100 Jahre Arbed

Kultureller Wandel

d'Lëtzebuerger Land vom 09.09.2011

Ihr Hundertjähriges feiert die Arbed, heute Arcelor Mittal, kommenden Donnerstagmorgen mit einem feierlichen Festakt in Belval. Der Großherzog und der Staatsminister sind eingeladen. Lakshmi Mittal, CEO und Verwaltungsratsvorsitzender von Arcelor Mittal kommt auch. Bei der Rezeption nach dem Festakt werden sie weder mit Crémant, noch mit Champagner auf das Jubiläum anstoßen. Auf den Schampus wird nicht aus Kostengründen verzichtet oder weil das schwierige Wirtschaftsumfeld ohnehin keine Champagnerlaune aufkommen ließe. Gemäß der Gesundheits- und Sicherheitspolitik im Unternehmen soll während der Arbeitszeit kein Alkohol getrunken, also auch nicht ausgeschenkt werden, erklärt Christian Zeyen, Generaldirektor und Country Manager Arcelor Mittal Luxembourg. Eine Anekdote sicher. Sie verdeutlicht aber den Wandel in der Unternehmenskultur, der sich seit der Übernahme von Arcelor durch Mittal Steel 2006 vollzieht. Während der Übernahmemonate damals war immer wieder vom Weinkeller der Arbed in der Avenue de la liberté die Rede, dessen Wert und Qualität, wie bei der Legendenbildung üblich, jedes Mal märchenhafter wurden. 

Heute werden in der Avenue de la liberté die Kurse der Arcelor Mittal University abgehalten; im Rahmen des firmeninternen Fitness- und Sportangebotes gelegentlich auch Yoga-Kurse. Im Bericht über die Unternehmensverantwortung 2010, der erste, der für Arcelor-Mittal Luxembourg veröffentlicht wurde, steht: „Rodange et Schifflange avaient mis l’accent sur la prévention du stress par le sport en invitant à un atelier ‚Distraction du quotidien avec les arts martiaux’. Il montrait comment les techniques des mains, jambes et de défense des arts matriaux peuvent contribuer à retrouver un équilibre physique et mental.“ Ohne die therapeutische Wirkung von Kampfsportarten in Abrede zu stellen: Warum die Mitarbeiter besagter Werke Stress hatten, steht nicht im Bericht. Arcelor Mittal Rodange Schifflange veröffentlichte vergangene Woche die Halbjahresergebnisse für das erste Semester 2011 veröffentlicht. Zwar konnte der Umsatz gegenüber dem ersten Semester 2010 um 30 Prozent auf 247,5 Millionen Euro gesteigert werden. Doch sowohl das operative wie das Nettoergebnis (-5,5 beziehungsweise -15,3 Millionen Euro) waren schlechter als im ersten Halbjahr 2010. Trotz der bereits eingeleiteten Restrukturierungsmaßnahmen, die den Werken, die wegen der durch die Wirtschaftskrise ausgelösten Flaute im europäischen Bauwesen mit anhaltenden Absatzschwierigkeiten kämpfen, eine Überlebenschance geben sollen. Um die Produktivitätsraten von Rodingen und Schifllingen zu erhöhen werden 262 Vollzeitstellen abgebaut.

Doch wenn Arcelor Mittal im Bericht über die Unternehmensverantwortung von Investitionen in die Mitarbeiter schreibt, und betont, dass die Sicherheit an oberster Stelle stehe, meint das Unternehmen die körperliche, nicht die Arbeitsplatzsicherheit. Letzterer sind neben der Mitbestimmung der Mitarbeiter nur wenige Zeilen gewidmet. Dass man die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren beschnitten habe, streitet Christian Zeyen ab; dabei gibt es seit dem Ausscheiden von John Castegnaro, ehemaliger OGBL-Präsident und LSAP-Abgeordneter, im Verwaltungsrat von Arcelor Mittal keine Personalvertretung mehr. Zeyen verweist auf die nationale Ebene – hier gebe es jeweils Arbeitnehmervertreter in den Verwaltungsräten – und, nicht zuletzt, auf die unabhängigen Verwaltungsratsmitglieder auf Konzernebene. Dazu gehört unter anderem Prinz Guillaume, eine ehemalige McKinsey-Beraterin, mehrere ehemalige Bankenvorstände und der CEO der Lafarge-Gruppe.

Michèle Sinner
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