Lichtverschmutzung nimmt weiter zu, wird jedoch mit Hinweis auf das Sicherheitsgefühl nicht konsequent genug eingeschränkt

Luucht aus

d'Lëtzebuerger Land du 01.09.2023

Elektrisch Die Bortle-Skala, die die Schwärze des Himmels und somit die Sichtbarkeit von Sternen zusammenfasst, beträgt mitten in der Stadt, gleich neben Wilhelm dem Zweiten, sieben. Zehn deutet auf die höchste Lichtverschmutzung hin, eine Eins lässt einen die Milchstraße leicht mit bloßem Auge erkennen. Auf dem Glacis strahlt die Schueberfouer dem Himmel so sehr entgegen, dass sich dort derzeit leicht die maximale Punktzahl erreichen lässt.

Ab dem Ende des 19. Jahrhundert zog durch elektrisches Licht die Helligkeit in den Nachthimmel ein. Scheinwerfer, Werbetafeln und Dauerbeleuchtung überbieten sich seitdem. An den meisten Orten der Welt kann man den Kopf nicht mehr in den Nacken legen, um ins Tiefschwarze zu blicken. Ein Experiment des Potsdamer Geo-Forschungszentrums zeigt, dass sich der Himmel in Europa in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt um 6,5 Prozent aufgehellt hat. 85 Prozent der EU-Fläche sind mittlerweile nachts künstlich beleuchtet. Die LED-Sparrevolution scheint demnach nach hinten losgegangen zu sein; es wird offenbar mehr beleuchtet, weil es weniger kostet. Dabei sind die Gefahren für Mensch und Tier bekannt: Bleiben Lichter nachts an, unterdrückt das die Melatonin-Produktion, die für einen gesunden Schlaf förderlich ist. Nächtliche Lichtexposition gilt als Risikofaktor für Depressionen und Bluthochdruck, stellen Studien vermehrt fest. Unter anderem Insekten und Vögel leiden an der künstlichen nächtlichen Beleuchtung, die ihren Rhythmus und ihre Orientierung durcheinander bringt. Erstere verbrennen an Laternen, letztere fliegen gegen beleuchtete Glaswände. Nachtschutz ist insofern Teil des Naturschutzes und des Kampfes gegen Biodiversitätsverlust.

Der 93-seitige nationale Leitfaden Gutes Licht im Außenraum, der 2018 von verschiedenen Akteuren, etwa dem Innenministerium, der Polizei, dem Syvicol, Naturschutzorganisationen und der Denkmalschutzbehörde ausgearbeitet wurde, gibt Empfehlungen vor, vor allem im Hinblick auf Lichtemission (Intensität), Lichtlenkung, wohin gestrahlt wird, und Lichtspektrum, also die Farbe des Lichts. Das Ministerium für Energie und Landesplanung stellt den Gemeinden dieses Dokument zur Verfügung, die in Sachen Beleuchtung innerhalb ihrer Dörfer autonom handeln. Daniel Gliedner, Lichtberater im Naturpark Our, beobachtet allerdings in der Praxis, dass Gemeindetechniker nicht immer auf dem letzten Stand sind, weil sie viele andere Aufgaben haben. Die Sparmaßnahmen, die seit Oktober gelten, haben jedenfalls dazu geführt, dass die Beleuchtung vielerorts auf Sparflamme flackert, auf etwa 50 Prozent. Diese Veränderungen wurden mit der Straßenbauverwaltung, die für die Nationalstraßen verantwortlich ist, koordiniert.

Zappenduster Von den 100 Gemeinden im Land haben 30 sich dazu entschieden, die Lichter zwischen 1 und 5 Uhr morgens völlig auszuschalten. Stand Juni 2023 sind das Mamer, Clerf, Reckingen/Mess, Weiswampach, Steinfort, Putscheid, Ulflingen, Kayl, Bauschelt, Sandweiler, Grosbous, Koerich, Wahl, Walferdingen, Beckerich, Esch/Sauer, Goesdorf, Hobscheid, Niederanven, Park Hosingen, Helperknapp, Winseler, Wiltz, Dippach, Waldbillig, Bettemburg, Bourscheid, Ell, Bettendorf und Saeul. Also vor allem ländliche Gemeinden. Seit Mitte Juni wird aufgrund von „Rückmeldungen aus der Bevölkerung“ vom Innenministerium, vom Ministerium für Energie und Landesplanung und vom Ministerium für Mobilität und öffentliche Arbeiten empfohlen, die Beleuchtung bereits um 4.30 Uhr wieder einzuschalten. All das führt natürlich zu Inkonsequenzen. Wer nachts aus Düdelingen nach Kayl fährt, wird plötzlich dort mit Dunkelheit konfrontiert.

In den bisher veröffentlichten Wahlprogrammen der Parteien nimmt die Lichtverschmutzung unterschiedlich viel Platz ein. Die Grünen versprechen eine „nationale Strategie“ zu ihrer Reduzierung, Maximalgrenzen für Lichtemission in ökologisch sensiblen Gebieten, und Gemeinden bei Maßnahmen wie Lichtabschirmung zu unterstützen. Die DP positioniert sich nicht konkret zum Thema, schreibt allerdings, dass sie analysieren wird, „welche Energiesparmaßnahmen des vergangenen Winters dauerhaft beibehalten werden können, um den Strom- und Gasverbrauch bei öffentlichen Gebäuden dauerhaft zu senken.“ Außerdem werde sie „die Energieeffizienz bei öffentlichen Infrastrukturen weiter verbessern, indem beispielsweise systematisch LEDs eingesetzt werden.“ Die LSAP zeigt sich am konkretesten und widmet dem Thema einen Paragrafen, in dem sie verspricht die vertikale Einstrahlung von Außenbeleuchtung ebenso wie elektronische Werbetafeln einzuschränken, den Einsatz von ökologischen LED-Lampen zu fördern und Obergrenzen für Lichtintensität festzulegen. Auch für den Standort von solchen Werbetafeln sollen Regulierungen gelten. Déi Lénk will letztere gänzlich verbieten und eine „intelligente“ öffentliche Beleuchtung in Parks und Fahrradpisten sicherstellen. Sie schlagen vor, im Land eine Sternenhimmelreserve zu gründen, die vor jeglicher Lichtverschmutzung geschützt wird. Weder Volt, Fokus noch CSV sprechen das Thema explizit an. Dabei stellt Fokus klar, „dass nicht jede Wühlmaus, jeder Rotmilan und jeder Dachs individuell über der Entwicklung der Infrastruktur stehen.“

Safe from harm Zwischen urbanem und ländlichem Raum zu unterscheiden, ergibt Sinn. Ein Stadtbild wird attraktiver für Touristen, wenn es lichttechnisch interessant in Szene gesetzt wird. Dagegen ist es vielleicht einfacher für die von den Grünen geführte Gemeinde Beckerich, die Straßenbeleuchtung seit zehn Jahren nachts völlig auszuschalten. Kirchenpfade und Bushaltestellen werden dort lediglich nach Bedarf, also durch Bewegungsmelder, erhellt. Daniel Gliedner erzählt von Experimenten mit dieser Technologie im Raum Vianden, die zeigen, dass die Lichter 70 bis 90 Prozent der Zeit ausgeschaltet blieben. Die Ersparnisse sind enorm. „Lichtverschmutzung ist die einzige Art von Verschmutzung, die wir einfach abschalten können.“ Mit Inbrunst rechnet Gliedner vor, dass bei einer Abschaltung zwischen 22 und 5 Uhr morgens 60,83 Prozent Energie eingespart werden könne. Es bedürfe allerdings viel Mut, die Maßnahmen durchzusetzen. Dass Bürger/innen Veränderung akzeptieren müssen, damit sie erfolgreich sein können, liegt auf der Hand. Eine politische Priorität ist es vielerorts nicht. Gemeinden wie Mertzig und Esch ruderten zurück, nachdem einige Anwohner/innen sich beschwerten.

Der Schöffenrat von Luxemburg-Stadt hat sich in seiner Antrittserklärung seinerseits dazu verpflichtet, in neuen Wohngebieten wie den Portes de Hollerich jegliche Art von Verschmutzung, also auch Lichtverschmutzung, zu vermeiden. Im politischen Alltag stellt er meist Sicherheit vor Naturschutz. Simone Beissel (DP), die für Infrastruktur verantwortliche Schöffin, macht der Sicherheitsobsession ihres Schöffenrats alle Ehre. Sie sei radikal dagegen, die Straßenbeleuchtung einzuschränken. Die Energiesparmaßnahmen macht sie für eine düstere Atmosphäre verantwortlich, man würde niemanden mehr erkennen. Junge Menschen kleideten sich heute dazu alle noch in Grau, Weiß oder Schwarz, anders als früher. Des weiteren seien die Einwohner/innen der Stadt Gewohnheitstiere, die sich mit Veränderungen schwer täten. Auch in der Hauptstadt laufen derzeit in kleineren, wenig frequentierten Straßen Tests mit Bewegungsmeldern, erklärt Paul van Dyck, Abteilungsleiter der öffentlichen Beleuchtung von Luxemburg-Stadt. Insgesamt stellt er eine Überbeleuchtung der Stadt fest, im Vergleich zu Deutschland oder Frankreich. Bürger/innen meldeten sich bei der Gemeinde, um zu beanstanden, ihre Vorgärten sollen mitbeleuchtet werden. Andere beklagten sich über zu viel Licht.

Sternwarte Die an den Tag gelegte politische Argumentation kann man in Vierteln wie Bonneweg und dem Bahnhofsviertel vielleicht verstehen, wo sie dem Sicherheitsgefühl der Menschen entgegenkommt. In gediegeneren Vierteln und im ländlichen Raum – aus dem Luxemburg immer noch sehr stark besteht, und in dem vielerorts nach Feierabend kaum mehr Fußverkehr herrscht – schlägt sie fehl. Tatsächlich belegt eine Studie des University College London aus dem Jahr 2022, dass in Straßen, in denen weniger beleuchtet wurde, weniger Autodiebstähle stattfanden. In den umliegenden Straßen, die die ganze Nacht beleuchtet blieben, gab es im Gegensatz dazu mehr Diebstähle.

Daniel Gliedner vom Naturpark Our geht davon aus, dass die Licht-nach-Bedarf-Variante, also Bewegungsmelder, in den nächsten fünf bis zehn Jahren Standard wird. Er erinnert an die kulturelle Dimension der Dunkelheit. „Amerika wurde nicht mit dem Smartphone entdeckt, sondern man orientierte sich an den Sternen.“ Der Sternenhimmel sei ein Kulturgut, das es zu schützen gilt. Die International Dark Sky Association (Ida) schreibt, Zugang zu einem dunklen Himmel und qualitativ hoher Beleuchtung sei kein Privileg, sondern ein Recht. Die Gemeinde Putscheid, die hierzulande als kommunaler Vorreiter in Sachen Prävention und Bekämpfung von Lichtverschmutzung gilt, soll in ein paar Jahren von der Ida als Dark-Sky-Ort zertifiziert werden. Neben Orten wie dem Eifeler Nationalpark, dem Nationalpark Cevennen und dem Joshua Tree.

Sarah Pepin
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