Gesetzestexte per Internet

Legilux statt Gutenberg

d'Lëtzebuerger Land vom 06.01.2017

Der „Gutenberg-Ära äddi und dem Digital Lëtzebuerg moien“ wünschte der grüne Abgeordnete Claude Adam erfreut. Berichterstatter André Bauler (DP) war zufrieden, dass die Gesetzgebung „einen großen Schritt ins digitale Lëtzebuerg“ darstelle und „den Bedürfnissen der technologischen, der digitalen Entwicklung angepasst wird“ – und nicht vielleicht umgekehrt. In einer knapp halbstündigen Debatte schuf das Parlament am 13. Dezember technikbegeistert in seinem historizistischen Pappdekor mit 60 von 60 Stimmen das gedruckte Memorial ab, in dem es seit fast zwei Jahrhunderten seine Gesetze verbreiten lässt und durch das sie Rechtskraft erhalten.

Nach der „Dematerialisierung“ der parlamentarischen Dokumente und dem Haushaltsentwurf auf einem USB-Schlüssel rief André Bauler, wenn keine Kopernikanische Wende, so doch stolz „einen Paradigmenwechsel“ aus. Worauf die CSV-Abgeordnete Octavie Modert mürrisch betonte, dass dieser schon 2002, also unter den Christlich-Sozialen, eingeleitet worden sei, „schon vor den Franzosen“, die ihr Journal officiel nun ebenfalls „dematerialisierten“. Das der Tagespresse beigelegte Chamberbliedchen wollte kein einziger Abgeordneter „dematerialisieren“.

Alle neuen Gesetze sollen künftig über die Internet-Seite Legilux zugänglich und nach vier Tagen rechtskräftig sein. Laut André Bauler verfügen derzeit 96 Prozent der Luxemburger über einen Internet-Zugang, so dass niemand im Unklaren über seine rechtliche Lage bleiben muss. Durch dieEinrichtung des kostenlosen Legilux-Dienstes ist die Zahl der Memorial-Abonnenten rapide gesunken. Ende vergangenen Jahres waren nach Angaben des Service central de législation noch 160 Privatkunden – bei mehr als 2 000 eingeschriebenen Rechtsanwälten – und 250 öffentliche Kunden auf das Memo­rial abonniert. Alle Abonnements wurden nun aufgekündigt, doch Privatkunden können gegen entsprechende Kostenerstattung gedruckte Memorial erhalten.

Durch den Verzicht auf die gedruckten Memorial-Ausgaben A, B und C sollen die staatlichen Ausgaben von bisher acht bis zehn Millionen Euro jährlich auf weniger als zwei Millionen Euro dieses Jahr und in den nächsten Jahren noch weiter sinken. Neben den Druckkosten für die Association momentanée Imprimerie Centrale/Victor Buck entfallen auch die Kosten für die bisher mit der Herausgabe des Memorial beauftragte Firma Légitech, da der Service central de législation die Gesetzestexte nunmehr selbst aufbereitet.

Der Gesetzentwurf sah ursprünglich vor, dass von jeder Memorial-Nummer acht Belegexemplare für die Kammer, den Staatsrat, den Generalstaatsanwalt, das Verwaltungsgericht, das Staatsarchiv und die Nationalbibliothek gedruckt werden sollten, aber auf Vorschlag des bibliophoben Staatsrats wurde die Idee fallen gelassen. Für den Fall eines längeren Ausfalls des Stromnetzes oder der staatlichen Computer-Systeme sieht das Gesetz vor, dass das Memorial provisorisch gedruckt und in den Gerichtsgebäuden oder der Presse publik gemacht wird. Wie während dieser Zeit Gerichte, Verwaltungen und Parlamentarier Zugang zu der restlichen „dematerialisierten“ Gesetzgebung erhalten sollen, weiß niemand. Doch für diesen Fall soll die geplante Ausweitung des Notstandsparagrafen in der Verfassung sowieso der Regierung erlauben, sich über bestehende Gesetze hinwegzusetzen.

Vor dem begeisterten Votum wollte auch kein sonst an Postfaktischem interessierter Abgeordneter Näheres wissen, worin die in Artikel 5 seines Gesetzes vorgeschriebenen „conditions permettant de garantir l’authenticité de son contenu“ bestehen sollen. Vorgesehen ist, die Gesetzestexte als PDF-Dokumente mit einer eingebetteten digitalen Unterschrift ins Internet zu stellen. Dafür freute sich aber der für die Beziehungen zum Parlament zuständige Minster Fernand Etgen (DP), dass die künftigen Gesetze „in einem offenen Format verbreitet werden“, das Firmen erlaube, „neue Apps rund um die Gesetzgebung“ zu entwickeln – und so ein wenig die Gleichheit vor dem Gesetz zu privatisieren. Damit kommt man der Europäischen PSI-Richtlinie 2003/98/CE nach, welche die einseitige Nutzung staatlicher Daten und Urheberrechte durch Privatfirmen vorschreibt. rh.

Romain Hilgert
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