Den ersten Covid-Ausbruch schaffte das Gesundheitswesen recht gut. Jeder hat Abenteuergeschichten zu erzählen. Bei der Vorbereitung auf eine „zweite Welle“ geht es auch um Politik

„Wir waren alle enorm solidarisch“

Am Montag demontierte die Armee das Centre des soins avancées im Kulturzentrum von Grevenmacher
Foto: Sven Becker
d'Lëtzebuerger Land vom 12.06.2020

„Covid-19 war ein Schock erster Klasse“, meint Philippe Turk. Der einstige Generaldirektor der Zithaklinik, als die noch eigenständig war, steht seit März mit einem Beratervertrag LSAP-Gesundheitsministerin Paulette Lenert als Generalkoordinator für die Krankenhäuser in der Corona-Krise zur Seite. Er stellte ein Monitoring auf, das täglich die zur Verfügung stehenden Klinikbetten erfasst, die Intensivplätze, die Beatmungsapparate, und welche Bedarfsentwicklung dem gegenübersteht. Er sitzt in der Krisenzelle der Regierung mit dem Hochkommissar für nationale Sicherheit. In der Hochphase des Ausbruchs konferierte Turk jeden Tag bis zu zwei Stunden mit den Klinikchefs. „Das war ein extrem dynamisches und kollektives Arbeiten, eine sehr solidarische Mobilisierung“, erinnert er sich. „Während sonst viel gestritten wird zwischen den Spitälern, bewiesen wir diesmal, dass wir was draufhaben.“

Wie alles anfing Und so hat heute quasi jeder Abenteuergeschichten zu erzählen: Wie das war, als die Krankenhäuser in den Krisenmodus gefahren wurden. Wie gebangt wurde, Ärztinnen und Pfleger könnten sich anstecken und ausfallen, oder die Nachbarländer könnten hinter den mittlerweile geschlossenen Grenzen das Pendler-Gesundheitspersonal beschlagnahmen und nicht mehr nach Luxemburg lassen. Und wie gefürchtet wurde, es könnte hier kommen wie in Norditalien oder im Grand Est. Philippe Turk sagt, Mitte März sei es „tatsächlich um Tage gegangen, hätten wir zwei oder drei Tage später reagiert, hätten wir vermutlich eine Katastrophe gehabt. Da war es richtig, ganz schnell alles zuzumachen“.

Claude Schummer, Generaldirektor der Robert-Schuman-Spitäler, weiß noch, wie am 11. März seine Krankenhaushygiene-Spezialistin in sein Büro kam und von einem Covid-Verdacht in der Geriatrie im Hôpital Kirchberg berichtete. „Das hätte mit einem Todesfall enden können. Ich rief den Chef des Gesundheitsamts an und die anderen Krankenhausdirektoren.“ Am Tag danach fuhren die Schuman-Kliniken ihre Aktivitäten herunter, sicherten auf dem Kirchberg die Eingänge ab, sperrten die Tiefgarage für den Publikumsverkehr, teilten das Personal so auf, das Bereitschafts-Teams entstanden.

Die anderen Spitäler zogen am 13. März nach. „Wir machten ab, dass jeder Covid-Patienten versorgt, sie sollten nicht vom CGDIS quer durchs Land gefahren werden“, sagt CHL-Generaldirektor Romain Nati. Das CHL mit dem nationalen Dienst für Infektionskrankheiten hatte schon im Februar erste Covid-Verdachtsfälle empfangen: Personen, die aus China oder Norditalien kamen. Nachdem am 29. Februar in Luxemburg der erste positive Fall erfasst wurde, gelangten alle Covid-Patienten in ein Unterdruckzimmer im CHL. „Wir hielten 16 der 21 Betten am Infektionsdienst für Covid bereit, wir hatten ja noch andere Patienten, Tuberkulosekranke zum Beispiel.“

„Wir brauchten nur drei Tage, um alles umzuorganisieren“, erzählt Paul Wirtgen, Medizinischer Direktor des Centre hospitalier du Nord. „Wir schlossen die Klinik in Wiltz ganz, betrieben in Ettelbrück statt fünf OP-Sälen nur noch zwei, und die nur mit halber Kraft.“ Patientenaufnahme, OP-Planung und Bettenbelegung wurden umgestülpt, auch im Nord-Klinikum das Personal in Aktive und Stand-by eingeteilt. „Wir machten eine ganze Station mit 30 Betten für Covid-19 frei, dazu alle unsere 16 Intensivbetten. Im Aufwachraum schufen wir zusätzlich Plätze für leichtere Intensivpatienten.“

Erst im Mai, nachdem die Wissenschaftler der Taskforce Research die Luxemburger Statistiken mit denen anderer Länder verglichen hatten, wurde publik, dass der Sars-2-Ausbruch hier ab Mitte März in seiner Wucht vier Mal stärker war als der in Wuhan. Aber CHL-Chef Nati weiß noch, wie er am Wochenende vom 15. März unter dem Eindruck der Bilder aus Norditalien und dem französischen Grand Est die Lage in der Lombardei mit ihren zwölf Millionen Einwohnern auf Luxemburg mit seinen 620 000 hochrechnete. „Ich kam auf fürchterliche Zahlen. Und ich las, dass sich dort auch Ärzte und Pfleger infiziert hatten. Also bildeten wir aus unserem Personal nicht nur eine zweite, sondern auch eine dritte Reihe.“ Ähnlich hielten es alle Spitäler. Und senkten ihre Aktivitäten auf das Nötigste, noch ehe die Regierung den Notstand ausrief und am 18. März den Kliniken vorschrieb, sich so stark wie möglich auf Covid zu konzentrieren.

Krieg um Ausrüstungen Claude Schummer berichtet noch andere Dinge. „Zehn Tage lang hatten wir nicht genug Schutzausrüstung. Uns fehlten Masken, Handschuhe, Tyvek-Kittel. Tyvek besorgten wir uns dann selber von Dupont, das kommt ja von dort. Wir teilten das dann mit dem CHL.“ Schummer weiß auch noch, wie es war, als die Schuman-Spitäler fünf Beatmungsapparate einkaufen wollten. „Wir brauchten 24 Stunden, um deren Qualität zu checken, aber in der Zeit verdoppelte sich der Preis.“ Ankommen sollte diese Lieferung nicht: „Die kaufte in China noch auf dem Rollfeld eines Flughafens ein anderer, er hatte den zwanzigfachen Preis geboten. Das war die Zeit, als die USA mehr Ventilatoren haben wollten.“ Im März und April habe nicht nur ein Krieg gegen das Virus geherrscht, sondern auch einer um Ausrüstungen.

„Luxemburg war nicht optimal vorbereitet. Wie viele andere Länder wussten wir nicht, was auf uns zukommen würde“, sagt Jean-Claude Schmit, der Direktor des Gesundheitsamtes, rückblickend. Seit 2006 hat Luxemburg einen Pandemieplan, der damals geschrieben wurde, um auf einen Ausbruch des Hühnergrippe-Virus H5N1 eingestellt zu sein. „Wir waren drauf und dran, den Plan zu aktualisieren, dann kam uns Covid-19 zuvor.“ Von Nutzen sei der Plan mit seiner Kommandostruktur und einer To-do-Liste gewesen. Aber Sars-CoV-2 sei ein anders als ein Influenzavirus, sagt Schmit, und als Virologe muss er es wissen. Philippe Wilmes, Vizepräsident des Ärzteverbands AMMD, findet, „am Anfang herrschte ein Durcheinander. Das Gesundheitsamt erteilte zunächst keine klaren Anweisungen“. Aber dann hätten zum Glück „die richtigen Leute rasch zueinander gefunden“. Und: An die breite Öffentlichkeit seien starke Botschaften kommuniziert worden. „Epidemie. Krankheit. Sterben. Das war schon richtig, aber wer mit Medizin nichts am Hut hat, musste Angst bekommen.“

Altenheime ohne Plan Alle heben hervor, welche Solidarität und Einsatzbereitschaft herrschte. Dabei gelang außerhalb der Spitäler die Umstellung weniger leicht. Die Zahnärzte organisierten sich weitgehend selbst, richteten drei regionale Notdienst-Praxen ein, die bis zum 17. Mai bestanden und an die 3 000 Patienten empfingen. Dagegen wurde erst Anfang April der Einsatz von Allgemeinmedizinern in Alten- und Pflegeheimen koordiniert. Das übernahm AMMD-Präsident Alain Schmit als ebenfalls zur Gesundheitsministerin hinzugezogener Ärzte-Generalkoordinator. „Von den 56 Einrichtungen hatte nur die Hälfte einen Plan, wie mit einer Epidemie umzugehen sei. Die anderen sagten zwar, sie hätten kein Problem, an einen Arzt zu gelangen, aber dafür einen ständigen Bereitschaftsdienst zu organisieren, war eine meiner Aufgaben.“ Zum Glück, sagt er, habe es bis heute in keinem der Heime einen regelrechten Covid-19-Ausbruch gegeben. „Allerdings gab es Todesfälle.“

Heute ist die Situation mit der vor einem knappen Vierteljahr kaum zu vergleichen. Wurden Ende März bis zu 250 „Covid-19-Positive“ an einem Tag gezählt, liegen trotz Déconfinement die Zahlen seit längerem im einstelligen Bereich. Und dass obwohl heute zwischen 2 000 und 3 000 Virustests täglich stattfinden, während es vor drei Monaten mangels Test-Kits oft nur ein paar hundert sein konnten. An Covid-19 erkrankte Intensivpatienten liegen mittlerweile nur noch im Escher Stadtkrankenhaus des Centre hospitalier Emile Mayrisch (Chem). Im CHL liegt seit Anfang Juni keiner mehr, der letzte Todesfall ereignete sich dort am 15. Mai. Ein schon vereinbartes Gespräch mit dem Leiter der Krisenzelle des Chem kam nicht zustande; vielleicht weil das Spital derzeit noch am stärksten gefordert ist.

Trügerische Ruhe In der Ruhe, die nun eingekehrt ist, wird die Exegese des in den letzten Monaten Erlebten vorgenommen und diskutiert, wie das „System“ sich am besten auf den Herbst vorbereitet. Die derzeitige Ruhe sei trügerisch, sagt Gesundheitsamts-Direktor Jean-Claude Schmit. Die nun „kleinen Zahlen“ zu interpretieren, sei schwierig. „Wir erfassen Infizierte ohne Symptome, aber auch Patienten, die mit Symptomen zum Arzt gehen.“ Manchmal würden zwei Infizierte am wieder eröffneten Flughafen entdeckt; die könnten dann die einzigen neuen Covid-Positiven an einem Tag sein. Schmit weiß: „Wir finden nicht alles. Typischerweise haben wir vor allem Fälle in Gemeinschaften, soll heißen: Familien.“ Das seien aber „kleine Cluster, das ist nicht so großflächig wie bei der Grippe“.

Wenn im Herbst die Grippe wiederkommt, Covid-19 noch da ist und es daneben die üblichen Erkältungskrankheiten gibt, will man gerüstet sein. „In Frankreich hat der Conseil scientifique am 2. Juni vier Szenarien herausgegeben, mit denen zu rechnen wäre. An etwas Ähnlichem arbeiten auch wir.“ Spitäler darauf vorzubereiten, sei relativ leicht: „Da unterscheidet man zwischen normal und schwer Erkrankten.“ Im außerklinischen Bereich sei das schwieriger. „Was macht ein Allgemeinmediziner, wenn sein Wartezimmer voller Patienten sitzt, die alle niesen und husten? Und manche haben Grippe, andere Covid, wieder andere eine banale Erkältung?“ Die Praxen einfach schließen wie im März, „das konnten wir ein Mal machen, ein zweites Mal wollen wir das nicht“. Nur auf Rendez-vous zu arbeiten, sei nicht so einfach, wennes viele Patienten gibt. Für Schmit besteht eine wichtige Lehre aus dem ersten Covid-Ausbruch darin, dass der außerklinische Bereich besser organisiert gehört. Und zwar bald, denn die Grippesaison beginne mitunter schon Ende September/Anfang Oktober. Aber auch über Covid-19 hinaus findet er das nötig: „Unsere Gesundheitsversorgung ist zu spitalzentriert. Wenngleich das auch Vorteile hat.“

Solche Feststellungen haben es in sich, denn sie reichen in die große Gesundheitspolitik hinein und in Richtung Gesondheetsdësch. Die Politik kündigt sich schon an, jetzt, da die Fallzahlen gesunken sind und déconfinéiert wird. „Die Corona-Krise hat gezeigt, wie resilient die Spitäler sind, dabei behaupten gewisse Leute, dass sie nicht auf der Höhe der Zeit seien und schlecht gebaut“, erklärt Paul Junck, Präsident des Krankenhausverbands FHL. Für CHL-Chef Nati „hat die Krise bewiesen, dass man die Spitäler nicht zerstückeln darf“, und er hofft, „dass das am Gesundheitstisch berücksichtigt wird, auch wenn das im Gegensatz zu den Ideen jener steht, die sich den Tisch besonders gewünscht haben“. Worauf Philippe Wilmes, amtierender AMMD-Vorsitzender, solange Alain Schmit die Ministerin berät, entgegnet, das werde falsch verstanden. Der Ärzteverband wolle die Spitäler „lediglich um von Ärztegesellschaften geführte Diagnose- und Behandlungszentren ergänzen und alles klug vernetzen“. Voraussichtlich ab Mitte September soll der Gesondheetsdësch das zu thematisieren beginnen.

Apropos CSA Vorher ist mit Stärkung des außerklinischen Bereichs eher gemeint, die Arztpraxen einzubinden, wenn es mehr Covid-Fälle gibt. Alain Schmit stellt fest, die Disponibilität der Allgemeinmediziner sei genauso vorbildlich gewesen wie die der Klinikärzte. Er kann das beurteilen, weil er als Generalkoordinator der Ministerin auch die Ärzte-Dienstpläne für die Centres des soins avancés (CSA) in Luxemburg-Stadt, Esch/Alzette, Ettelbrück und Grevenmacher aufstellte und die für Hausbesuche bei Patienten ebenfalls. Allerdings hätten die CSA – eine Einrichtung, die in der Schweinegrippe-Pandemie 2009 erdacht wurde – vor allem dazu gedient, Covid- von Nicht-Covid-Patienten zu trennen. So konnten Erstere leichter erfasst und in Quarantäne geschickt werden. Für nicht mit dem Corona-Virus Infizierte dagegen habe in den CSA nur eine „rudimentäre“ Medizin zur Verfügung gestanden. „Da gab es kein EKG, keinen Ultraschall. Selbst die drei Maisons médicales sind besser ausgerüstet als die CSA es waren.“

Dass die Nicht-Covid-Versorgung besser sein müsse als nach dem Lockdown ab Mitte März, ist auch zu hören, wenn es um die Spitäler geht. Wobei auch Politik durchscheint. Interessanterweise beklagt neben der AMMD vor allem der Generaldirektor der Schuman-Spitäler, die Beschränkung auf dringende Operationen und Notfälle – neben Covid-Patienten – habe zu einem Rückstand geführt, den man sich nicht noch einmal erlauben dürfe. „Wir erleben jetzt eine Non-Covid-Welle“, erklärte Claude Schummer am Mittwoch auf RTL und wiederholt es gegenüber dem Land. „Auch eine um drei Monate aufgeschobene Hüft-OP kann folgenschwer sein, wenn der Patient jetzt im Rollstuhl zu uns kommt.“ Krebsvorsorge-Untersuchungen sollten ebenfalls nicht aufgeschoben werden. Schummers Fazit: „Nochmal alles runterfahren will ich nicht.“

Non-Covid-Welle? Dagegen legt Paul Wirtgen vom CHdN Wert auf die Feststellung, „wir haben auch im Lockdown alles angeboten, wenn es dringend gebraucht wurde“. Und CHL-Generaldirektor Nati erklärt, „ich würde zwar wahrscheinlich nicht noch einmal alles so runterfahren wie im März, aber wir arbeiten nun alles auf und haben nicht etwa lange Wartelisten“. Wie groß die „Non-Covid-Welle“ ist, lässt sich nicht unabhängig feststellen. „Wir führen über das Liegengebliebene nicht systematisch Buch“, sagt Nati. Ob, wie die AMMD Ende April gewarnt hatte, Herzinfarkte und Hirnschläge unbehandelt blieben, weil von den starken Botschaften der Regierung verängstigte Menschen sich nicht mehr in ein Spital trauten, ist unbekannt. „Wir haben dazu keine Messinstrumente“, sagt Spital-Generalkoordinator Turk. Beobachtet worden sei, dass die Notaufnahmen der Spitäler nur mit einem Viertel bis einem Fünftel der Patientenzahlen konfrontiert waren, wie in Vor-Covid-Zeiten. Paul Wirtgen aber will das nicht überbewerten: „Erfahrungsgemäß ist nur jeder zehnte Patient, der eine Notaufnahme aufsucht, ein echter Notfall.“

Vermutlich wäre es sinnvoll, diese Frage mit wissenschaftlicher Hilfe zu klären, um besser entscheiden zu können, wie die Spitäler sich auf eine „zweite Welle“ einstellen sollen. Die Arztpraxen möglichst nicht zu schließen, scheint acquis zu sein. Dagegen einigte sich vergangene Woche im Senninger Schloss eine große Runde mit der Gesundheitsministerin, den Klinikchefs und der AMMD zunächst darauf, dass wie schon ab Februar zunächst das CHL mit dem nationalen Infektionsdienst bereitsteht und ihn voll für Covid-Patienten zur Verfügung stellt. Noch nicht entschieden wurde dagegen, ob womöglich kurzfristig ein „Covid-Spital“ eingerichtet wird, wie das die AMMD, aber auch die Schuman-Spitäler befürworten, um die Versorgung anderer Patienten möglichst nicht zu beeinträchtigen. „Wir haben vorgeschlagen, dass dafür die Escher Clinique Sainte-Marie genutzt werden könnte“, sagt Claude Schummer, „aber eigentlich haben alle vier Spitalgruppen ein Haus, das sich nutzen ließe.“ Schummer räumt ein, dass die Idee bei seinem Amtskollegen im CHL nicht gut ankommt. Denn ein Covid-Spital müsste ein Voll-Spital sein. „Wenn wir schon jetzt unter Personalmangel zu leiden haben, sehe ich nicht, wie eine zusätzliche Klinik etwas bringen soll“, sagt Romain Nati. Statt dass alle Kliniken Ärzte und Pfleger in ein Covid-Spital abstellen, wäre es ihm lieber, jede der vier Spitalgruppen bereitet sich vor und erhielte dafür die nötigen Mittel. Schummer findet, das könne man auch machen. „Wir sind nicht ideologisch. Ich weise aber darauf hin, dass falls es sehr viele Covid-Patienten gibt, die sich im Winter wahrscheinlich nicht gerne in Armeezelten vor den Spitälern behandeln lassen möchten“. Wenn man das wolle, könnte ein „fester Bau“ schon im Herbst betriebsbereit sein.

Geld verdienen Man mag es nicht vermuten, aber in dieser Diskussion verbirgt sich auch eine politische über die Bezahlung der Klinikärzte. Dass AMMD und Schuman-Spitäler sich darin so nah sind, verwundert nicht. Bei Schuman sind alle Ärzte Freiberufler, die ihr Geld pro Behandlungsakt am Patienten verdienen. Im Lockdown erlitten sie Einkommensverluste. Claude Schummer sagt deshalb ganz offen, ihm müsse es darauf ankommen, seinen Ärzten gleichberechtigte Möglichkeiten zum Geldverdienen zu geben. Das fiele leichter, wenn es für Covid-Kranke eine spezialisierte Klinik gäbe. Im CHL dagegen sind die meisten Mediziner festangestellt, können aber ebenfalls nur Behandlungsakte abrechnen. Der Erlös wird gesammelt und unter allen CHL-Ärzten mit Festanstellung als Gehalt umverteilt.

Doch offenbar sitzen CHL und Schuman nicht ganz im selben Boot. Zur Bewältigung von Covid-19 erfand die Regierung am 30. März einen „Stundentarif“ für Ärzte. Für maximal 40 Stunden monatlich bezahlt ihn die CNS. Anfangs sollte er an den CSA gelten, wurde dann ausgeweitet, zuletzt auf die Klinikärzte. Wie viele bei Schuman davon Gebrauch machten, ist unbekannt. Dem CHL-Gehaltstopf scheint er in der Zeit reduzierter Aktivität so geholfen zu haben, dass Romain Nati erklärt: „Eines meiner Fazits aus dem ersten Ausbruch ist, dass dieser Tarif beibehalten werden sollte.“ Dagegen beschwerte die AMMD sich gleich nach seiner Einführung, dass sie nicht konsultiert wurde. Schon wahr: Wofür ein Krankenhausarzt bezahlt werden soll, ist seit Jahren eine gesundheitspolitisch besonders schwierige Frage. Dass sie nun wiederkommt, zeigt, dass die Krise vorerst vorbei ist. Aber auch, dass die Solidarität aller Akteure im Gesundheitswesen untereinander wieder schwerer verhandelt werden muss.

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Peter Feist
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