Kein Klinikträger agiert so unternehmerisch wie die Schuman-Stiftung. Sie sorgt schon seit Jahren immer wieder für vollendete Tatsachen. Für die Gesundheitsministerin wird das nun zum Problem

Eine rührige Stiftung und ihre Firmen

Erster Sapetnstich 1999 für das Hôpital Kirchberg: Erzbischof Fernand Franck, Raymond Lies, DP-Gesundheitsminister Carlo Wagner
Foto: Martin Linster
d'Lëtzebuerger Land vom 19.03.2021

Schuman und kein Ende: Auch diese Woche war die Krankenhausstiftung Medienthema. Es ging weiter um eine „private Impfkampagne“ und ob Klinikdirektor Claude Schummer dafür den Weg bereiten wollte oder alles mit der „Hierarchie“ abgesprochen war. Es ging um die berufliche Zukunft Schummers, dessen Mandat als Klinikchef dieses Jahr ausläuft. Und nachdem vergangene Woche ein anonymer und fingierter Brief gegenüber einem der beiden Medizinischen Direktoren Schumans Anschuldigungen wegen Mobbings und Diffamationen erhoben hatte, war diese Woche von einem zweiten Schreiben die Rede, das echt sein soll und in eine ähnliche Richtung ziele.

Das ist eine Menge schlechte Presse für die Klinikstiftung, die 1991 gegründet worden war, damals Fondation François-Elisabeth (FFE) hieß und einen modernen „privaten“ Gegenpol zu öffentlichen Spitälern begründen sollte. 1990 hatte die damalige CSV-LSAP-Regierung sich von Ernst & Young eine Krankenhausstudie schreiben lassen. Sie kam zu dem Schluss, im Jahr 2000 brauche Luxemburg drei bis vier große Allgemeinkrankenhäuser, nicht die damals 17 landesweit verstreuten und zum Teil sehr kleinen. Diese neue Landschaft stellten CSV und LSAP sich in einem politischen Kompromiss teils öffentlich, teils privat entlang einer Nord-Süd-Achse vor. Wobei „privat“ relativ war: Schon damals wurde der Klinikbetrieb fast komplett öffentlich finanziert; für Neu- und Ausbauten übernahm der Staat vier Fünftel, die Krankenkasse zwei Fünftel all jener Kosten, die patientenbezogen zu verstehen waren. „Privat“ bezog sich auf die religiösen Kongregationen als Krankenhausträger, war aber auch ein politischer Begriff: Damit grenzte die CSV das Projekt für ein neues, großes Kongregationsspital, das sie mit viel Elan politisch vorantrieb, vom „roten“ CHL ab, das die DP-LSAP-Koalition in den Siebzigerjahren geschaffen hatte und das 20 Jahre später noch immer das einzige öffentlich-rechtliche Krankenhaus im Lande war.

Solche Zusammenhänge sind nicht unwichtig, um zu verstehen, wie die Schuman-Gruppe, die heute an drei Standorten vier Spitäler betreibt, die nach der Bettenzahl den größten Kranken-
hausverbund bilden, zu einem Manager-Klinikum wurde. Zu einem, bei dem es gar nicht überrascht, dass die Spitze seines Verwaltungsrats laut einem „Business Continuity Plan“ vielleicht nicht derart prioritär gegen das Sars-CoV-2-Virus geimpft werden sollte, wie unmittelbar am Patientenbett Tätige, aber auch nicht viel später. Mit überraschenden Vorstößen hat Schuman auch früher schon für Aufsehen gesorgt. Sie erregten keinen moralischen Anstoß, stellten jedoch die Politik auf die Probe. Heute ist beides der Fall. Abseits der Schuman-Debatte ist LSAP-Gesundheitsministerin Paulette Lenert dabei, die Kon-trolle über die Krankenhauspolitik zu verlieren. Sofern sie die je hatte oder sie je haben wollte.

Auf dem Kirchberg entstand bis 2006 in zwei Schritten ein Centre hospitalier, das nicht nur modern war, sondern auch straff geführt. Seine Ideengeber waren Mathias Schiltz, der damalige Generalvikar des Bistums und Onkel des heutigen Verwaltungsratschefs Jean-Louis Schiltz; der CSV-Politiker Paul-Henri Meyers, der in den religiösen Kongregationen eine Führungsrolle spielte, sowie Raymond Lies, Chirurg an und Chef der Kongregationsklinik Sainte-Marie in Esch/Alzette, ein Systemexperte und kompetenter Klinikmanager.

Innoviert wurde auf dem Kirchberg von Anfang an. Zum Beispiel entwarf Lies ein Modell, laut dem die freiberuflichen Ärzt/innen von Hôpital de Kirchberg und Bohlerklinik Praxisräume in den Kliniken selbst mieten sollten, um für Letztere rascher verfügbar zu sein. Das akzeptierten nicht alle Mediziner/innen gleich. Das überzeugende Argument lautete am Ende, dass eine solche Praxis-Miete steuerlich absetzbar sei.

Eine zweite Neuerung reichte viel weiter: Die Fondation François-Élisabeth gründete die Aktiengesellschaft Les Sauveurs de Santé. In sie wurde alles ausgelagt, was nicht unmittelbar zum Klinikbetrieb gehört und deshalb nicht von den Klinikbudgets gedeckt wird, das die Krankenkasse finanziert. Andere Spitäler betrieben ebenfalls ein Outsourcing von Putzdiensten oder ihrer Küche, doch keines an eine Schwester-Gesellschaft. Krach mit dem OGBL wegen dieser organisierten Umgehung des Krankenhaus-Kollektivvertrags gab es nicht: Der damalige OGBL-Präsident John Castegnaro hatte der Stiftung Elysis für Bau und Betrieb eines Pflegeheims – ebenfalls auf dem Kirchberg – zur Gründung verholfen. Die fand es interessant, das Pflegeheim von einer externalisierten Küche beliefern zu lassen. Elysis stieg mit 25 Prozent ins Kapital von Les Sauvers de Santé ein, Castegnaro nahm im Verwaltungsrat der S.A. neben unter anderem Paul-Henri Meyers und Raymond Lies Platz und akzeptierte, dass die Gesellschaft „seinem“ Pflegeheim den Kollektivvertrag für den Pflegesektor umgehen half. 2005 zog Elysis sich aus der Aktiengesellschaft zurück und Castegnaro aus ihrem Verwaltungsrat.

Les Sauveurs de Santé wurde kurz darauf umbenannt in Santé Services und zur hundertprozentigen FFE-Tochter. Heute übernimmt sie nicht nur services auxilliaires zum Betrieb der Schuman-Kliniken, sondern ist zu einem potenten Logistik-Dienstleister für Ausrüstungen geworden. Schuman-Generaldirektor Schummer berichtete dem Land vergangenen Sommer stolz, wie Santé Services in der ersten Phase der Corona-Pandemie Schutzausrüstungen nicht nur für die Schuman-Kliniken, sondern auch für andere Spitäler beschaffte, wie sie sich dafür bei Amazon Unterstützung holte, wie sie Tyvek-Kittel nähen ließ. Mittlerweile betreibt die Firma eigene Produktionslinien für FFP2-Masken. Und sie liefert logistische Hilfe für das Large-scale testing. Das tat sie in Phase eins und zwei und wird es auch in Phase drei tun.

Kein anderer Klinikträger agiert derart als Gesundheitsdienstleister im weiteren Sinne wie die Fondation Robert Schuman. Unlogisch erscheint da weder, dass Claude Schummer bei Pfizer vorfühlte, ob eine Lieferung von Impstoffen möglich wäre, noch wäre es überraschend, falls Schuman-intern Ideen gewälzt worden wären, ab einem bestimmten Moment in die Impfungen einzusteigen. Der moralische Vorwurf um angebliche Alleingänge Schummers, der schon als Generalsekretär des Ärzteverbands AMMD gute Beziehungen zur Pharmabranche pflegte, ist schließlich nur entstanden, weil die Vakzine noch knapp sind und die Gespräche mit Pfizer den Eindruck aufkommen ließen, nach der raschen Covid-Impfung der drei Schuman-Spitzenverwaltungsräte werde nun gar für eine organisierte Impfdrängelei Privilegierter gesorgt. Schuman hat nie dementiert, dass es Gespräche gab. Der Verwaltungsrat scheint sie lediglich Schummer allein anlasten zu wollen. Ob er wegen seiner Impfgespräche suspendiert wurde und nun offenbar auf der Abschussliste steht, nachdem am Dienstag dieser Woche eine Interim-Direktorin eingesetzt wurde, ist eine offene Frage.

Denn Schummer passt nicht schlecht zu Schuman. Er ist CSV-Mitglied, schrieb seit 2009 an den Wahlprogrammen der Partei mit. Und er ist verwandt mit François Pauly, der bis Mai vergangenen Jahres Verwaltungsratsvorsitzender der Schuman-Spitäler war. In den Verwaltungsräten der Schuman-Stiftung und der Schuman-Krankenhäuser werden Posten häufig über Beziehungsnetzwerke vergeben (siehe dazu S. 10).

Geht Schummer, verliert der Ärzteverband AMMD einen Seelenverwandten an der Schuman-Spitze. In der Gesundheitsszene wird erzählt, er habe sich um den Generaldirektorenposten, den er Anfang 2017 übernahm, sehr bemüht. In der AMMD war er bis zu seinem Ausscheiden der starke Mann gewesen, hatte gegen den früheren Präsidenten Jean Uhrig intrigiert und Alain Schmit den Weg zum AMMD-Vorsitz bereitet. Als die zweite DP-LSAP-Grüne-Regierung ihr Amt unter anderem mit dem Vorsatz antrat, einen Gesondheetsdësch über eine neue Versorgungslandschaft diskutieren zu lassen, war es Schummer, der streute, die Schuman-Kliniken würden in Grevenmacher eine „Antenne“ einrichten. Keine andere Klinikgruppe ging so schnell so weit. Was genau mit der „Antenne“ gemeint sein sollte, präzisierte Schummer nicht. So dass die Ankündigung vor allem signalisierte, dass die Schuman-Spitäler sich Auslagerungen von Klinikaktivitäten nicht nur anzupassen wüssten, sondern sie mitzugestalten planten. Politischen Druck für Auslagerungen, am liebsten in ambulante Zentren, die von Ärztegesellschaften geführt würden, machte seit 2018 die AMMD.

Vollendete Tatsachen um Terrain schufen die Spitäler von Schuman beziehungsweise François-Elisabeth immer wieder. 2013 schaffte das Hôpital Kirchberg als erstes im Land einen Operationsroboter an – vorbei an der damals noch zwischen Spitälern und CNS bestehenden Kommission, die über Großinvestitionen zu entscheiden hatte, die der Kasse neue Kosten verursachen würden. Kommentar des damaligen Generaldirektors Paul Wirtgen: „Das hätte die Kommission uns sowieso nicht erlaubt.“

Als die Fusion mit der Zithaklinik ihrem Abschluss entgegenging, erklärte die Schuman-Stiftung, nach einer Umstrukturierung würden ihre Kliniken und die Zitha in einer „Privatkliniken S.A.“ zusammengefasst und eine Strategie „Privatspideeler 2020“ verfolgen. Die damalige LSAP-Gesundheitsministerin Lydia Mutsch war entsetzt. Dass „Privat“ benutzt wurde, konnte sie verhindern. Nicht aber, dass wenig später Hôpital Kirchberg und Zitha ein Drittel ihrer Labor-
analysen an die Laboratoires Réunis verkauften. Kaufmännisch machte das durchaus Sinn, doch es war der Anfang vom Ende einer „gemeinsamen Laborplattform“, an der die Spitäler jahrelang gewerkelt hatten und die zu vollenden sich die erste DP-LSAP-Grüne-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen hatte.

Solche Schritte passen freilich zu Klinik- und Stiftungsführungen, die sich als Manager verstehen und Gelegenheiten ergreifen, wenn die sich bieten. Ordensschwestern sind im Verwaltungsrat der Stiftung nicht mehr vertreten. Noch immer entsendet die Generaloberin der Franziskanerinnen zwei Mitglieder in den Verwaltungsrat – das Bistum entsendet einen weiteren –, doch das sind Juristen oder Firmenchefs.

Und erst vor kurzem hat Schuman erneut überrascht, als publik wurde, dass die Stiftung mit dem Junglinster Schöffenrat ein Memorandum of Understanding über eine lokale Poliklinik abgeschlossen hat. Das hatte die AMMD bekannt gemacht – sichtlich erbost, weil damit, wie sie erklärte, in ein Projekt für ein Ärztehaus ein großer Finanzier einsteige, was die AMMD eigentlich verhindern wolle, indem Ärztegesellschaften Träger dieser ambulanten Strukturen würden. Seitdem herrscht Kalter Krieg zwischen Schuman und der AMMD; sie war es auch, die bekanntzumachen half, dass es Gespräche über Impflieferungen gegeben habe. Das Luxemburger Wort, bislang gegenüber der AMMD wie Schuman wohlwollend eingestellt, schießt nun scharf gegen die Stiftung.

All das ist politisch gefährlich für die Gesundheitsministerin und den Sozialminister von der LSAP: Sie taten bisher so, als hätten sie am Gesondheetsdësch die Kontrolle über die Gestaltung der künftigen Gesundheitslandschaft. Nun müssen sie erleben, dass der Schuman-Stitung alle gemütlichen Gepräche am Tisch offenbar ebenso egal sind wie die Ideen des Ärzteverbands. Dass die Presse sensibilisiert ist und sich darin überbietet, Neues über Schuman herauszufinden, und dass nun ein internes Audit die Mobbingvorwürfe in den Briefen von Schuman-Ärzten untersuchen soll, ist vor allem für Paulette Lenert ein Problem: Es zeigt einen Bedarf an politischer Führung, die sie nicht ausübt. Sei es, weil sie über allem Pandemie-Management nicht dazu kommt. Sei es, weil sie das gar nicht will. Tatsache ist, dass der Gesondheetsdësch „Szenarien“ eines mehr oder weniger liberalisierten Angebots diskutieren lässt, während ein ausgeschlafener Akteur wie Schuman Tatsachen schafft.

Auch beim Large-scale testing auf das Coronavirus ist Schuman über seine oder ihm nahe Firmen und Personen zumindest involviert: Erdacht hatte die Massentests das Luxembourg Institute of Health, dessen Verwaltungsrat Gregor Baertz leitet: jener Medizinische Direktor der Schuman-Kliniken, der vor kurzem noch als Nachfolger Claude Schummers gehandelt wurde. Das LIH übertrug Phase eins der Tests an die Laboratoires Réunis als ausführendem Projektverantwortlichen; seit dem Kauf der ambulanten Analysen von Kirchberg und Zitha gelten die Junglinster Labors als „Schumans Labor“. Die Laboratoires Réunis wiederum beauftragten mit dem Logistik-Support für die Tests die Schuman-Tochter Santé Services. Dritter im Bunde war der internationale Militärdienstleister Ecolog. Das gleiche Konsortium erhielt auch den Zuschlag für Phase zwei der Tests – und für die dritte Phase, für die vergangene Woche das Finanzierungsgesetz verabschiedet wurde. Eine Ausschreibung gab es diesmal nicht. Für Phase zwei, so das Gesundheitsministerium, habe es ja nur eine Kandidatur gegeben. Manchmal ergeben Business opportunities sich sogar einfach so.

Peter Feist
© 2024 d’Lëtzebuerger Land