Seit mittlerweile fast zehn Jahren arbeitet das Centre national de littérature die Geschichte der Satire in Luxemburg auf. Zuletzt bot man im Verbund mit CNA, RTL und Mierscher Kulturhaus die große Pir-Kremer-Show (d’Land, 3.1.2010). Nun folgt das Kontrastprogramm: Ein Band mit Kabaretttexten von Mars Klein, der einst angetreten war, um „Onkel Fritzens friedlichem Puppentheater für das brave ganz breite Publikum“ (Pir Kremers Revue) und anderen Untiefen der heimischen Lachkultur etwas entgegenzusetzen.
Ein Soloprogramm mit politischem Kabarett nach deutschem Vorbild – ohne fremde Texte, wie sie andere Ensembles rezitierten, und ohne Musikeinlagen, die dem Vortrag die Spitzen hätten nehmen können – brachte Mars Klein Ende der Siebziger den Ruf als Luxemburgs schärfstem Satiriker ein, bevor er sich Mitte der Achtziger von der Bühne verabschiedete. Samthandschuh war nicht, herausgegeben von Pascal Seil, legt davon Zeugnis ab, ebenso wie von Kleins Karabett-Comeback seit 2012.
Über die Hälfte des Buches ist den vier epochemachenden Programmen von 1978 bis 1981 gewidmet, ergänzt um verstreute Texte Kleins, Presseberichte, Fotos und Pit Weyers unverkennbare Plakatmotive. Dass der Künstler gerade in dieser Zeitspanne aktiv war, erscheint rückwirkend als Glücksfall, stellt sie doch einen Wendepunkt in der jüngsten Geschichte dar.
Nicht nur auf dem Krautmarkt erklärten konservative Politiker die progressiven Siebziger für beendet. Mit Johannes Paul II. lebte der Katholizismus wieder auf. Und in Luxemburgs Stahlkrise wurde deutlich, dass künftig die Steuerpolitik den Wohlstand des Landes sichern müsste. Einem Satiriker, der sich dem aufgeklärten Humanismus und republikanischen Tugenden verschrieben hatte, mussten solche Entwicklungen zwangsläufig erzürnen. Zu Beginn kalauerten Kleins Antworten etwas eintönig daher, im Lauf der Jahre erweiterte er sein stilistisches Repertoire allerdings, immer auf schnelle Wortwitzkaskaden bedacht.
Abseits der tagespolitischen Themen und Hiebe erkennt man aber schnell, dass es Mars Klein um kabarettistische Fundamentalkritik ging, um einen Abriss der luxemburgischen Mentalität und all dem, was einer aufgeklärten Gesellschaft hierzulande im Weg steht: Kleingeistigkeit, Untertänigkeit und „Heimatdümmelei“, gekoppelt mit dem Wunschtraum, es dem Ausland endlich mal zu zeigen – und sei es auch nur auf dem Gebiet der Unternehmenssteuern oder des Satellitenfernsehens.
Deshalb lohnt sich die Lektüre dieser Texte immer noch. Eine Kulturpolitik, die vor allen den inflatio-nären Gebrauch des Worts „Kultur“ fördert, oder eine symbiotische Beziehung zwischen dem größten Rundfunkunternehmen und der Politik – derlei könnte auch heutzutage manchen allzu vertraut vorkommen. Eine „Zukunftsvision“ von Luxemburg im Jahr 2050 aus dem Programm ’79 hat Mars Klein gar vierzig Jahre später gekürzt wiederaufgenommen; so wenig wurde der nationale Kurs korrigiert.
Kleins Texte funktionieren auch in gedruckter Form, weil ihr Autor sich zuvorderst als Autor verstand. 1981 veröffentlichte er erstmals eine Auswahl im längst vergriffenen Band Kleinvaterland (Éditions Guy Binsfeld). Aus der Dokumentation erfährt man auch, dass frühe Rezensenten regelmäßig Kleins beschränkte darstellerische Fähigkeiten bemängelten. Angesichts der Tatsache, dass ein hochrangiger Besucher damit drohte, bei einer „Monarschi“-kritischen Nummer den Saal zu verlassen, und eine Tageszeitung empfindliche Gemüter vor dem Kabarett warnte, könnte man dennoch fast neidisch werden auf Kellertheaterabende, bei denen das Publikum offenbar Angst davor haben musste, was auf der Bühne gesagt wird.
Aufschlussreich sind auch die Fragmente für das Kabarettprogramm ’85, das nie aufgeführt wurde, weil sein Autor zuvor einen Posten im Kulturministerium annahm. Irgendwann kriegt der Staat einen dann doch. Im zweiten Teil des Bandes verfolgen wir Mars Kleins Rückkehr auf die Kleinstbühne nach seiner Pensionierung, und hier verliert das Buch seinen Reiz. Das liegt zum größten Teil daran, dass Mars Klein in seiner zweiten Schaffensphase die Art von Kabarett macht, von der er sich in seiner ersten absetzen wollte: Klassikertexte (Heine, Tucholsky etc.), gemischt mit ein paar eigenen Werken und Adaptionen, vieles davon vertont.
Samthandschuh war nicht versammelt Mars Kleins Beiträge sowie Bildmaterial zu drei neueren Shows sowie zwei CDs, lässt deren thematische Leitlinien aber nur erahnen, so dass dieser ganze Abschnitt eher dokumentarischen Charakter hat. Dass der Biss und die gesellschaftliche Relevanz der frühen Jahre in Kleins „Reim dich oder ich fress dich“-Liedtexten nicht erreicht werden, versteht sich von selbst. Die erste Hälfte von Samthandschuh war nicht sowie Pascal Seils Nachwort zum Werdegang des Künstlers sind essenziell, der Rest eine nette Dreingabe.