Ein Mann in dunkler Regenjacke stellte gleich eingangs klar: „Also mir si jo hei, well mer der Regierung net vertrauen.“ Er war der Einzige, der sich namentlich vorstellte. Eine Frau mittleren Alters giftete: „Neen, ech trauen Iech net!“ ADR und Impfgegnerinnen hatten am
8. Oktober die Versammlung über die Verfassungsrevision gekapert. Nur einer der sieben Abgeordneten blieb von der Politikerbeschimpfung verschont. Fernand Kartheiser ließ sich von einer jungen Vertrauten im Publikum versichern: „Ech identifizéiere mech ganz vill mat Iech a mat Äre Besuergneser.“
Der ADR-Abgeordnete tritt gerne mit rechtsgescheiteltem Toupet und Dreiteiler auf. Das ist eine zivile Uniform. Sie schreit: Ich bin humorlos, ich bin konservativ. Zuvor trug er Militäruniform. Mit den späteren Bommeleeër-Offizieren besuchte er die École royale militaire in Brüssel. In Montpellier studierte er Luxemburg im Koreakrieg. In Wien ließ er sich als Doppelagent anwerben. Ein Jahrzehnt lang war er Offizier. Zur Zeit der Bombenanschläge nahm er an dem Manöver Oesling-84 teil. Dann wechselte er ins Außenministerium.
Für das Scheitern seiner Ehe gab Fernand Kartheiser dem Feminismus die Schuld. Im Juli 2004 gründete er einen Männerverein. Er drohte, eine Männerpartei zu gründen. Dann traf er 2008 ein Kooperationsabkommen mit der ADR. Er wurde ADR-Kandidat, der Verein ging unter. Der Futterneid auf Beamte war der Geschäftsfundus der ADR. Kartheiser schmeichelte den Beamten. Die Wahlen wurden zum Fiasko. Viele gaben ihm die Schuld. Der neue Abgeordnete machte ein erstes unfreundliches Übernahmeangebot: Er wollte aus der ADR eine Partei der Neuen Rechten machen. 2012 ließ er sich zum Parteipräsidenten wählen. Nach neun Monaten musste er zurücktreten.
Im Parlament gibt Fernand Kartheiser das Arsenal der Neuen Rechten als gesunden Menschenverstand aus: protektionistisch, atlantistisch, antiislamisch, monarchistisch, antifeministisch, klimaskeptisch... Er verteidigt die Staatsräson. Gegen Weicheier, vaterlandslose Gesellen und den Ausverkauf an Brüssel. Er hält an klerikalen Familienwerten fest. Er paktiert mit katholischen Ultras aus den Nachbarländern. Bis zum Parteiausschluss ermutigte er den Petinger Rechtsaußen Joé Thein.
Das Referendum 2015 bestärkte die Identitären in der ADR. Die Gründergeneration um den Landwirt Robert Mehlen und den Arbeiter Gast Gibéryen trat in den Ruhestand. Nun geben Rechtsanwälte, Vermögensberater und Beamte den Ton an. Sie interessieren sich für Ideologie oder fürs Geschäft. Facebook-Nationalist Fred Keup wurde ADR-Abgeordneter.
Die ADR war reif für einen neuen Übernahmeversuch. Die Rechte sucht seit acht Jahren einen charismatischen Führer gegen DP/LSAP/Grüne. CSV-Präsident Claude Wiseler sackt im Politmonitor ab. Fernand Kartheiser blieb „Rebel Without a Cause“. Bis die Verfassungsrevision und die Seuchenbekämpfung eine neue Front öffneten. Können sie den Helden der Neuen Rechten zum neuen Helden der Rechten machen?
Die alte ADR versprach Benachteiligten eine bessere Zukunft: „5/6-Penzioun fir jiddereen“. Die neue ADR verspricht ihnen eine bessere Vergangenheit. Eine Rückkehr in die vermeintliche Ordnung und Sicherheit des CSV-Staats vor dem rücksichtslosen Neoliberalismus.
Fernand Kartheiser ruft zum Kreuzzug auf. Gegen eine Regierung, die dem unschuldigen Volk Hygienemaßnahmen diktiert, gegen ein Parlament, das dem unschuldigen Volk eine neumodische Verfassung diktiert. Ein verängstigtes Kleinbürgertum hält sich für das Volk.
Es fühlt sich nicht mehr von der Politik beschützt. Der ADR-Politiker verspricht ihm Schutz mit der Autorität des Offiziers und der Weltgewandtheit des Diplomaten. Er bekräftigt es darin, sich lustvoll als Opfer zu fühlen. Er lächelt ihm huldvoll zu, wenn es nach „Freiheit!“ von Vernunft und Moral ruft.