Kommunalwahlkampf

Republik Biekerech

d'Lëtzebuerger Land vom 09.09.2011

Heute loben wir den erfreulich kreativen Kommunalwahlkampf. Der Grund unserer Euphorie: es gibt noch Zeichen und Wunder. In Beckerich wird dem wilden Kapitalismus der Garaus gemacht. Camille Gira, einer der letzten Ureinwohner der arg zerzausten grünen Steppe, will mit einer eigenen lokalen Währung gegen die entfesselten Geldmärkte kämpfen. Die Gemeinde soll sich abschotten gegen die verheerenden Einflüsse der sogenannten Finanzindustrie, die neuerdings über uns alle hereinbricht wie eine unbezähmbare Feuerwalze. Mit eigenem Geld im geschlossenen Abwehrsystem gegen den allgemeinen Geldterror: die Idee ist verlockend. Findet die künftige Beckericher Währung Zuspruch, müssen zumindest die Schutzbefohlenen des Bürgermeisters nicht länger die Horrormeldungen aus dem Finanzsektor über sich ergehen lassen. Der stündliche Börsencrash, die chronisch abstürzenden Kurse, die Bankenkrisen im Minutentakt, die [-]Katastrophenmeldungen im Sekundenrhythmus werden den Bewohnern von Beckerich keine Schweiß[-]ausbrüche mehr bescheren. Ihr Geld wird immun gegen den Spekulationswahn sein. Da gluckst das Herz des geeichten Antikapitalisten! Macht kaputt, was euch kaputt macht! Am besten mit einer stabilen Währung à la Biekerech.

Dürfen wir hier eine klitzekleine Kritik anbringen? „Becki“, der geplante Name des Beckericher Geldes, gefällt uns nicht. Diese Bezeichnung erinnert viel zu stark an den manischen Händeschüttler und Karnevalsprinzen der SPD, Herrn Kurt Beck. Und noch stärker an den Landesgestaltungsberserker und Trittbrettfahrer der LSAP, Herrn Flavio, der auch Becko oder Becka heißt, oder so ähnlich. Das Beckericher Geld sollte sich von [-]allen versteckten sozialdemokratischen Anspielungen unmissverständlich abgrenzen. Schließ[-]lich ist der Name Programm. Wenn wir Geld ausgeben, möchten wir nicht gleich über namenstechnische Nebenwirkungen stolpern.

Luca Sellar, Bürgermeister des 598-Seelen-Dorfes Filettino östlich von Rom, hat ebenfalls seine eigene Währung eingeführt und nennt sie „Fiorito“, was man mit „geblümt“ oder „blumig“ übersetzen kann. Hier stehen wir gleich mitten in der blühenden Landschaft, im grünen Paradies. Was hindert Camille Gira daran, seine Beckericher Währung ins Bio-Gewand zu kleiden? Statt „Becki“ schlagen wir „Girasol“ vor, das ist nicht nur höchst blumig, sondern enthält auch einen sanft drängenden Hinweis auf die zukunftsträchtige Sonnenenergie. Sollte der Bürgermeister ein offenes Ohr für diesen naturverbundenen Vorschlag haben, schwören wir hier hoch und heilig, künftig jede Woche mindestens 50 Girasol in die Beckericher Gastronomie zu investieren.

Luca Sellar, Camille Giras italienischer Bürgermeisterkollege, belässt es allerdings nicht bei der eigenen Währung, mit der er Berlusconis chaotische Sparmaßnahmen unterwandern will. Er hat vor, sein Dorf kurzerhand in ein unabhängiges Fürstentum zu verwandeln. Rund 50 Freiwillige haben schon Interesse am Fürstenjob bekundet. Eine Nationalhymne ist in Ausarbeitung, ein eigener fürstlicher Schnaps wird schon gebraut, T-Shirts mit dem Fürstenwappen finden reißenden Absatz. Nein, nein, wir möchten Camille Gira keinesfalls ans Herz legen, sich zum Fürsten von Beckerich zu erklären. Aber die Versuchung der kommunalen Autonomie sollte er nicht vorüber ziehen lassen. Wir wetten 10 000 Girasol, dass die freie Republik Beckerich ein wohltuendes Novum in unserer stinklangweiligen und veränderungsresistenten Politiklandschaft wäre.

Einen anderen Weg, hier endlich die Monarchie abzuschaffen, gibt es übrigens nicht. Im Vergleich zum amtierenden Monarchen schneidet Camille Gira wirklich gut ab. Er braucht nicht mal einen Säbel, um aufrecht zu stehen. Kurz gesagt: er wäre ein idealer Präsident der Republik. Wenn wir uns recht entsinnen, hatte die grüne Partei den Kampf gegen die Monarchie auf ihre allerersten Fahnen geschrieben. Diese Fahnen sind zwar längst verschwunden, aber die Monarchie ist immer noch da. Grund genug, ihr auch ohne Fahnen forsch auf den Pelz zu rücken. Eigentlich muss der Bürgermeister ja nur die kommende Kommunalwahl mit einer zusätzlichen Abstimmung kombinieren. Die Beckericher Bürger bestimmen dann eben gleichzeitig den ersten Präsidenten der Republik Beckerich. Wir wetten hier noch einmal 15 000 Girasol, dass sich die Bevölkerung der jungen Republik binnen drei Jahren verzehnfachen wird. In dieser pfaffen- und waffenfreien Zone werden sich schnell alle versammeln, denen das pechschwarze Großherzogtum längst zum Halse raushängt.

Gegen Widerstände in der eigenen Partei sollte sich der Bürgermeister von Beckerich furchtlos zur Wehr setzen. Wir wissen, dass in der Hauptstadt ein anderer Grüner kurz davor steht, seine eigene Dynastie zu gründen. Seine höfischen Allüren werden Tag für Tag penetranter. Bei seinen heimlichen Velo’h-Fahrten durch den Gréngewald soll er sich schon mal probehalber eine goldene Krone aufgesetzt haben, unbeobachtet, wie ein kleiner Gruß aus der Gerüchteküche besagt. Herr Präsident, bitte übernehmen Sie!

Guy Rewenig
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