King Kongs Töchter

Drei Damen vom Grill

d'Lëtzebuerger Land vom 29.03.2001

Meggie möchte eine Spe-z-ia-list-in sein. Eine sehr begehrte noch dazu. Eine von jenen Jet-set-Frauen, die man einfliegt und in teueren Hotels unterbringt, deren Spezialistinnenratschläge man sich gerne eine Stange Geld kosten lässt. Schon allein deshalb, weil es ihren Lippen steht, wenn sie das Wort „Spezialistin" ausspricht (dagegen: „mit nichts ist man schneller entstellt, als wenn man ficken nicht sagen kann, das Wort ist gnadenlos").

Doch die rabiate Meggie (Petra-Line Schulze) ist bisweilen keine Spezialistin, keine anerkannte zu-mindest, sondern schlichtweg eine Altenpflegerin. „Seniorendomptöse", "Greisenputze" oder „Knacker-amme", wie sie und ihre beiden Kolleginnen Carla und Berta einander beschimpfen. Nicht eben glamourös als Beruf. Kotbeutelchen wechseln, Thrombosenbeine ein- und auswickeln, Hämorrhoiden pflegen und Dreckspfannen unter den Betten hervorziehen. Altenpflegerin-nen-alltag.

Kaum hatte Theresia Walser, jüngste Tochter ihres Vaters Martin, King Kongs Töchter geschrieben, eine bitterböse Groteske über das Leben in der Endstation Altenheim, da wurden ihr Stück von der karrieremachenden Fachzeitschrift theater heute zum Stück des Jahres 1999 und sie zur Autorin des Jahres gekürt. So viel Anerkennung hilft, damit auch die überwiegend französischsprachigen und klassischen Bühnen Luxemburgs mal wieder einen Blick ins junge deutsche Theater wagen. Das Kapuzinertheater koproduziert King Kongs Töchter mit dem Theater Trier; Andreas Baesler, der vor ein paar Jahren schon Schakespeares Romeo und Julia inszeniert hatte, führt Regie bei einer äußerst gelungenen deutsch-luxemburgischen Be-setzung. 

So sieht man zum Beispiel Sascha Ley als dynamische Altenpflegerin, Serge Tonnar als jungen Abenteurer und Hansdampf Rolfi, Christine Reinhold als mürrische Frau Tormann, Fernand Fox als schusseligen Herrn Nübel („großes N, kleines Übel") und, sehr interessant, Josiane Peiffer als liebestolle Frau Greti, als alte Frau also, vielleicht eine neue Etappe in ihrer Karriere. 

Es ist schon ein komischer Abend, jener Abend an dem wir Carla (Nadine Kettler) und Berta (Sascha Ley) kennen lernen. Ein Abend, an dem acht Nachttischchen in der Straße auf den Sperrmüll warten. Die beiden Powerfrauen jedoch suchen ein Sofa, eine Requisite sozusagen, für ihre Inszenierung von Frau Tormanns Tod als Mae West. Denn sie drei sehen sich als „Stew-ardessen für die letzte Reise". Naht der Tod eines Heiminsassen, werden die Wracks schön aufpoliert, „auf dass die hier mit Glamour abkratzen können". Theresia Walser hat selbst einmal in einem Altenheim gejobbt, ihre Beschreibung der Zustände dort sind nicht eben schmeichelhaft. Keine Zeit, kein Geld, keine Anerkennung. Das trostlose Esszimmer, das Eckhard-Felix Wegenast entworfen hat - bräunliche Tapete, die abblättert, staubige Plastikpflanzen, abwaschbare Möbel von Nei Aarbecht, heimeliges Friedhof-ambiente - lässt kaum Freude aufkommen.

„Es ist eine Verlogenheit, so zu tun, als gebe es eine soziale Realität auf der Bühne," sagte die Autorin mal dem Stern gegenüber (zitiert im Programmheft). Auch wenn es gut in das ungewollte „Jahr des Altentheaters" der Luxemburger Bühnen passt (Du bist meine Mutter, Les dernières Lunes, Wanter, Mir gesin eis jo nëmmen all Joer eng Kéier hei am Abrëll...), so hat King Kongs Töchter doch andere Qualitäten. Zum Beispiel die des Textes, der ständig zwischen Tränen, Lachen und Brechreiz hin- und herschwankt und immer wieder die Nähe zum Zuschauer bricht. Des öfteren schlittert Walser bei ihrer Gratwanderung auf dem Tabu - Altensex, Euthanasie, Blut und Exkremente -, rutscht jedoch nie ab. Manchmal ist sie sogar verdammt nah an reiner Poesie. Als sei das Stück nicht schon schrill genug, hat Andreas Baesler sich für eine resolute Popinszenierung entschieden. Theater ist nicht das Leben! Wir machen Theater, und wir machen es bis zum Schluss!, scheint er sagen zu wollen. Und das klappt.

King Kongs Töchter ist ein Stück über das Sterben, über die Trostlosigkeit der Altenheime, über die Bösartigkeit der Alten. Vielleicht auch über Sterbehilfe, aber eben nicht bloß. Seit in Luxemburg ASFT- und Pflegeversicherung eingeführt wurden, beklagen sich AltenpflegerInnen, dass sie keine Zeit mehr für ihre Patienten haben, sondern am laufenden Band Besuche abstatten müssen, waschen, pflegen und gleich zum Nächsten. Da wirkt Theresia Walsers Stück schon weniger unrealistisch.

Carla, Berta und Meggie haben eine Hassliebe für ihre schrulligen Alten - die zuckerkranke Frau Albert (Ve-rena Rhyn) mit ihrem Glücksbriefchen und ihren Mann (Stephan Pritz), der nicht mehr überall mit seinen Fingern hinkommt, die mannstolle Frau Greti (Josiane Peiffer) oder den liebestollen Herr Pott (Manfred-Paul Häning) und seine ewigen Gedichte. Doch irgendwo verkraften sie die Aussichtslosigkeit des langsamen Dahinsiechens, die ständigen Drecksarbeiten nicht mehr. So träumen sie sich mit ihren Alten zusammen ein schöneres Leben: sie, die „Kellnerinnen" als Begleiterinnen auf der letzten Reise. Doch diese Reise sollen sie als Stars antreten: Ginger Rogers, Greta Garbo, Mae West, Rita Hayworth, Clark Gable... you name it!

Jeder ist einmal im Leben ein Star, das wissen wir seit Andy Warhol. Und wenn es bis dahin nicht geklappt hat, so soll es beim Tod sein. „Hoch die Tassen!", rufen die Todesengeln einander zu. Und man kann es ihnen nicht wirklich verübeln. „Man ist gefährlicher als man denkt!", warnte Berta schon am Anfang vor sich selbst.

 

King Kongs Töchter von Theresia Walser; Inszenierung: Andreas Baesler, Bühnenbild: Eckhard-Felix Wegenast; Kostüme: Ulli Kremer; es spielen: Sascha Ley, Nadine Kettler, Petra-Lina Schulze, Josiane Peiffer, Verena Rhyn, Stephan Pritz, Manfred-Paul Hänig, Fernand Fox, Christine Reinhold und Serge Tonnar; eine Koproduktion des Kapuzinertheaters Luxemburg mit dem Theater Trier. Nach fünf Vorstellungen in Luxemburg wird das Stück ab dem 8. April siebenmal im Theater Trier gespielt.

josée hansen
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