Was kennzeichnet eine Universität? Was nach einer einfachen Frage klingt, erweist sich in der Beantwortung als eher schwieriges Unterfangen. Grundsätzlich ist in Europa davon auszugehen, dass die Einheit von Lehre und Forschung (Humboldts Prinzip der universitas litterarum) als ein Grundprinzip universitärer Strukturen gilt. Ein weiteres zentrales Grundprinzip einer Universität ist zudem ihr Recht auf akademische Freiheit, und somit ihr Recht zur Selbstverwaltung sowie zur eigenständigen Erstellung und Ausführung von Studienprogrammen und Forschungsvorhaben. Im Folgenden wird diskutiert, inwieweit die Universität Luxemburg diesen zentralen Prinzipien gerecht wird.
Durch das Universitätsgesetz von 2003 wurde erstmalig eine Universität in Luxemburg gegründet. Diese öffentlich-rechtliche Einrichtung sollte ein Gemeinschaftsort von Lehrenden und Lernenden (universitas magistrorum et scolarium) sein. Zudem sollte sie über ein Mindestrecht auf Selbstverwaltung (Universitätsrat, wissenschaftliches Beratungsgremium) sowie über das Privileg der Verleihung öffentlich anerkannter akademischer Grade (Bachelor, Master und Doktorgrad) verfügen.
Ein strukturelles Problem – der Conseil de gouvernance Das Universitätsgesetz von 2003 legt unter anderem fest, dass zwischen dem Hochschulministerium sowie dem Rektorat beziehungsweise dem Universitätsrat ein Aufsichtsrat (Conseil de gouvernance) anzusiedeln ist. Die Mitglieder dieses zum Teil international aufgestellten Gremiums werden durch das Hochschulministerium ernannt. Der Aufsichtsrat verkörpert durch seine Zusammensetzung und Machtfülle die politischen Interessen des Landes Luxemburg innerhalb der Uni Luxemburg. Nur durch seine akademische Aufgeschlossenheit und durch sein umsichtiges Verhalten kann der Aufsichtsrat eine begrenzte akademische Freiheit der Universität ermöglichen beziehungsweise dulden. Erkennbar wird an der aufgezeigten Strukturierung, dass die akademische Freiheit weder systeminhärent noch strukturell in der Uni Luxemburg verankert ist.
Der Universitätsrat – ein reines Beratungsgremium Der Universitätsrat, eigentlich das ausgewiesene Gremium zur Selbstverwaltung einer Universität, hat innerhalb der Uni Luxemburg eine rein beratende Funktion. Dieses Gremium, das sich aus Vertretern der unterschiedlichen Universitätsgruppierungen zusammensetzt, ist an einer klassischen Universität eigentlich das die akademische Freiheit der Institution gewährleistende Organ. Die Diskussionen und Entscheidungen über die Budgetvorlage 2017 haben in der vergangenen Woche jedoch aufgezeigt, dass dieses grundlegende Universitätsprinzip an der Uni Luxemburg kaum gegeben ist. Die Nicht-Annahme des Budgets 2017 durch den Universitätsrat hatte keinen Effekt auf den Entscheidungsprozess des Aufsichtsrats. Die strukturell nicht vorhandene akademische Freiheit erweist sich somit ganz und gar abhängig vom Wohlwollen des Aufsichtsrats.
Fehlende Eigenständigkeit in Lehre und Forschung Auch bei der Gestaltung der Lehre und Forschung ist die direkte Einflussnahme des Hochschulministeriums – mit Unterstützung des Aufsichtsrats – erkennbar. Die staatlich erzwungene Ausgliederung des Studiengangs für Lehramtskandidaten (stage pédagogique) sowie die erziehungspolitische Strategie, nicht-akademische Ausbildungsgänge und -strukturen (zum Beispiel BTS) in die Universität integrieren zu wollen, zeugen beispielsweise im Bereich der Lehre von der kaum vorhandenen akademischen Freiheit der Uni Luxemburg.
Ebenso sind die Eingriffe staatlicher Instanzen im Bereich Forschung offensichtlich. Beispielhaft zu nennen sind hier die Etablierung des Bereichs Logistik oder die Gründung des Interdisziplinären Zentrums für Zeitgeschichte an der Uni. Dies wurde auch am Dienstag dieser Woche von Hochschul- und Forschungsminister Marc Hansen in einem Interview für das Radio 100,7 bestätigt. Verstärkt wirtschaftliche und parteipolitische Interessen sind demnach für deren Einrichtung an der Uni Luxemburg verantwortlich.
Neues Universitätsgesetz Diese Woche wurde vom Hochschulministerium ein „Vorentwurf“ vorgelegt, der einige Anpassungen am bestehenden Universitätsgesetz vornehmen soll. Festzuhalten ist, dass der Universitätsrat der Uni Luxemburg in keiner Weise an den Diskussionen und Vorschlägen zu der Gesetzesänderung partizipiert hat. Dies stellt einen weiteren Beleg der Missachtung der geforderten akademischen Freiheit einer Universität dar. Es verwundert daher nicht, dass der Gesetzes-Vorentwurf dem politiknahen Aufsichtsrat der Uni Luxemburg weitere machtbezogene Befugnisse zuschreiben will, den Universitätsrat hingegen in seiner rein beratenden Rolle belässt. Auch wenn der Universitätsrat seinen Präsidenten künftig selber wählen darf oder das Rektorat im Universitätsrat kein Stimmrecht mehr haben wird, so ist im Vorentwurf keine substanzielle Stärkung der akademischen Freiheit zu erkennen, sondern eher das Gegenteil.
Es bleibt derzeit nur zu hoffen, dass der Gesetzgeber die akademische Freiheit der Uni Luxemburg doch noch als ein notwendiges, inhärentes Gut einer vollwertigen Universität erkennt und sie in der neuen Gesetzgebung strukturell noch berücksichtigt. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre der Gesetzgeber gut beraten zu prüfen, ob nicht weiterhin ein falsches Etikett verwendet wird und die so genannte Universität nicht besser in ein staatlich geleitetes Forschungsinstitut zu überführen wäre.