Zur Zeit des Ersten Weltkriegs rätselte die Arbeiterbewegung, ob eine Revolution den Sozialismus in Luxemburg durchsetzte oder ob er mit Hilfe des allgemeinen Wahlrechts den Urnen entstiege. Nach dem Koalitionsabkommen mit der DP versprach der damalige LSAP-Generalsekretär Robert Goebbels am 16. Juni 1974 „A mar de Sozialismus!“. Zur gleichen Zeit schrieb Parteihistoriker Ben Fayot an der Geschichte des Sozialismus in Luxemburg, und am 16. November 1978 ließ Goebbels mit den Worten Mao Zedongs im Tageblatt-Leitartikel „Hundert Blumen“ blühen.
Das war jedes Mal falscher Alarm. Bringt nun das Corona-Virus den Sozialismus? Durch ein großherzogliches Reglement vom 18. März führte die liberale Koalition die Planwirtschaft ein. Sie verfügte bis hin zu Zeitungskiosken und Totengräbern, welche Betriebe arbeiten und welche schließen mussten. Derzeit plant sie, in welcher Reihenfolge und unter welchen Bedingungen
Betriebe wieder öffnen dürfen. Zu den als lebenswichtig erachteten Branchen gehören sowieso solche unter staatlicher Kontrolle, wie Energie, Wasser, öffentlicher Transport, Post und Gesundheit.
Bei landesweit 450 000 Beschäftigten hat der Staat die Löhne von 200 000 Beschäftigten als Kurzarbeit und von 25 000 aus Familiengründen übernommen, so dass einschließlich der 90 000 im öffentlichen Dienst 70 Prozent der Erwerbstätigen auf der staatlichen Gehaltsliste stehen. 10 000 Unternehmen jeder Größe erhalten Kapital von der öffentlichen Hand, sei es geschenkt oder mit Staatsgarantie geliehen. Hält die Krise länger an, dürften als strategisch erachtete Unternehmen teilverstaatlicht oder verstaatlicht werden, wie zehn Jahre zuvor schon Interbank und Generalbank.
In Richtung Sozialismus oder zumindest Staatskapitalismus ist das schon ein weiter Weg. Aber Bettels, Bauschs und Kerschs Corona-Sozialismus scheint es nicht besser zu ergehen als Lenins: Unter dem Druck der Krise wird er zum autoritären Kriegssozialismus tragisch verformt: Wie nicht einmal in den finstersten Zeiten der Sowjetunion ist die ganze Bevölkerung unter Hausarrest gestellt, seit dieser Woche ist das Tragen von Masken vorgeschrieben, und mittels eines Handy-Programms könnten bald alle auf Schritt und Tritt überwacht werden. Während die Armee Arbeit von Zivilisten übernimmt, sind, wie seinerzeit in Albanien, sogar die Gottesdienste verboten.
Aber das war wieder falscher Alarm. Am Ende sollen wieder nur die Kosten vergesellschaftet werden. Wie das geht, erprobten CSV, LSAP und DP erfolgreich in der Stahlkrise 1982 und in der Bankenkrise 2007. DP-Präsidentin Corinne Cahen erklärte vorige Woche dem Lëtzebuerger Land, dass das Koalitionsabkommen umgeschrieben werden soll. Dann heißt das Sparprogramm nicht mehr Zukunftspak, sondern Coronapak. Die Solidaritätssteuer könnte wieder erhöht werden, die Haushaltsausgleichssteuer wurde 2017 sicherheitshalber nicht abgeschafft, sondern bloß gestoppt. Mit Übergangsbestimmungen können die bei liberalen Hausfrauenehen entstehenden Kosten für die Abschaffung der Steuerklassen auf die Zeit nach den Wahlen 2023 aufgeschoben werden. Dann war erneut Essig mit dem Sozialismus.