Zufallsgespräch mit dem Mann in der Eisenbahn

Messerstecher

d'Lëtzebuerger Land vom 16.05.2025

Ein „Sträitgespréich“ hatte RTL vergangene Woche angekündigt. Herauskam ein Stammtischgespräch. CSV-Innenminister Léon Gloden und ADR-Abgeordneter Fred Keup sind sich in der Sache einig.

Beide pflegen eine Wählerschaft verunsicherter Rentnerinnen, Angestellter, Geschäftsfrauen, Beamter. Sie bekräftigen ihre Ängste, versprechen ihnen manu militari öffentliche Ordnung. Von der es anscheinend nie genug geben kann.

„Normalerweis reprochéiert ee mer jo, ech wär zevill Law and Order.“ Schäkert der CSV-Minister. „Ech stinn do ganz sécher nach méi fir Law and Order wéi vläicht den Här Gloden.“ Neckt der ADR-Abgeordnete zurück.

Über öffentliche Ordnung zu diskutieren, ist ein Spiel vom Hasen und Igel. Der CSV-Hase rühmt sich, seit seinem Amtsantritt sei die Zahl der Polizisten von 3 100 auf 3 331 gestiegen. Oder Drogendelikte: „Mir louche bei 210 Verhaftungen 2024, dat ass 12 Prozent méi.“ Dem ADR-Igel ist das nie genug: „Ech mengen, dass ee vill méi do misst maachen, wéi dat, wat elo gemaach gëtt.“

Der CSV-Minister gibt ihm Recht. Verspricht, mehr zu tun: „De Platzverweis renforcé ass eng vun de Mesuren, déi wäerte kommen.“ Die „automatesch Erkennung [...] vun den Autosplacken“. Die Kameraüberwachung „Visupol, do ass jo amgaang, massiv opgerëscht ze ginn an de Stader Quartieren.“

Der ADR-Abgeordnete nascht Angstlust: „Wann Leit ronderëm lafen an der Stad, op der Gare mat Messeren, wann do Leit gepickt ginn, iwwerfall ginn.“ Der CSV-Minister hält ihm vor, „fir ze generaliséieren, fir ze pauschaliséieren. Dat ass d’Taktik vum Här Keup a vum ADR.“ Und die eigene: „Das Sicherheitsproblem gipfelt in Verbrechen wie der Messerstecherei mit einem Toten Anfang des Jahres in Bonneweg. Derartige Straftaten sind aber nur die Spitze des Eisbergs“ (CSV-Pressemitteilung, 9.6.21).

Der CSV-Minister entlarvt die Demagogie der ADR nicht. Es ist seine eigene. Er bedient sie: Es „däerf de Polizist mat sengem Handy keng Foto maachen, déi als Preuve ka gëllen. Dat ass inakzeptabel!“

Der ADR-Abgeordnete (emphatisch): „Eis Poliziste sollen ugesi ginn als Helden!“ Denn „mir sinn e Land mat ganz ville kriminelle Probleemer.“ Er glaubt, die Ursachen zu kennen: den „Kriminaltourismus“, ein „Probleem mat der illegaler Immigratioun“. Die CSV verlangte 2021 „schnellere Prozeduren bei Ausweisungen von Delinquenten ohne Aufenthaltserlaubnis“.

Damals klagte die CSV, „dass die Regierung das Sicherheitsproblem weiter vor sich herschiebt – trotz aller Alarmsignale. Steigende Gewaltbereitschaft, Drogendelikte, Prostitution und organisierte Bettelei“. Der ADR-Abgeordnete hält daran fest: „Dass d’Situatioun op ganz ville Plazen hei am Land, an dat ass net nëmmen am Garer Quartier, desastréis ass, dass do Riseprobleemer sinn.“

2021 forderte die CSV „Kriminalitéitsbekämpfung amplaz Kuschelpolitik“. Nun schimpft der ADR-Abgeordnete gegen „dat, wat se a Frankräich nennen ‚les racailles‘“. „La racaille“ ist die „partie du peuple la plus pauvre, considérée comme la plus méprisable“ (Trésor de la Langue Française informatisé).

CSV und ADR bilden eine Allianz für Law and Order. Es gibt keinen qualitativen Unterschied zwischen ihnen. Nur einen quantitativen. Die CSV ist nicht gemäßigter als die ADR. Nur bürokratischer. Denn den Unterschied macht die Gewaltenteilung: In der Legislative kann ein Abgeordneter fordern. In der Exekutive muss ein Minister liefern. Personen, Parteien sind austauschbar.

Der Unterschied hat Schrittlänge. Wenn die Gewaltenteilung durch Léon Gloden geht. Als Abgeordneter verlangte er auf einer Pressekonferenz (24.11.22): „De Polizist muss zwee Schratt virdru sinn.“ Vor dem Räuber. Als Minister fand er nun: „D’Police muss am Fong ee Schratt viraus sinn.“

Romain Hilgert
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