Eine Studie der Uni Luxemburg untersucht, wie wichtig die Förderung der Erstsprache für Sprachenlernen ist

Molly kann Portugiesisch

Förderung Portugiesisch Luxemburg
d'Lëtzebuerger Land vom 17.03.2017

Molly ist ein grüner breit grinsender Frosch aus Stoff. Derzeit reist er durchs ganze Land. Denn Molly ist das Maskottchen einer Sprachförderstudie der Uni Luxemburg, die die Entwicklungspsychologin und Wissenschaftlerin Pascale Engel de Abreu gemeinsam mit ihrem Team entwickelt hat und die derzeit an mehreren Luxemburger Grundschulen durchgeführt wird. Vier- bis fünfjährige Vorschulkinder, die alle zuhause mit ihren Eltern Portugiesisch sprechen, wurden nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt, um bei der 30-wöchigen vom nationalen Forschungsfonds unterstützten randomisierten kontrollierten Studie mitzumachen.

Molly steht als Abkürzung für Mother-tongue Oral-Language and Literacy for Young. „Es geht darum, mit einem gezielten und systematischen Förderprogramm in der Vorschule, portugiesischsprachige Kinder in ihrer Erst- beziehungsweise Muttersprache zu stärken“, erklärt Studienleiterin Pascale Engel de Abreu.

Portugiesischsprachige Kinder bilden mit rund 22 Prozent die größte Einwanderergruppe in der Luxemburger Schule. Nationale und internationale Bildungsstudien haben gezeigt, dass sie im mehrsprachigen Schulsystem mit der Alphabetisierung in Deutsch ab der ersten und Französisch ab der dritten Klasse Sprachdefizite akkumulieren, die sich über die gesamte Bildungslaufbahn negativ auf ihre Lernleistungen auswirken (können).

Die Studie basiert auf der wissenschaftlichen Annahme, dass das Sprachwissen, das Kinder erwerben, die gezielt in ihrer Muttersprache gefördert werden, ihnen beim Erlernen einer Fremdsprache zugute kommt. In einer früheren Studie mit einer nicht-repräsentativen Gruppe portugiesischsprachiger Achtjähriger hatten Engel de Abreu und Silva Ertel nachgewiesen, dass Kinder mit einem größeren Wortschatz in ihrer Muttersprache Portugiesisch bessere Lesekompetenzen in der Fremdsprache Deutsch entwickeln.

Um diese These zu überprüfen, entwickelten die Forscher eine Art Interventions-Koffer: In klar strukturierten kurzen Einheiten von vier Mal 30 Minuten pro Woche üben Sprachhelfer (zum Teil sind dies Lehrer, aber auch Studenten und Interessierte, die im Einsatz mit den Materialien geschult wurden) mit einer kleinen Gruppe Kinder Portugiesisch. Dies über einen Zeitraum von 30 Wochen mit langsam steigendem Anforderungsniveau. Die Materialien dazu, darunter ein bunt illustriertes Buch mit Mollys Abenteuer, haben die Forscher ebenfalls selbst erarbeitet.

„Das Molly-Sprachförderprogramm trainiert Wortschatz, Erzählfähigkeiten und die phonologische Bewusstheit“, erklärt Pascale Engel de Abreu. Man habe sich dabei bewusst auf Parallelen zwischen dem Portugiesischen und dem Luxemburgischen, respektive Deutschen konzentriert. Zum Beispiel wird nur mit Lauten gearbeitet, die in ähnlicher Form im Portugiesischen und im Luxemburgischen vorkommen. Etwa der Laut B. Molly, der Frosch, spielt in den Aktivitäten eine wichtige Rolle, weil sich über ihn gemeinsame Erlebnisse und Geschichten schaffen lassen. Sogar kleine Lieder zum Vor- und Nachsingen haben die Forscher entwickelt.

Während der 20- bis 30-minütigen Übungseinheiten, für die drei bis vier Kinder aus dem Regelunterricht herausgenommen werden, gehen die Sprachhelfer stets nach dem gleichen Schema vor: Zunächst erfolgt eine Begrüßung, bei der immer die Regeln des Programms wiederholt werden, zum Beispiel aufmerksam zuzuhören. Danach wird die phonologische Bewusstheit gefördert, die Kinder arbeiten mit spezifisch ausgewählten Lauten. Dann werden zwei bis drei neue Wörter mit den Kindern erarbeitet. Später folgt eine kurze Geschichte, die die Kinder frei nacherzählen und mitgestalten können. Die Übungseinheit endet mit einer Wiederholung, damit die Kinder sich das Erlernte besser merken.

Für jeden Themenschwerpunkt während der halbstündigen Intervention sind einige Minuten vorgesehen, bevor es zum nächsten übergeht. „Die Sprachhelfer, die sich an der Studie beteiligen, hatten anfangs gemeint: Das geht niemals in der kurzen Zeit. Doch seit sie darin geschult wurden, sehen sie, dass es durchaus möglich ist, in nur 20 bis 30 Minuten gezielte und strukturierte Sprachaktivitäten erfolgreich durchzuführen“, sagt Pascale Engel de Abreu.

Um die Familie aktiv einzubeziehen, hat das Forscherteam zudem Newsletter auf Portugiesisch entwickelt, in denen die Eltern nachvollziehen können, was ihre Kinder machen und selbst mit ihnen üben können. Es sind kleine spielerische Übungen auf Portugiesisch, die selbst Eltern animieren können, die aus welchen Gründen auch immer, sonst eher nicht vorlesen.

Noch ist die Trainingsstudie in den Vorschulen nicht komplett abgeschlossen, eine erste Analyse der Rohdaten scheint jedoch vielversprechend. „Es scheint so zu sein, dass die Kinder, die gefördert wurden, ihre Sprachleistungen im Portugiesischen spürbar verbessert haben“, sagt Pascale Engel de Abreu vorsichtig. „Wichtig wird sein, zu überprüfen, ob der positive Effekt in der Erstsprache auf die Zweitsprache übergeht.“

Um überprüfen zu können, ob es wirklich die Sprachförderung ist und nicht beispielsweise das Mehr an Aufmerksamkeit, das zu besseren Lernergebnissen führt, gibt es eine randomisierte Kontrollgruppe, welche ein alternatives Trainingsprogramm (Mally) erhält. Dort lernen Kinder Mathe und bekommen ein ganz ähnliches Programm angeboten, allerdings ohne die Sprachförderung. Es ist die erste randomisierte, kontrollierte Studie im Bereich der Erziehungswissenschaften dieser Art hierzulande und ihre Ergebnisse dürften mehr als nur Luxemburgs Forscher interessieren. Fallen sie positiv aus, könnte Molly bald öfters durch das Land reisen.

Ines Kurschat
© 2024 d’Lëtzebuerger Land