Alles da, was man so braucht, in diesem Städtchen. Schon ein bisschen schön, aber nicht so, dass man einen Schönheitsschock bekäme. Ein Fluss, der sich nicht übertrieben ungebärdig durch die Landschaft bewegt. Mit Reben fromm gespickte Rundungen. Kirche im Städtchen und die gemütlichste Uni Deutschlands. Die Zeitung heißt Volksfreund, einkaufen gehen kann man auch. Etwas wunderbar Einschläferndes ist in der Luft, ist ja auch die älteste Stadt Deutschlands, Römer, davor auch welche.
Das Klima und das Temperament der Einheimischen sind gemäßigt, die Menschen von freundlicher Wesensart, weder übertrieben zugeknöpft noch allzu stürmisch. Behäbig, wie die Sprache, die die Nachbarinnen, die sich nach der Grenzüberschreitung eines Deutsch befleißigen, das ihnen hoch vorkommt – sie haben es in der Schule gelernt –, etwas aus dem Konzept bringt. Eine syrische Weinkönigin herrscht, die Untertanen prosten ihr zu.
Für alle Bedürfnisse ist also reichlich gesorgt, für die sinnlichen und die übersinnlichen. Göttliches, was an den Gestaden des Flusses gedeiht, rinnt durch die Kehlen. Beim jährlichen Rockfestival tanzt und dreht sich alles um den Rock, der in dieser Stadt sogar ein heiliger ist. Die finanziell Potenten aus dem Nachbarland können ihrem ungezügelten Shoppingtrieb nachgehen, billig, raunen sie sich zu, seit Dekaden. Sie besiedeln das Umland, billig, raunen sie sich zu, seit ein paar Jahren nicht mehr ganz so billig, meckern sie. Sie verkehren gern und günstig auf der Luxemburger Straße, die verkehrstechnisch günstig gelegen ist und mit immer neuen tollen Angeboten lockt. Freudenhäuser gibt es jede Menge, das Städtchen ist im deutschen Ranking Top, an zweiter Stelle. Starkes Wachstum in dieser Branche wird prognostiziert.
Einer fehlt noch, Sie haben es erraten. Der große Sohn der Stadt. Nach aktuellem Stand ist er statt 6,30 nur 5,50 Meter hoch, um jeden Zentimeter wird derzeit gefeilscht. Es handelt sich schließlich um ein Städtchen, dem Größenwahn und Gigantomanie abhold sind. Wie ein Lauffeuer hat sich ja die Nachricht vom Geschenk verbreitet. Von Danaerinnen? Nein, von Chinesen, heißt es. Geschenke sind immer so eine Sache, hängt man sie aufs Klo, oder für die Flüchtlinge? Chinesen also.
Diese rätselhaften Menschen, von denen wir nichts wissen. Sie sind diskret, ohne viel Getue stopfen sie Glutamate in Papptüten, die die hungernden Europäer in ihre Höhlen schleppen, ohne sie würden wir verhungern. Und wir hätten nichts anzuziehen. Obschon sie überall sind, mitten unter uns – in manchen von uns arbeiten fleißig ihre Organe, die man auch kaufen kann, diese Kommunisten sind die besten Kapitalisten der Welt –, kriegen wir sie kaum mit. Vermutlich beten sie nicht allzu offensiv, von chinesischen Terroristen hören wir hierzulande nichts, sie sind die idealen Mitbürger_innen.
China hat also dem friedlichen Städtchen ein Präsent gemacht, ein Abbild des großen Sohnes der Stadt. Was repräsentiert dieses Präsent?, grübeln viele Trierer_innen, die der Generalprobe des Marx-Models beiwohnen, nicht alle sind ja Fan_innen des großen Sohnes. Was führt China im Schilde? Ist das Propaganda? Es gibt schließlich schon eine Karl-Marx-Straße, zwar nicht so berühmt wie die Luxemburger Straße. Und ein Karl-Marx-Museum, mit einem Seniorenseminar und einem Kinderquiz. Ein Marx-Männchen käme ihnen ja noch in die Tüte, aber ein Maxi-Marx? Das Abbild sei keineswegs ein Götzenbild, auch wenn sich die Menschen von nah und fern dran ergötzen sollen, wird beschwichtigt. Zum Beispiel die aus Fernost. Dieses Geschenk sei eine schöne Geste, die auch die Gäste erfreue. Jetzt werden es noch mehr Gäste werden, aus China, so argumentieren die Entscheider.
Schließlich, lernen die erstaunten Einheimischen, sind chinesische Tourist_innen ganz wild nach Marx-Reliquien. Trier werde zu einem Pilgerort werden, nicht nur wegen dem Rock, zu einem Marxpilgermagneten. Zu einem Lourdes des Marxismus.
Ein Professor der sinologischen Fakultät der Universität Trier sieht es profaner. Die chinesische Regierung, so meint er, möchte lediglich ihre Duftmarken hinterlassen.