Das richt nach Arbeiterschweiß

Volkstribune, Volkstribünen

d'Lëtzebuerger Land du 24.03.2017

Martin Schmalz hat hundert Prozent, mehr als Saddam Hussein damals, in der guten, alten Zeit. Martin kriegt stehende Ovationen, Martin schwimmt auf einer Welle des Erfolgs, die alle mitreißt, hinreißt. Selbst gefürchteten Reinigungsfachkräften, die in Talking-Head-Shows das getretene Volk vertreten und den Volksmund öffnen, auch den verdrossenen Genossen, die sich nur noch von Volksversteherin AFD verstanden fühlten, zaubert er ein Lächeln ins vom Leben gezeichnete Antlitz.
Martin Schmalz leuchtet, er ist erleuchtet. Er wird allen den Weg zeigen, den richtigen, er führt einfach nur zurück. Sagen Kritiker_innen. Ich kann das nicht beurteilen, ich kenne mich mit Roboterinnen und Bots zu wenig aus, ich habe auch nicht alle Prognosen gelesen und alle Aspekte aller Studien berücksichtigt, ich gehe auch lieber spazieren und lasse mir abends im Fernsehen präsentieren, wer was für Europa auf dem Menü hat. Was ist auch schlecht am Rückweg, Hauptsache, es wird gut? Warum kann es nicht immer einfach nur gut sein, wirtschaftswunderbar, mit Dufttännchen im Auto und auf dem Klo, immer gleich? Das mit den Transgendertoiletten klären wir später. Warum wollen alle immer fortschreiten, keine weiß, wohin?
Martin Schmalz kommt aus einem kleinen Nest, von kleinen Leuten, er hat die Alkoholfahne geschwungen, er ist so menschlich. Aber das würde natürlich nicht reichen, zugleich ist er übermenschlich: Er war in Europa verschollen, er hat Europa überlebt.
Martin Schmalz, es riecht nach Arbeiterschweiß, rechtschaffenem, nach Kaninchenställen, Opa ist bei den Tauben, er trägt ein geripptes Unterhemd, die Männer sind unter Tage, und wenn sie auftauchen, legen sie sich unter Autos, an denen sie herumschrauben. Nachher hüpfen, gluckgluck, die noch nicht ausgestorbenen Adamsäpfel, die Männer setzen die Bierflasche an, die noch echt ist wie die Männer. Im Schrebergarten hämmern und sicheln die kleinen, aber hart arbeitenden Menschen, dann gibt es Bienenstich. Martin Schweiß fährt in einem Martinmobil durch das Zeugen-Jehova-Bilderbuch für die kleinen Männer und Frauen, die hinter Zäunen winken, die Gartenzwerge winken auch, die Blümchen nicken.
Jetzt, bei seiner Hundert-Cent-Rede, trägt er eine rot-weiß gemusterte Krawatte, sind das Glückselefäntchen? Vielleicht gar so mächtig wie die Raute? Jüngerinnen strahlen den ausstrahlenden Martin Schweiß an, der einen ganz klaren Programmpunkt hat: „Ich will Bundeskanzler werden!“ Das reißt alle wieder zu Begeisterungsorkanen hin. Die anderen Programmpunkte sind noch nicht klar umrissen, aber die neuen Jüngerinnen folgen ihm, blind, so ist das bei allem, was groß ist. Sie folgen ihm in das mythische Reich der Gerechtigkeit und des Respekts, in dem der Einzelne im Mittelpunkt steht, und zwar jede/r Einzelne. In diesem Reich gibt es ausschließlich Mittelpunkte.
Vom Dalai Lama hört man nicht mehr viel, und der Baghwanwahn ist erloschen. Heilsbringer_innen werden derzeit schnell entzaubert, die magischen Formeln werden ihnen einfach geklaut. Die anderen sagen ihnen alles nach. Donald improvisiert und experimentiert verzweifelt, Mauerpower statt Flowerpower, dem goldigen Niederländer raubt der raffinierte Rivale die besten Sprüche, Abracadabra hat er gewonnen. Ob der Trick in Frankreich funktioniert? Retter François Filou muss sich selber retten, sein verbales Repertoire nimmt immer biblischere Dimensionen an, täglich ersteht er auf von den Gemeuchelten. Aber ob die Herren auf -on es schaffen werden, gegen den von Marine stabil verkörperten rechten Block zu bestehen? Marine, sie steht da wie ein Kerl, mit ihrem plötzlich aufblitzenden Charme, die Mausezähnchen blitzen auf und die Augen, graugrün irisierend wie das Meer in der Bretagne. Neben dem gealterten Baby Face Mélenchon mit seinen gealterten, linken Parolen, neben den last minute aufgestellten Pappnasen, dem gehypten polyvalenten Programmpräsentator Macron, nimmt sie sich authentisch aus. Ein gefährliches Wort, eine immer noch gefährliche Frau.
Volkstribune auf Volkstribünen, mit dem rechten oder dem linken Spruch auf den Lippen. Hauptsache, er rockt.

Michèle Thoma
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