesetz dazu erging 2003 unter der damaligen Bautenministerin Erna Hennicot-Schoepges (CSV). Den Grundstein für die Baustelle legte erst ihr Nachfolger Claude Wiseler (CSV) Anfang 2009. Geht alles gut, wird der erste Teil des Neubaus Anfang 2013 fertig.

Bis es so weit ist, macht im Laboratoire national de santé aber eine andere weit reichende Neuerung von sich reden – und die bereitet den Personaldelegierten Sorgen. Das Staatslabo soll von der Staatsverwaltung beim Gesundheitsministerium in eine öffentliche Einrichtung umgewandelt werden. Der Gesetzentwurf dazu liegt seit Mitte August im Parlament. Die Regierung ließ so viel Transparenz walten, dass sie dem Text nicht nur die Stellungnahme der Staatsbeamtengewerkschaft CGFP als Anhang beifügte, sondern auch ein Schreiben der LNS-Personaldelegation. Beide sind gegen einen Wechsel des Statuts.

Fränk Maas, der Präsident der Personaldelegation, fürchtet um den Frieden im Betrieb: „Wir werden hier dann vier Anstellungsverhältnisse haben – Staatsbeamte, Staatsangestellte, Staatsarbeiter und privat Beschäftigte. Das könnte böses Blut geben.“ Schlimmstenfalls könnte das sogar die Personaldelegation zerreißen, wie im Centre hospitalier neuropsychiatrique in Ettelbrück: Als die staatliche Nervenheilanstalt vor Jahren in eine öffentliche Einrichtung umgewandelt wurde, kamen zwischen Staatsdienern und Privatangestellten so große Probleme auf, dass für jede Seite eine Interessenvertretung gebildet werden musste. So blieb es mehrere Jahre.

Dass solche Befürchtungen im LNS nicht unberechtigt scheinen, liegt daran, dass die Umwandlung in eine öffentliche Einrichtung nicht zuletzt geschehen soll, um besonders hoch qualifizierten wissenschaftlichen Mitarbeitern Gehälter bieten zu können, die jenseits von dem liegen, was Staatsgehältertabellen vorsehen.

„Uns mangelt es zum Beispiel an Pathologen und klinischen Biologen“, sagt LNS-Direktor René Scheiden. Um die fände in Europa ein regelrechtes Headhunting statt. Sie zu rekrutieren, sei für das LNS als Staatsverwaltung einerseits wegen der Sprachenklausel überaus schwierig, andererseits wegen der Gehälter. „Für einen Pathologen aus einem Nachbarland, der sich bei uns bewarb, errechneten wir ein Anfangs-Staatsgehalt von knapp 6 000 Euro. Daraufhin war das Bewerbungsgespräch beendet.“

Von solchen Fallbeispielen hört die Personalvertretung gar nicht gerne. Denn wenn es um so „wettbewerbsfähige“ Gehältersummen geht, könnte es am Ende viele Statuten in einem Établissement public LNS geben. Zumal der Gesetzentwurf vorsieht, den Staatsbediensteten im Labor die Wahl zu lassen, ihr öffentliches Statut zu behalten oder aufs Privatstatut zu wechseln. Ob, wer ein Staatsstatut hat, darauf tatsächlich nicht verzichten wird, dürfte eine Frage des Alters sein, aber auch eine der Qualifikation im Vergleich zu Kollegen, die auf dem Welt-Arbeitsmarkt gefunden wurden.

Doch die Personalprobleme im LNS sind so groß, dass auch der Gesundheitsminister, der vor sechs Jahren zunächst den Statutenwechsel für das LNS ankündigte, dann der CGFP entgegen kam und die Beibehaltung der Staatsverwaltung versprach, im Herbst letzten Jahres endgültig umschwenkte. Zuvor hatten Ärzte und Krankenhäuser zunehmende Verzögerungen bei Tumoranalysen durch das LNS beklagt – ein Ausdruck des Pathologenmangels. Und auf eine „Ausnahme“ in den staatlichen Gehälterbestimmungen für besonders hochqualifizierte LNS-Mitarbeiter konnte der Regierungsrat sich nicht einigen. Man könne doch keine öffentlichen Posten schaffen, auf denen es ausnahmsweise sogar mehr zu verdienen gäbe als in einem Ministeramt.

Es sind aber bei weitem nicht nur Sorgen um die Statuten des Personals, die dessen Vertreter bewegen. „Wir hätten gerne Klahrheit über die künftigen Missionen des LNS“, sagt Fränk Maas. „Wir machen vieles exklusiv hier, aber wird es dabei auch nach der Reform bleiben?“

Genau beantworten kann diese Frage noch niemand. Der LNS-Direktor geht davon aus, dass es an den zurzeit 150 Vollzeit-Arbeitsplätzen im Haus in Zukunft mehr statt weniger zu tun geben wird. Das LNS ist dabei, sein Tätigkeitsfeld zu erweitern; provisorische Neubauten wie der kleine Container-Doppelturm in Verlorenkost sind Ausdruck davon. Die Gen-Analyse zur Untersuchung von Pathologien wird beispielweise ausgebaut. Ein Beratungsdienst nach genetischen Untersuchungen hat man eingerichtet, den ersten seiner Art im Lande. Neu ist auch der Dienst für die Überwachung von Infektionskrankheiten – untersucht wurden sie am LNS schon immer, folgen soll ein zentrales Infektionsregister für Luxemburg.

Doch all diese Tätigkeiten entsprechen den „Missionen“, die der Staat seiner Verwaltung LNS per Gesetz übertragen hat. Das letzte Gesetz dieser Art datiert von 1981. Konsequenterweise soll es außer Kraft treten, sobald das LNS keine Staatsverwaltung mehr ist. Damit die öffentliche Einrichtung LNS sich unternehmerischer Flexibilität erfreuen kann, steht im Gesetzentwurf über den Statutenwechsel, dass Staat und Labor in Zukunft lediglich noch über Mehrjahresverträge miteinander verbunden würden.

Wie die aussehen könnten, wird gegenwärtig von einer Arbeitsgruppe im Gesundheitsministerium untersucht. „Als Staatslabor wird das LNS aus dem Staatshaushalt finanziert. Nun geht es darum, die Leistungen zu erfassen, die das LNS erbringt, und dafür Preise festzulegen“, sagt Claude A. Hemmer, Erster Regierungsrat im Gesundheitsministe-rium. Diese Preise würden dann in Staatshaushaltsposten für all jene Dienststellen zusammengefasst, die dem LNS Aufträge erteilen. Weil darunter auch staatliche Stellen fallen, etwa Staatsanwaltschaft und Polizei für die neue Gerichtsmedizin am LNS, wird die Arbeitsgruppe demnächst noch erweitert.

Was sich anhört wie eine haushaltspolitische Formalität, weckt bei den Personaldelegierten im LNS, zumal in Zeiten von Euro-Krise und nach unten revidierten wirtschaftlichen Wachs[-]tums[-]prognosen, so manche böse Vorahnung. „Exklusiv sind viele unserer Analysen nicht nur, weil wir sie bisher in hoheitlicher Vertretung des Staats erledigen“, sagt Fränk Maas, „sondern auch, weil sie nicht regelmäßig anfallen, zeit- und arbeitsaufwändig sind. Aber was ist, wenn sie die Regierung als zu teuer einschätzt?“

Marc Fries, der Sekretär der Personaldelegation, verweist auf die umweltmedizinischen Analysen, die das LNS im Auftrag der Umweltambulanz der Sanitärinspektion durchführt. Fries ist in diesem Bereich tätig: „Wird eine Wohnung auf Schadstoffe und versteckte Schimmelpilze kontrolliert, machen wir später die Laboranalyse. Zurzeit berechnen wir für ein Dutzend Analysen eine Taxe von 50 Euro. Im Ausland kostet eine einzige Analyse das Drei- bis Vierfache.“ Wird der hohe Gestehungspreis, der momentan vom Staatsbudget gedeckt wird, in Zukunft subventioniert? Oder müssten die Leute, die vermuten, an einer Umwelterkrankung zu leiden, den Test aus eigener Tasche bezahlen? „Da werden viele sagen, Nein danke, aber das wäre ein Rückschritt für die öffentliche Gesundheit.“

Infektionskrankheiten zu analysieren und in einem Register zu führen, sei ebenfalls eine Tätigkeit, die man „klären müsste“, meint Frank Maas. „Einerseits möchte das European Centre for Disease Prevention and Control in Stockholm, dass die EU-Staaten immer mehr Daten zu Infektionskrankheiten liefern. Die Anforderungen werden in den nächsten Jahren noch steigen. Sie sind für große wie für kleine Staaten die[-]selben, und die epidemiologische Überwachungsstelle im LNS hätte auch in Zukunft genug zu tun.“

Andererseits jedoch stehe noch nicht fest, ob das LNS als Établissement public die Endkontrolle von Infektions-Analysen durchführen soll, die andere Labors entdeckt haben. Und nach wie werde die Meldepflicht von Infektionen in Luxemburg nicht erzwungen. „Kein Arzt muss mit einer Sanktion rechnen, falls er etwas nicht meldet und sich das später herausstellt“, sagt Maas. „Wer weiß, ob wirklich alles erfasst werden kann.“ Zu solchen Fragen, die auch die öffentliche Gesundheit betreffen, hätten Antworten vorliegen müssen, ehe die Regierung den Statutenwechsel für ihr Staatslabor beschloss, meinen die LNS-Personalvertreter.

Gesundheitsminister Mars Di Bartolomeo (LSAP) versucht, im Gespräch mit dem Land zu beruhigen: „Wir zerschneiden nicht die Bande zwischen Staat und LNS.“ Die Umwandlung des Staatslabo in eine öffentliche Einrichtung werde die Regierung nicht zum Anlass nehmen, die staatlichen Gesundheitsausgaben zu senken: „Klar ist, das LNS wird nicht billiger.“

Ob das Labor unter der neuen Rechtsform in verschiedenen Bereichen weiterhin exklusiv tätig sein könne, hält der Minister vor allem eine Frage von Akkreditierungen. Die müssten die LNS-Abteilungen erwerben; sie seien aber „auf einem guten Weg“. Dass für eine bessere Überwachung von Infektionskrankheiten hierzulande die reglementari-sche Lage verändert und womöglich gar die Meldepflicht durch Sank-tionsan[-]drohungen begleitet werden müsste, findet Di Bartolomeo dagegen nicht unbedingt: „Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen einer verschärften Meldepflicht und der Arbeit des LNS. Aber sollte sich herausstellen, dass verschärfte Bestimmungen nötig wären, dann sollten wir sie auch einführen.“

Peter Feist
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