Man wolle vorerst nicht weiter kommentieren, sagte Max Lemmer, Sprecher der CGFP, dem Land. Er bestätigte aber, dass inzwischen ein Antwortschreiben von Premier Bettel eingetroffen sei, man stehe im schriftlichen Kontakt. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob so etwas wie ein Dialog beginnt.
Die momentane Zurückhaltung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Verhältnis zwischen Premier Xavier Bettel (DP) und der Beamtengewerkschaft auf einem Tiefpunkt befindet. Die Schlichtungsprozedur läuft derweil weiter. Man habe keinen anderen Weg gesehen, nachdem der Premier auf mehrere Anfragen nicht reagiert habe, betont die Gewerkschaftsspitze. Der Minister des öffentlichen Dienstes, Marc Hansen, ebenfalls DP, sieht das anders: Der Premier werde demnächst antworten, und außerdem sei er der Ressortminister, betonte Hansen am Dienstag in der Aktuellen Stunde im Parlament. Und etwas barscher: Es sei unverantwortlich, während einer Pandemie mit einem Streik zu drohen. Die CGFP findet es ihrerseits unverantwortlich, es überhaupt so weit kommen gelassen zu haben.
In seinen Ausführungen hatte es Hansen selbst eingeräumt: Informeller Kontakt zwischen ihm und den Gewerkschaftsvertretern besteht länger – nur, so sieht es die CGFP, sei man da nicht weitergekommen. Die Gewerkschaft fordert die Abschaffung des Bewertungssystems, Präzisierungen zu den Arbeitszeitkonten sowie den Stopp rezenter „Privatisierungstendenzen“. Gemeint sind drei Gesetzesinitiativen, die die Regierung im Sommer auf die Schiene gesetzt hat und gegen die sich die CGFP vehement wehrt: Vormals Beamt/innen der höheren Laufbahn vorbehaltene Führungsposten im öffentlichen Dienst sollen für Bewerber/innen aus der Privatwirtschaft geöffnet werden, sei das der Posten des Sportkommissars oder die Leitung verschiedener Institute, wie die des Weiterbildungsinstituts Ifen in Walferdingen.
Der CGFP ist weniger an der Aufmerksamkeit des Premiers gelegen als daran, einen – öffentlichkeitswirksamen – Warnschuss in einem Richtungsstreit zu setzen. Die Ausrufung der Schlichtungsprozedur ist Ausdruck eines Machtkampfs: Vor den Wahlen 2018, als die Beamten als Stimmenbringer von der DP umworben waren, konnte die CGFP die Abschaffung der verhassten 80/80/90-Stage-Regelung durchsetzen. Inzwischen stört sie beim liberalen Umbau, der seit geraumer Weile stattfindet: So wurde das Schulobservatorium direkt auch für private Kandidaturen geöffnet. Die Grundschullehrer-Unterorganisation SNE ließ sich 2018 von DP-Schulminister Claude Meisch einbinden und hat bei der Reform der Lehrerausbildung zusätzliche Stellen herausgeschlagen. Mittlerweile jedoch werden Änderungen, wie das corona-bedingte Einstellen weiterer Quereinsteiger/innen, auch mit ihr nicht mehr besprochen. Das SEW-OGBL konsultiert Meisch schon länger nicht mehr ernsthaft. Hansen kann beteuern, dass seine Tür immer offen stehe: Die Erfahrungen der Gewerkschaften sind andere.
Der Luxemburger Rechtsprofessor Stefan Braum hatte angesichts des wegen der Pandemie ausgerufenen Notstands im März gewarnt, jeder Ausnahmezustand hinterlasse Spuren. Gemeint hatte er damit, dass krisenbedingte Grundrechtsbeschneidungen, die vielleicht für die Bewältigung einer Notlage gerechtfertigt sind, oftmals danach noch im Recht verankert bleiben. So geschehen mit vielen Anti-Terrormaßnahmen der Vergangenheit.
Darüber hinaus gibt es noch einen gefährlichen Nebeneffekt: Dass sich die Regierung an ihre ans Krisenmanagement gebundene Machtfülle gewöhnt und sodann in weiteren Bereichen durchregiert. Was im Krisenszenario berechtigt war, schleicht sich ein als Methode ins Regierungshandeln: Strittige Reformen oder Entscheidungen, bei denen die Regierung mit Widerstand rechnen kann, werden nicht mehr mit den Beteiligten besprochen. Dabei müsste eine selbstbewusste Regierung ergebnisoffene Debatten und Kontroversen aushalten.