Körperschaftssteuer

Dumpingwettbewerb

d'Lëtzebuerger Land vom 05.01.2018

Mit dem Beginn des neuen Jahres wurde der Körperschaftsteuersatz gesenkt, um fünf Prozent oder einen Prozentpunkt, von 19 auf 18 Prozent. Doch in der am 29. Dezember von der Regierung veröffentlichten Liste der „Nouveautés 2018“ geht keine Rede davon. Bei den Parlamentsdebatten Mitte Dezember über den Entwurf des Staatshaushalts für 2018 war die Körperschaftsteuersenkung kein Thema. Selbst die meisten kurz vor Weihnachten von den Steuerberaterfirmen an ihre Kunden verschickten Rundbriefe über „Luxembourg tax measures for 2018“ erwähnten die Steuersenkung nicht.

Die merkwürdige Diskretion hängt damit zusammen, dass die diese Woche in Kraft getretene Körperschaftsteuersenkung ein Teil der schon vor mehr als einem Jahr zum Gesetz gewordenen Steuerreform ist. Das Gesetz sah vor, dass der Steuersatz zum 1. Januar 2017 und noch einmal zum 1. Januar 2018 gesenkt würde.

Im August 2015 hatte es mit Rücksicht auf die gerade vom Sparpaket gebeutelten Wähler noch geheißen, dass die Senkung des Körperschaftsteuersatzes sich auf eine kosmetische Operation am „taux d’affichage“ beschränken soll, da durch die gleichzeitige Streichung von Abschreibungsmöglichkeiten und Freibeträgen die Bemessungsgrundlage vergrößert würde, so dass die Unternehmen unter dem Strich nicht weniger Steuern zahlen sollten. Dann klagte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) Mitte September über RTL plötzlich, dass „ unsere Betriebe im Grunde nicht mehr so viel Profit machten wie vor der Krise“. Doch „wenn die Unternehmen nicht mehr genug oder weniger Profit machen, dann muss das uns zeigen, dass wir handeln müssen. In der OECD sind wir jetzt bei der Besteuerung im obersten Drittel. Es ist ganz klar, dass das nicht mehr ganz attraktiv ist. Deshalb muss also gehandelt werden.“

Zwei Monate später sollte der Wirtschafts- und Sozalrat allerdings in seinem Gutachten zur geplanten Steuerreform vorrechnen, dass seit Jahren die Profite stiegen und der Steuersatz sank. Als Folge der wiederholten Steuersenkungen habe sich das Bruttobetriebsergebnis der Firmen seit dem Jahr 2000 verdoppelt, die staatlichen Körperschaftsteuereinnahmen hätten aber nur um die Hälfte zugenommen.

Wie die Steuerverwaltung in ihrem Compendium von 2015 aufführte, stammten 2014 drei Viertel der staatlichen Körperschaftsteuereinnahmen aus dem Finanz- und Versicherungssektor, davon jeweils ein Drittel von Sociétés de participations financières (Soparfi) beziehungsweise Banken. Gerade 1,5 Prozent kamen aus der Industrie. Wenn also regelmäßig neue Senkungen der Körperschaftssteuer verlangt werden, sind es Beteiligungsgesellschaften und Banken, die am meisten davon profitieren.

Dem Compendium ist auch zu entnehmen, in welch hohem Maß die Profite und damit die Körperschaftsteuerabgaben hierzulande konzentriert sind: Nicht einmal ein Prozent der körperschaftsteuerpflichtigen Firmen zahlten 2014 drei Viertel der staatlichen Körperschaftsteuereinnahmen. Die beiden reichsten Körperschaftsteuerzahler waren 49,3 beziehungsweise 43,3 Millionen Euro schuldig bei Gesamteinnahmen des Staats an Körperschaftsteuer von 633,5 Millionen Euro.

Die Körperschaftsteuer soll laut Haushaltsgesetz nächstes Jahr mit 1,7 Milliarden Euro ein Achtel aller Staatseinnahmen von 14 Milliarden Euro bestreiten. Damit entspricht sie nicht einmal der Hälfte der Lohnsteuerabgaben und etwas mehr als der Hälfte der TVA-Einnahmen.

Die Körperschaftsteuer war am 25. November 1940 von den deutschen Besatzern eingeführt und nach der Befreiung durch einen großherzoglichen Erlass vom 26. Oktober 1944 „bis auf weiteres“ beibehalten worden. Erst durch die große Steuerreform vom 4. Dezember 1967 wurde sie schließlich naturalisiert. Trotz Nachkriegsboom, Inflation, Stahlkrise, Ende des Goldstandards, Koreakrieg, Suez-, Kuba- und Erdölkrise wurde der Steuersatz von 40 Prozent aus dem Jahr 1940 bis 1986 beibehalten, auch wenn die Bemessungsgrundlage, die Abschreibungsmöglichkeiten und die anderen Betriebssteuern änderten.

Doch in der Mitte der Achtzigerjahre war der mit Thatcher und Reagan populär gewordene Neo­liberalismus auch hierzulande angekommen. Der globalisierte Wettbewerb, die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik und der Angriff auf die Umverteilungsfunktion des Steuer- und Sozialstaats setzten eine Spirale des internationalen Dumpingwettbewerbs in Bewegung, die bis heute dreht.

Seither wird auch in Luxemburg der Körperschaftsteuersatz unaufhaltsam gesenkt, im Durchschnitt um 0,7 Prozentpunkte jährlich. Nachdem der Satz fast ein halbes Jahrhundert lang unverändert blieb, fiel er in den anschließenden 30 Jahren um mehr als die Hälfte. Für Firmen mit niedrigen Profiten gibt es einen verminderten Satz von derzeit 15 Prozent.

Die erste drastische Senkung nahm die CSV/LSAP-Regierung von Jacques Santer zwischen 1984 und 1989 vor, um 15 Prozent oder sechs Prozentpunkte, von 40 auf 34 Prozent. Erklärtes Ziel der Regierung war es, nach der Stahlkrise mit niedrigeren Steuersätzen als in den Nachbarländern neue Banken und Industrien nach Luxemburg zu locken.

Im Motivenbericht zur anschließenden Steuerreform von CSV und LSAP 1990 hieß es, dass „le taux luxembourgeois continue à se comparer avantageusement aux taux en vigueur dans nos principaux pays concurrents, et cela à plus forte raison que dans la majorité de ces pays les réductions récentes des taux ont été pour partie compensées par des élargissements concomitants de la base imposable (p.ex. abolition de déductions fiscales pour investissements) contrairement à ce qui s’est passé au Luxembourg. Avec un taux de 34%, le Luxembourg connaît actuellement le taux d’imposition le plus favorable dans la Communauté ce qui constitue un impact d’affichage non négligeable. Afin, d’une part, de bien confirmer ce rang privilégié et d’anticiper les évolutions qui se dessinent d’ores et déjà à l’étranger au-delà de l’année d’imposition 1990, et, d’autre part, d’augmenter encore les perspectives de rentabilité des entreprises indigènes, il est proposé de ramener le taux de l’IRC de 34% à 33%.“

Die CSV/DP-Regierung unter Jean-Claude Juncker senkte die Körperschaftsteuer zwischen 1999 und 2004 sogar um ein Viertel oder acht Prozentpunkte, von 30 auf 22 Prozent. Im gleichen Wortlaut wie ein Jahrzehnt zuvor erklärte der Motivenbericht zur Steuerreform von 2001 wieder: „Comparé à ses principaux partenaires européens, le Luxembourg se trouvera dès 2002 dans une situation favorable en matière de fiscalité directe des entreprises. Il importe de souligner, par ailleurs, que cette réduction du tarif n’est pas accompagnée d’un élargissement concomitant de la base imposable, comme tel a été le cas à propos des allégements de taux consentis dans certains autres pays mentionnés ci-dessus.“

Die heutige liberale Reformkoalition von DP, LSAP und Grünen senkte die Körperschaftsteuer schließlich um 14 Prozent oder drei Prozentpunkte. Ziel war es laut Motivenbericht zur Steuer­reform erneut, „d’améliorer la compétitivité des entreprises“ durch „un abaissement substantiel des taux d’imposition“. Gleichzeitig versprach die Regierung noch „ajustements complémentaires“, wenn die Regeln zur Verhinderung der Base erosion and profit shifting (Beps) in den OECD-Ländern wirksam würden.

In ihrem Koalitionsabkommen hatten CSV und DP 1999 scheinbar tollkühn angekündigt: „En tout cas il est envisagé de baisser le taux d’imposition effectif de 37,5% (taux de l’impôt sur le revenu des collectivités, taux de l’impôt commercial communal, taux de l’impôt de solidarité) pour l’amener au-dessous de 35%.“ Anderthalb Jahrzehnte später versprach Finanzminster Pierre Gramegna am 23. September 2015 über RTL: „Es ist wichtig, dass die nominale Steuer der Unternehmen von 21 Prozent, wo sie heute ist, in Richtung 15 Prozent geht, in Richtung 15 Prozent.“ Seit dieser Woche ist sie bei 18 Prozent. Das Ziel von 15 Prozent können DP, LSAP und Grüne wohl nicht mehr vor Ende der Legislaturperiode erreichen. Den Steuersatz auf das Niveau der baltischen Staaten und Irlands zu senken, bleibt so die erste Aufgabe für die nächste Koalition.

Romain Hilgert
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