Ceps-Instead

Alles ist politisch

d'Lëtzebuerger Land vom 26.10.2012

Gut ein Dreivierteljahr ist es her, dass das Sozialforschungsinstitut Ceps-Instead in eine tiefe Krise geriet. Plötzlich stellte sich die Frage, welche Rolle es mit seinen 130 Mitarbeitern überhaupt in der heimischen Forschungslandschaft spielen soll. Gegenwärtig läuft unter dem neuen Verwaltungsratspräsidenten Raymond Wagener, der übergangsweise auch als Generaldirektor fungiert, nicht nur die Suche nach einem neuen Direktor. An einer Forschungsstrategie arbeitet man auch. Vergangene Woche wurde ein zweiter, überarbeiteter Entwurf vom Ceps-Verwaltungsrat begutachtet; diese Woche wurde er mit Beratern des Luzerner Büro Interface besprochen, das im Auftrag des Forschungsministeriums in den letzten beiden Jahren auch die externe Evaluation aller Forschungszentren koordiniert hat. Ein Credo lautet: Die Erneuerung soll aus dem Ceps selbst kommen.
Mit der Version zwei des Strategie-Entwurfs steht der künftige Forschungsansatz weitgehend fest. Und er klingt durchaus kühn: Gerade in der Politikforschung, die in der Vergangenheit so manchen Kritikern als schwacher Punkt des Instituts galt, soll es künftig reüssieren. Schwäche wurde bisher assoziiert mit Politikberatung, die das Ceps im Auftrag von Ministerien und Verwaltungen vornimmt. Das könne schwerlich wissenschaftlich sein, hieß es immer wieder.
„Kann es doch“, sagt Ceps-Forschungsdirektor Philippe Van Kerm. Nämlich dann, wenn man neben den eher beschreibenden Studien für Auftraggeber die Analyse ausbaut und überdies die Abschätzung von Politikfolgen. „Ansätze dazu gab es bisher schon, aber sie waren nicht kohärent genug“, so Van Kerm. Aus dem großen Themenspektrum der Sozialpolitik soll das Ceps sich künftig auf drei konzentrieren: einerseits Beschäftigung, Arbeitsmarkt und Arbeitsbedingungen; zweitens Sozialschutz, Ungleichheiten und Umverteilung; drittens grenzüberschreitende Prozesse von Raumentwicklung und Mobilität.
Neue Gebiete für das Ceps sind das nicht. Aber stärker werden soll das Institut zum Beispiel bei der Abschätzung sowohl kurzfristiger als auch langfristiger Politikfolgen. „Welche Auswirkungen hätte zum Beispiel eine Steuerreform auf Einkommenslage, Umverteilung und soziale Ungleichheiten?“, gibt Van Kerm ein Beispiel. Oder: „Welche Entwicklungsszenarien ergeben sich in zwanzig Jahren für die Pflegebedürftigkeit der Bevölkerung, je nachdem wie sich die Lebenserwartung sowie die Lebenserwartung bei guter Gesundheit entwickeln, und je nachdem, wie sich womöglich die Arbeitswelt ändert – vielleicht auch durch politische Eingriffe?“
Strategische Bedeutung in diesem Zusammenhang haben Simulation und Modellierung, etwa anhand von Mikrodaten zu Beschäftigung, Einkünften und Sozialschutz von Individuen. Die Modelle dafür kommen zum Teil aus dem Ceps selbst. Und seit kurzem ist es Mitglied in einem europaweiten Netzwerk von Policy Research-Einrichtungen, die in der Politikberatung wie auch in der Forschung dafür aktiv sind. Zu ihnen gehören unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung oder das belgische Bundes-Planungsbüro.
„Natürlich ergeben sich dabei Schnittmengen mit der Universität“, sagt Van Kerm. Nicht zuletzt mit dem Labor zur Forschung an Ungleichheiten, das der Soziologe Louis Chauvel im Auftrag des FNR aufbaut (d’Land, 12.10.2012). Miteinander zu kooperieren habe man aber schon vereinbart, sagt nicht nur Van Kerm, sondern auch Chauvel. Ob das Ceps längerfristig als selbstständiges Institut bestehen bleibt oder sich vielleicht dem „großen CRP“ aus der Fusion von Tudor und Lippmann anschließt, diese Frage stelle sich „derzeit nicht“, erklärt Interim-PDG Raymond Wagener. „Zunächst soll das Ceps zu sich selber finden. Danach kann man weiter sehen.“

Peter Feist
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