Der kleine Mann im großen Auto steht auf der Selbstmörderbrücke bei Nebel im Stau. Es ist dunkel, es regnet, die Funzeln am Straßenrand spenden nur spärlich Licht. Das Riesenrad ist noch nicht da, vielleicht kommt es gar nicht mehr, vielleicht kommt nur noch ein ganz kleines Rad. Oben im Himmel steht eine Frau, die ist aus Gold. Sie schaut aber über den kleinen Mann im großen Auto hinweg. Die andere Frau, die eine Trösterin der Betrübten ist, ist leider auch im Himmel. Sie nimmt ihn nicht auf den Schoß.
Der kleine Mann im großen Auto weiß überhaupt nicht, wohin er fahren soll, und warum. Isis und Ebola laufen frei herum. Auch Clowns, die schrecken nicht mal vor Belairern zurück. Und dann – Hilfe!, er kann nicht aussteigen aus dem Alptraum – kommt auch noch die Straßenbahn angebimmelt.
Überall stehen Bäume am Straßenrand, das Benzin ist teurer geworden, und wenn er sich beim Bäcker eine Metsch bestellt, versteht ihn wieder niemand. Im trauten Heim, dem er zustrebt, ist Heulen und Wehklagen ausgebrochen. Den Müttern, so geht die Mär, die Mahr geht um, wird die Brut von der Brust gerissen. Sie wird in eine so genannte Krippe gesteckt, die Mütter werden zu Zwangsarbeit herangezogen. Das Weib daheim postet dies Tag und Nacht auf Facebook, sie hat schon 134 513 Likes, eine Welle der Erschütterung geht durchs Mutterland. Den Familien, heißt es, werde jetzt der Garaus gemacht, dies bedeute den endgültigen Todesstoß für die Keimzellen der Gesellschaft. Die Zeitungen sind voll davon, die Kommentatoren kommentieren rastlos, die Menschen seufzen es sich zu, manche schäumen und malen Teufel mit Schals an die Wand. Überall werden Sparstifte angesetzt und Gürtel enger geschnallt werden. Vielleicht werden sich bald alle von Runkelrüben und Bucheckern und Thomasschlacke ernähren, Aus mit Austern.
Die kleinen Bälger, die dem Heimkehrer hoffnungsvoll entgegen hüpfen, schauen ihn aus hungrigen Augen an. Er teilt die Metsch, die er wieder auf ausländisch bestellen musste, unter ihnen auf, auch etwas Leitungswasser. Was da drin ist, weiß er nicht so genau, es schenkt ihm ja keiner reines Wasser ein. Bei Ratten ist es anscheinend sehr Krebs erregend, aber sie sind ja keine Ratten. Noch nicht.
Im Fernseher, vor dem er endlich, Uff, zusammen sinkt, ist, wie beinahe immer, der Großherzog oder einer der Großherzöglinge. Sie laufen auch frei herum, das stört ihn nicht besonders, es beruhigt ihn sogar. Sie sind ziemlich niedlich und lächeln immer, wie Maskottchen. Egal wo sie sind, ob im Abwasserzweckverband oder in der Hochburg der Literatur. Sie sind nett zu allen Menschen, jedenfalls im Fernsehen. Nur der Typ von der Regierung, der neue, mit dem Schal, geht ihm total gegen den Strich. Und wenn er noch so viel lächelt und noch so nett ist. Die Neuen werden die Autobahnbeleuchtungen abmontieren und 258 Maßnahmen ergreifen. Das mit dem Picasso ist ihm ziemlich egal, wenn er einen Picasso hätte, würde er ihn auch verkaufen.
Nach den Großherzogs, die immer so ein bisschen schüchtern durch die Dekoration staksen, kommt jetzt wieder der mit dem Schal, auch wenn er heute keinen trägt. Immer wenn er kommt, wird es unangenehm. Früher, das ist noch gar nicht lange her, war er lustig, lachte die ganze Zeit, und hatte allerhand aufmunternde Sprüche parat. Jetzt schreit die Frau, seine, hinter der Computerin, sie habe schon 135 000 Likes, vielleicht würde sie bald eine Partei gründen. Eine Mutterpartei, bei der Väter aber auch mitmachen dürften. Sogar Nichtmütter und Nichtväter. Er könnte eine Autopartei gründen ... gab es die nicht schon mal? Eine, die sich der Tram in den Weg stellen würde und den Bäumen am Straßenrand.
Aber er ist so müde. Er schaltet um, in letzter Zeit schaut er am liebsten Cuba TV. Sehr beruhigend, beinahe so wie Großherzogs, meist zeigen sie alte Krokodile oder fröhliche Senioren.