Leitartikel

Akademisches Management

d'Lëtzebuerger Land du 05.05.2017

Nach dem überraschenden Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden vergangenes Jahr verlässt nun auch der Rektor die Universität. Ihm war von Anfang an Desinteresse und Entscheidungsunfähigkeit vorgeworfen worden, schon im Zusammenhang mit dem Umzug nach Belval. Doch so lange die staatlichen Mittel flossen, schien manchen Beteiligten ein wenig Führungschwäche gar nicht ungelegen zu kommen.

Als in den vergangenen Monaten die fehlende Haushaltsplanung jedoch durch Sparmaßnahmen ersetzt werden sollte, spitzte sich der Streit zu und wurde dazu nach außen getragen. Die Regierung und der Conseil de gouvernance stellten den Rektor schließlich unter die Zwangsverwaltung von Unternehmensberatern, und ab dann gab es kein Zurück mehr.

Die Regierung verweist auf die Autonomie der Universität, um jede Verantwortung für deren Krise von sich zu weisen. Gleichzeitig legte sie einen Reformentwurf vor, der als Reaktion auf die Mängel des Rektors die Kompetenzen des Amtes zurückstutzt. Denn unabhängig von der persönlichen Verantwortung des Rektors, der, wie mancher anderer mit hohen Bezügen aus dem Ausland angelockte Professor, Schwierigkeiten hatte, sich mit einer sehr jungen, sehr kleinen Universität in einem sehr kleinen Land zu identifizieren, haben deren Schwierigkeiten sicher auch mit dem politischen Auftrag zu tun, den sie zu erfüllen hat.

Die Universität Luxemburg steht nicht alleine da mit ihren Schwierigkeiten. Weltweit kämpfen große und traditionsreiche Universitäten damit, dass ihre Lehre eine wachsende Zahl verzweifelt auf den Arbeitsmarkt drängende Studenten so schnell und so billig, wie die Bologna-Regeln es vorschreiben, ausbilden und diplomieren müssen. Gleichzeitig soll ihre Forschung ein flexibel abrufbarer Zuliefererbetrieb für die Privatwirtschaft im internationalen Wettbewerb der Produktionsstandorte sein. Neben Forschung und Lehre heißt der neue Auftrag der Almae Matres Drittmittelbeschaffung, das Schlangestehen um Zuschüsse öffentlicher und privater Sponsoren mit diesen genehmen Projekten. Oberstes Ziel ist nicht der Fortschritt des menschlichen Wissens, sondern der Ranking genannte Wettbewerb zwischen den Universitäten.

Für altehrwürdige Universitäten, die sich im Laufe der Jahrhunderte mühsam aus der Obhut der Kirche befreiten, stellt es oft eine große Umstellung dar, sich nun in eine neue Obhut zu begeben. Von dieser Tradition ist die erst 2003 gegründete Universität Luxemburg unbelastet. So dass die verschiedenen christlich-sozialen und liberalen Hochschulminister keine Hemmungen verspüren mussten, um sie vorbehaltlos in den Dienst des Staats und der Privatwirtschaft zu stellen: Zur gleichen Zeit, da der parlamentarische Ausschuss der Institutionen und Verfassungsreform vor zwei Monaten darüber beriet, der Freiheit der Lehre Verfassungsrang einzuräumen, kündigten Regierung und Universität stolz die Schaffung eines „Paypal-Lehrstuhls“ an.

Entsprechend bewegt sich auch die Leitung der Universität nicht in der Tradition einer an manchen anderen Universitäten nach 1968 erstrittenen Mitbestimmung, sondern gehorcht den weit autoritäreren, effizienzorientierten Managementprinzi­pien von Privatunternehmen – eine demokratischere Universität hätte vielleicht weniger Führungsstärke von ihrem Rektor verlangt. Anstelle der akademischen Tradition schoben die Regierungen der angeblich autonomen Universität staatliche Altlasten an historischen Instituten, autonomen Forschungszentren und ehemaligen Studienräten zu. Die Verwaltung all dies zusammen überstiege schnell die Fähigkeiten selbst eines talentierten und aufopferungswilligen Rektors.

Romain Hilgert
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