Am Dienstag gab es erst einmal Krach, als der familienpolitische Ausschuss der Abgeordnetenkammer zusammentrat. „Unglücklich“ sei gewesen, dass Déi Gréng jenen Brief auf die Tagesordnung setzen ließen, über den vorige Woche einige Medien berichtet hatten, sagt der CSV-Abgeordnete Maurice Bauer dem Land. Als Erster Schöffe in der Hauptstadt musste Bauer sich angesprochen fühlen und gab das der grünen Abgeordneten Joëlle Welfring auch zu verstehen. Denn der Brief ist anonym, darin beklagen Sozialarbeiter, es gebe viel zu wenig Plätze in Obdachlosenunterkünften. Die Wanteraktioun mit 320 Betten während fünf Monaten sei nur eine Kurzfrist-Lösung. Und die „causes sous-jacentes de la précarité généralisée“ würden nicht angegangen.
Joëlle Welfring, als Ex-Umweltministerin auf politisch neuem Terrain unterwegs, wollte nach eigenem Bekunden „niemanden an den Pranger stellen“, sondern zu einer Diskussion über Fakten und Lösungen einladen. Wie Maurice Bauer die Sache darstellt, wird in der Hauptstadt eine Menge unternommen. Er zählt auf, dass mehr Unterkünfte für Obdachlose geschaffen wurden. Wieviele Streetworker in der Stadt unterwegs sind und wie intensiv sie arbeiten. Dass die Gemeinde mehr als 100 Wohnungen „in der Stadt und darüber hinaus“ für die Jugend- an Drogenhëllef finanziere. Dass dafür gesorgt werden muss, Obdachlosigkeit gar nicht erst aufkommen zu lassen, sei der Gemeinde ebenfalls klar: Dass sie die staatliche Teuerungszulage mit einem kommunalen Zuschlag versieht und dieser um 35 Prozent erhöht wurde, ziele eben darauf ab.
Obdachlosigkeit ist nicht nur ein Problem vor allem der Hauptstadt und von Esch/Alzette als zweitgrößter Gemeinde. Zu einem nationalen Problem wird sie schon durch die allgemeine Wohnungsnot. Festgestellt wurde am Dienstag auch, dass ziemlich unklar ist, wie verbreitet schwere psychische Erkrankungen unter Obdachlosen sind, welche Zusammenhänge mit Drogenkonsum es gibt, und überhaupt fehle ein Konzept „Santé mentale“. DP-Familienminister Max Hahn kündigte an, sein Ministerium werde sich mit dem für Gesundheit darum kümmern. Hahn stellte für 2025 auch ein Housing first-Konzept in Aussicht, das Langzeit-Obdachlosen zu einer Wohnung verhelfen soll, ohne dass von ihnen verlangt würde, keine harten Drogen mehr zu nehmen oder keinen Alkohol zu trinken.
Joëlle Welfring stellt sich vor, dass mehr Gemeinden bei der Betreuung Obdachloser tätig würden, um die Hauptstadt und Esch zu entlasten. Dem Land sagt sie, der Familienminister wolle das über den Pakt vum Zesummeliewen erreichen. 40 Gemeinden sind dem Pakt bisher beigetreten. Welfring findet, „auch kleine Gemeinden könnten etwas Kleines anbieten, damit mehr Leute unter Dach kommen“. Dass viele kleine Gemeinden nicht mal Sozialwohnungen wollen, weiß sie freilich auch.