Ein Spaziergänger wurde von Bienen überfallen, er hat es nicht überlebt. Die Bienenbande fiel über ihn und seine Begleiterin her, als sie einer der schönsten Seinsmöglichkeiten huldigten, die es auf Gottes und Menschen Erdboden gibt, dem Spazierengehen.
Anscheinend zogen sie nur friedlich ihres Weges, als es geschah. Sie zertrampelten nicht mal tollpatschig ein Nest von Erdwespen, wie mein Hund und ich das weiland taten, jaulend traten wir die Flucht an, um nichts weiter zu ernten als Kopfgeschüttel der Kinder- und Hundehalter, dann wurden Stachel gezupft und unsere zu Geschwulstkolossen
mutierenden, fiebernden Leiber bestaunt. Aber das waren damals ja auch keine Bienen. Nur Wespen. Was, Bienen, Killerbienen?
Das geht doch nicht, das tut Biene doch nicht, wieso mu- tiert Biene zu einer Horrorfilm-Darstellerin? Zu viel an Killerkelchen von Killerblumen genippt? Bis jetzt war sie doch unsere beste Arbeitskraft, häuslich dazu. Quasi alle sind Arbeiter_innen, wie in der guten alten Zeit, ohne Lohntüte auch noch. Die meisten haben nicht mal Sex, nur die Bieneriche, die von Beruf Befruchter sind. Also auch eher Arbeit. Und natürlich die Queen. Gendermäßig kann man denen auch nix vorwerfen. Bienlein rackert sich nicht einfach absurd ab wie Sysiphus-Ameise in ihrem Hamsterrad, sie macht was Richtiges, nämlich was für uns. Honig.
Wie märchenhaft ist das, wie märchenhaft von solch selbstlosen Helferlein und Heinzelwesen umgeben zu sein, der profane Mensch nennt sie profan Nutztier. Nutztier! Wie delikat künstlerisch sie eine Blüte bestäubt, Ehrfurcht erfasst uns. Zumindest in letzter Zeit wird das lobend erwähnt, klar, etwas zeichnet sich ab, schlechte Zeichen. Schon widmen sich Tausende armer Chines_innen dieser befruchtenden, extrem exakten Tätigkeit. Eigentlich höchstens was für Zen-Buddhist_innen knapp vor Satori. Oder für Bienen.
Habe ich nicht vor allem wegen ihnen, die Zeitzeugin berichtete, den möglicherweise elitären und diskriminierenden Beschluss gefasst, Pestizidblumen, also quasi alles im Handel erhältliche Geblüm, von meinem Balkon zu verbannen? Weil sie angeblich Killerinnenblumen sind, vor allem Bienenkillerblumen, und wer will last minute so etwas verantworten? Wegen Fleuch und Kreuch und Summ und Brumm. eine jegliche Kreatur möge sich frei bewegen und entfalten, unter den Fittichen von Löwenzahn, Brennnessel und all den Migrant_innen, die Würzelchen schlugen. Lange war mein Bio-Balkon leblos, farblos, Power Flowers und schrille Drama Queens fehlten, aber jetzt werde ich belohnt. Es tut sich was. Gleich ziemlich viel.
Das Leben ist ausgebrochen und kommt angekrochen, aus Winkeln und Ecken, über Tischplatte und Teller, Gekrabbel und Gekribbel allenthalben. Aber statt mich zu freuen über das Leben auf dem totgesagten Planeten A, reagiere ich gastunfreundlich, keine Spur von Willkommenskultur. Schon nenne ich ausgerechnet einen Marienkäfer Trottel, nur weil er sich die Freiheit nimmt, sich ermorden zu lassen, meinen freundlichen Finger verlässt, um sich in sein Unglück, ein Spinnennetz zu stürzen. Okay, ich befreie ihn, dann fühle ich mich schlecht der Netzwerkerin gegenüber, die muss auch von was leben. Immer diese Konflikte. Dann landen unbekannte Flugobjekte in meinem Wein, eine Ameisen-Avantgarde rückt vor auf meinem Buch, warum bleiben sie nicht auf ihrer Straße? Eigentlich wollte ich lesen. Ich pflücke sie einzeln ab.
Ich hoffe auf die Spinne. Soll die das machen, ich delegiere. Macht das unter euch aus. Ich schaffe es nicht mehr, die Schutzpatronin jeder Stechmücke zu sein. Dies ist mein Fleisch, dies ist mein Blut. Das nimmt ungesunde Ausmaße an. Zwischen den Fugen der Balkonplatten wuseln jetzt grau-grausige Geschöpfe, aus welcher Unterwelt kommen die denn? Sie stellen sich mir nicht vor. Ich muss auch an mich denken. Steht in jedem Ratgeber. Bevor ich anfange zu spinnen, soll die Spinne das machen. Aber die ist desertiert, ich hab ihren Standort ruiniert.
Oh Gott, und wenn jetzt, auf meinem killerblumenfreien Balkon auch noch die Bienen anrücken? Die Killer_innenbienen?