Es fehlt noch der Schwerthieb, der den Gordischen Knoten der griechischen Staatsfinanzen-Krise durchschneidet, doch immerhin sind Griechenland und seine Geldgeber Anfang April beim Treffen der Euro-Gruppe in der maltesischen Hauptstadt Valletta ein Stück vorangekommen. Man weiß nun, dass der Knoten aus einem einzigen Faden besteht und wer die beiden Enden in Händen hält.
„Wir haben bedeutende Fortschritte erzielt“, verkündete Jeroen Dijsselbloem, Chef der Euro-Gruppe, nach dem Treffen auf Malta. Im Klartext heißt das, was Athen in den kommenden Jahren leisten muss, um die internationalen Geldgeber bei Laune zu halten. 2019 muss die griechische Regierung die Renten kürzen. Dies in einem Umfang, der einem Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Landes entspricht. Im Jahr darauf soll auch die Einkommensteuer erhöht werden mit dem Ziel, dass mehr Bürger als bisher einkommensteuerpflichtig werden. Im Gegenzug gab es Zugeständnisse der Gläubiger: Wenn die Haushaltssanierung bis Ende 2018 wie geplant läuft, darf das Land
für die von der Krise besonders gebeutelten Bürger etwas tun. Es soll dann mehr Geld „gegen Kinderarmut, für Beschäftigung, Investitionen, die Krankenversicherung der Rentner und für Wohnungsbeihilfen“ ausgeben dürfen, sagte Griechenlands Finanzminister Euklid Tsakalotos. Vor allen Dingen aber gab es Geld, mit dem Athen im Juli Forderungen in Höhe von sechs Milliarden Euro begleichen kann
Die auf Malta erzielte Einigung war überfällig. Vorausgegangen waren monatelange Streitereien um künftige Reformen. Meinungsverschiedenheiten hatte es dabei auch zwischen den internationalen Geldgebern gegeben: So verlangte der Internationale Währungsfonds (IWF) deutlich drastischere Reformen des Rentensystems und des Arbeitsmarkts als die Euro-Zone. Die Folge war, dass das nicht enden wollende Gerangel über die Köpfe Athens hinweg Griechenland in eine neue Phase der Unsicherheit stürzte. Dies schlug sich vor allen Dingen im Bankensektor nieder, wie Benoît Cœuré, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), für die Euro-Gruppe feststellte. Das Land drohte zurück in die Stagnation zu fallen, vor allem weil seine Retter nicht an einem Strang zogen.
Zum Glück zeigten die beteiligten Parteien Einsicht. „Niemand kann ein Interesse an einer neuen Griechenland-Krise haben“, so Tsakalotos. Doch eine endgültige Lösung ist dies noch lange nicht. Die Gläubiger haben mit dem Kompromiss von Valletta ihre Querelen nicht endgültig ausgeräumt. Zwischen der Euro-Zone und dem IWF gibt es nach wie vor einen tiefgreifenden Dissens darüber, ob Griechenland seine schwere Schuldenlast auf Dauer allein tragen kann oder nicht. Der IWF glaubt nicht daran und verlangt deshalb, dass die Euro-Zone der Regierung in Athen bei Kreditlaufzeiten und bei den Zinsen noch einmal deutliche Erleichterungen gewährt. Und zwar mit Frist – vor allem an die Adresse Berlins: Eine detaillierte Zusage zu möglichen Erleichterungen müsse es von der Eurozone noch „deutlich vor der Bundestagswahl“ geben, zitiert etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung IWF-interne Kreise. Andernfalls würde sich der IWF an einem dritten Hilfsprogramm für Griechenland definitiv nicht mehr beteiligen.
Diese Frist passt der deutschen Politik überhaupt nicht ins Konzept. Sie möchte das Thema „Griechenland“ aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten. Denn dies nutze vor allem nur europakritischen Parteien. Damit dies gelänge, werde Griechenland von den Geldgebern neue Milliarden-Kredite erhalten, obwohl klar sei, dass die Regierung in Athen Reformen verweigere und die Schulden nicht zurückzahlen könne, so etwa der Vorwurf von Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Vizepräsident des Europa-Parlaments, in Richtung Berlin. Von Lambsdorff forderte die Bundesregierung auf, die Zahlungen an Athen einzustellen: „Die Griechenland-Rettung ist gescheitert. Die Bundesregierung ist genauso auf dem Holzweg wie die Euro-Gruppe.“ Und weiter: „Griechenland kann innerhalb der Währungsunion nicht wieder auf die Füße kommen. Der Austritt aus dem Euro ist der bessere Weg für alle Beteiligten“, so der Parlamentsvize aus Brüssel.
Es bleibt abzuwarten, wie sich die Sozialdemokratie positionieren wird, die zwischen den Stühlen sitzt. Zwar ist ihr Spitzenkandidat Martin Schulz ein Verfechter der europäischen Idee und vor allem auch der europäischen Solidarität, doch hat die SPD in der großen Koalition am Berliner Kabinettstisch die Entschlüsse des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) mitgetragen – vor allem auch die Austeritätspolitik.
Schäuble will den IWF – in einem Bündnis internationaler Solidarität – unbedingt an Bord halten. Doch ist er nicht bereit, Athen Zugeständnisse zu machen und die vom IWF genannten Bedingungen zu erfüllen. Erst Ende nächsten Jahres werde die Euro-Zone über Erleichterungen beim Schuldendienst sprechen, und auch dann nur bei Bedarf, erklärte Schäuble im Handelsblatt. Am Ende wird einer von beiden einknicken müssen, entweder Deutschland oder der IWF. Eurogruppen-Chef Dijsselbloem ahnt offenkundig, dass hier noch schwierige Debatten bevorstehen. Der Niederländer wollte am Freitag keine Prognose wagen, wann sich Griechenlands Geldgeber zusammenraufen könnten. Dijsselbloem: „Darauf kann ich Ihnen jetzt keine endgültige Antwort geben.“