Leitartikel

Unzureichende Bemühungen

d'Lëtzebuerger Land vom 12.10.2018

Als sich am Mittwochmorgen kurz vor ein Uhr die EU-Umweltminister nach einem Sitzungsmarathon auf ein Reduktionsziel für den CO2-Ausstoß von Autos einigten, hatte Luxemburg keine kleine Rolle gespielt. Mit Dänemark, Irland, den Niederlanden, Slowenien und Schweden hatte es darauf gedrängt, mehr zu tun, als die EU-Kommission vorgeschlagen hatte. Staatssekretär Claude Turmes (Grüne) soll dafür gesorgt haben, dass Deutschland den Konsens am Ende mittrug. Luxemburg dagegen verlangte noch mehr, eine Senkung um 40 Prozent, wie es das Europaparlament will.

Die Geschichte erzählen Grüne kurz vor den Wahlen natürlich gern, aber sie hat einen pragmatischen Hintergrund. Schon das 30-Prozent-Ziel der Kommission würde Europas Autoindustrie unter Druck setzen, mehr Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen und vielleicht den Brennstoffzellenantrieb weiterzuentwickeln. Mit 35 Prozent, wie laut Kompromiss, wüchse der Druck, mit 40 Prozent noch mehr. Gefragt wäre dann aber auch eine EU-weite Strategie für eine CO2-arme Mobilität, inklusive Infrastruktur, Anreize und Subventionen. Dass die her müsse, sagt Luxemburg schon seit einer Weile. Das ist verständlich: Bis 2030 sollen die nationalen CO2-Emissionen Luxemburgs um 40 Prozent gegenüber 2005 sinken. So ist es in der Lastenteilung unter den EU-Staaten vereinbart, mit der die Beschlüsse des Pariser Weltklimagipfels von 2015 umgesetzt werden sollen. Fragt sich nur, wie das erreicht werden soll. Das nationale Ziel für 2020, eine Senkung um 20 Prozent gegenüber 2005, sieht erreichbar aus, ohne dass Luxemburg sich „freikauft“. Für das 2030-er Ziel dagegen gibt es keinen Freikauf mehr. Luxemburg müsste vor allem die „Transport-Emissionen“ senken, die zu rund zwei Drittel auf die Bilanz schlagen.

Weil das so schwierig ist, hat die Regierung sich noch nicht auf einen neuen Klimaschutz-Aktionsplan einigen können. Vor zwei Jahren meinte Umweltministerin Carole Dieschbourg (Grüne), die Regierung werde ihrer Nachfolgerin kein leeres Dossier hinterlassen, sondern einen Entwurf für einen Aktionsplan, wie er noch nie da war: Jeder klimarelevante Sektor erhalte eigene Ziele und Reduktionsstrategien (d’Land, 29.07.2016). Doch die befinden sich noch immer in der interministeriellen Konsultation. Dass sie aus der noch herausgelangen, ehe die Regierung wechselt, ist nicht sehr wahrscheinlich. Anscheinend herrscht bei DP und LSAP die Ansicht vor, Meldefrist für die Aktionspläne bei der EU-Kommission sei 2019, also solle die nächste Regierung sich darum kümmern.

Aber die wird wie die aktuelle vor der Frage stehen, ob es gelingt, den Transport im Lande schnell zu „dekarbonisieren“, oder ob der einzige Ausweg darin besteht, die Treibstoffakzisen so weit anzuheben, dass kaum noch ein Ausländer hier tanken will. Weil dann Hunderte Millionen Euro an Staatseinnahmen auf dem Spiel stünden, drohte ein ähnliches Loch wie nach dem Wegfall der Mehrtwertsteuerregeln auf den elektronischen Handel. Die nächste Regierung könnte anderweitig Steuern erhöhen oder Ausgaben kürzen müssen, selbst wenn die Konjunktur gut bleibt. Sollte gleichzeitig eine EU-weite Initiative für CO2-arme Mobilität entworfen werden, sänke der Druck auf die Akziseneinnahmen, so die Überlegung.

Daran schließt sich die politisch ernste Frage an, ob die nächste Regierung den Klimaschutz zum Vorwand nehmen könnte, am Sozialstaat zu sparen. Unter einer CSV-DP-Regierung scheingt das eher vorstellbar als unter „Gambia 2.0“. Aber bedenkt man, dass Anfang der Woche das internationale Klimawissenschaftler-Gremium IPCC warnte, nicht erst im Jahr 2100, sondern schon 2040 könnten ernste Folgen des Klimawandels drohen, sehen alle bisherigen Bemühungen unzureichend aus.

Peter Feist
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