Leitartikel

Er tanzte nur einen Sommer

d'Lëtzebuerger Land vom 05.01.2018

Zu Neujahr kämpfte sich Premierminister Xaver Bettel bei gleich mehreren Sendern und Zeitungen gut gelaunt durch Interviews, in denen er mit den immer gleichen Floskeln seine und die Bilanz seiner liberalen Koalition lobte. Auf die Zukunft angesprochen, blieb er eher defensiv: Premierminister auf Lebenszeit wolle er sowieso nicht bleiben, er wolle seine Politik fortsetzen, wenn nicht in diesem, dann in einem anderen „Job“. So als diente der verzweifelte Optimismus nur der Galerie, als hätte er sich schon mit dem Schicksal und dem Ende der Party abgefunden, das ihm sämtliche Meinungsumfragen seit Frühjahr 2014 vorhersagen. Am Ende räumten selbst Medien, die ihm 2013 geholfen hatten, an die Macht zu kommen, ein, dass er es wieder einmal an Substanz habe fehlen lassen. Als wäre die charmante Oberflächlichkeit nicht seit jeher das Geheimnis seiner Popularität gewesen.

Bemerkenswert war, dass der Premier die Gelegenheit verpasste, um zu Beginn eines Wahljahrs auch nur einen Hauch von Aufbruchsstimmung zu verbreiten und die Wähler für ein Projekt der Regierung oder auch nur seiner Partei zu interessieren, ein Argument, das sie dazu bewegen könnte, noch einmal liberal zu wählen. Er erklärte wohl, dass ihm sein C.D.D. Spaß mache und dass er ihn nach den Wahlen am liebsten erneuert haben wolle, aber er blieb die Erklärung schuldig, mit welchem politischen Ziel er noch einmal Premier werden soll, was einen DP-Premier zwischen 2018 und 2023 von einem CSV-Premier unterscheiden könnte.

Unter dem standardmäßigen Vorbehalt von Wählerwillen und Koalitionsaussagen meinte Xavier Bettel auf Nachfrage auch, dass er am liebsten Premier eine DP/LSAP/Grünen-Koalition bleiben würde. Aber als Begründung dafür führte er das angeblich noch immer kumpelhafte Verhältnis zwischen den schwungvollen jungen Männern am Regierungstisch an, nicht etwaige politische Vorhaben, die sie nach den Wahlen durchsetzen wollten.

Was könnten auch weitere gemeinsame Vorhaben sein, nach dem Sparpaket, der Steuerreform, dem Referendum, der Straßenbahn, der gleichgeschlechtlichen Ehe und der Privatisierung des Bistums? Noch eine Steuerreform, noch ein Referendum, noch eine Straßenbahn? Alle noch ausstehenden gesellschaftspolitischen Reformen sind auf dem Instanzenweg, Space-mining und Mindestlohnerhöhung begeistern wohl nur einen kleinen Teil der Wähler.

Wahr ist, dass 2013 die wichtigste gemeinsame Perspektive der Koalition nicht liberale, unternehmerfreundliche Reformen, sondern, ebenso wie für ihre legendäre Vorgängerkoalition von 1974, eine Regierung ohne CSV war. Für diese Aussicht konnte sie dank Jean-Claude Junckers selbstzerstörerischer Unlust vorübergehend eine ausreichende Anzahl von Wechselwählern mobilisieren und am Wahlabend den 32. Sitz herausschlagen. Doch viele dieser Wechselwähler scheinen heute die Ansicht zu vertreten, dass die Fenster genug aufgerissen wurden und der Durchzug für einige Legislaturperioden genügend Mief aus dem CSV-Staat gepustet hat.

Deshalb überrascht es nicht, dass derzeit keine der drei Regierungsparteien gewillt scheint, Panik vor einer drohenden Rückkehr der CSV samt der einst so beliebten Schreckensbilder eines Rückfalls ins klerikale Mittelalter zu schüren. Der graue CSV-Spitzenkandidat Claude Wiseler eignet sich auch denkbar schlecht zur Dämonisierung. Vielmehr scheint sich jeder der drei Koalitionspartner diskret seine Chancen auszurechnen, nach dem 14. Oktober als Juniorpartner der Rechten auserwählt zu werden, und versucht, Betriebsklima in der Regierung hin oder her, sich entsprechend zu positionieren.

Romain Hilgert
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